MetallRente Jugendstudie 2022: Angst vor Altersarmut
04.05.2022
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Die MetallRente-Langzeitstudie „Jugend, Vorsorge, Finanzen“ ist Anfang Mai 2022 in ihrer fünften Auflage erschienen. Die Ergebnisse zeigen großen Bedarf in der Altersvorsorge der jüngeren Generation.
Seit 2010 befragt MetallRente gemeinsam mit Kantar Public im Abstand von drei Jahren jeweils rund 2.500 junge Erwachsene zwischen 17 und 27 Jahren zum Themenkomplex Finanzen und Vorsorge. Seit der letzten Befragung 2019 hatte besonders die Corona-Pandemie große Auswirkungen auf die Jungen.
„Die große Mehrheit der jungen Menschen spart trotzdem. Allerdings sehen wir auch wichtige Veränderungen. Der Optimismus der jungen Erwachsenen im Hinblick auf ihr persönliches Leben sinkt und bestätigt eine generelle Tendenz, die sich schon vor Corona abzeichnete. Junge Erwachsene haben einen realistischen Blick auf ihre Vorsorge. So viele wie nie zuvor investieren ihr Geld in Aktien und Fonds. Denn die Angst vor Altersarmut ist präsent. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an die Politik weiter an, für eine auskömmliche Rente für die eigene Generation zu sorgen“, erklärt Klaus Hurrelmann, wissenschaftlicher Leiter und gemeinsam mit Heribert Karch und Christian Traxler Herausgeber der Studie. Karch kritisiert den über 20 Jahre währenden Reformprozess: „Regelmäßige Altersvorsorge erreicht nur eine Minderheit junger Erwachsener. Einem Teil fehlen hierfür schlicht die Mittel.“
Angst vor Altersarmut ist groß
Die Ergebnisse zeigen: 86 % aller 17- bis 27-Jährigen sparen entweder regelmäßig oder ab und zu. Doch 14 % sparen nicht, da nicht genug Geld übrigbleibt. Drei Viertel (78 %) der Befragten sind besorgt, im Alter nur eine niedrige Rente zu erhalten und arm zu sein. Auffällig ist dabei, dass die Angst vor Altersarmut bei jungen Frauen mit 84 % ausgeprägter ist. Drei von vier jungen Männern (74 %) teilen diese Befürchtung.
Neun von zehn (90 %) jungen Erwachsenen wissen, dass sie zusätzlich vorsorgen müssen, um sich vor Armut im Alter zu schützen. Doch obwohl das Bewusstsein für die Altersvorsorge weit verbreitet ist, sorgen nur die wenigsten tatsächlich aktiv vor. 51 % der Befragten legt immerhin ab und zu Geld fürs Alter zurück. Nur 37 % sparen regelmäßig. Dabei gibt es deutliche Unterschiede je nach finanzieller Situation der Studienteilnehmenden. Unter den finanziell gut aufgestellten sparen mehr als 60 % für ihre Rente. Deutlich schlechter sieht es in der Gruppe aus, die ihre eigene finanzielle Situation als schlecht beschreiben. Nur ein Viertel (26 %) von ihnen schafft es, Geld für die Altersvorsorge aufzuwenden.
Immer weniger Frauen sorgen fürs Alter vor
Als besonders alarmierend beschreiben die Studienautoren die Ergebnisse bei jungen Frauen. Von ihnen sparen nur noch 29 % regelmäßig für ihren Ruhestand. In der ersten Befragung 2010 gaben noch 39 % der Teilnehmerinnen an, regelmäßig zu sparen. Bei den jungen Männern entwickelte sich das Sparverhalten gegenteilig. 2010 gaben 38 % von ihnen an, regelmäßig für die Rente zu sparen, heute sind es 45 %.
Vertrauen in gesetzliche Rente und Betriebsrente
Die jungen Befragten lehnen eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters deutlich ab. Nur 23 % wären bereit, länger als bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten, wenn dies der langfristigen Sicherung der Rente diene. Die Mehrheit der jungen Erwachsenen fordert vielmehr, dass der Staat seine Verantwortung für die Altersversorgung ihrer Generation wahrnimmt. 88 % stimmen der Aussage „Wenn die Politik es wirklich will, kann es auch in Zukunft eine gute staatliche Rente geben“ zu. 2010 lag die Zustimmung bei 74 %. Die Erwartungshaltung ist also gestiegen. Das hängt laut Studie mit einem generell hohen Vertrauen in die gesetzliche Rente zusammen. Denn 58 % der jungen Erwachsenen vertrauen ihr „eher“ oder „voll und ganz“. Mit 49 % ist auch das Vertrauen in Vorsorgeangebote von Unternehmen, also bAV, sowie Lebensversicherungen (46 %) hoch.
Fokus auf Rendite und Nachhaltigkeit
Unter den Sparern sind Aktien und Fonds so beliebt wie nie zuvor. Im Vergleich zu den Ergebnissen von 2016 hat sich ihr Anteil von 16 % auf 50 % mehr als verdreifacht. Dabei spielt erneut das Geschlecht eine besondere Rolle. Fast zwei Drittel der jungen Männer (62 %) sparen auch mit Aktien und Fonds für ihre Altersvorsorge. Bei den jungen Frauen ist es dahingegen nur ein Drittel (34 %) – doch auch dieser Wert hat sich seit der letzten Studie 2019 fast verdoppelt.
Andere Sparformen wie Festgeld (49 %), Bausparverträge (38 %) oder Riester-Rentenverträge (22 %) verlieren in der anhaltenden Niedrigzinsphase zunehmend an Attraktivität. Nur die betriebliche Altersversorgung bleibt durchgängig beliebt. 37 % der Befragten sorgen mit einer bAV vor. Übrigens würden 57 % bei der Wahl der Altersvorsorge auf eine garantierte feste Verzinsung verzichten, wenn dadurch die Aussicht auf Rendite deutlich höher wäre. Feste Zinsen und garantierte Rentenhöhen bevorzugen aktuell nur noch 43 %.
Verunsicherung wächst, Finanzwissen fehlt
Die Erwartungen junger Menschen an ihre persönliche Zukunft haben sich nur leicht verschlechtert. 88 % der Befragten glauben an eine „gute“ oder „sehr gute“ Zukunft. Der Blick auf Deutschland fällt deutlich pessimistischer aus. 53 % schätzt diese als „weniger gut“ oder sogar „schlecht“ ein. Aber auch persönlich wachsen die Unsicherheiten und Zweifel, ob man sich in einigen Jahren noch eine gute Zukunft leisten kann, nehmen zu. Das zeigt das Thema Familiengründung besonders deutlich: „Wir haben jetzt zum ersten Mal eine Studie, in der ein Viertel der jungen Erwachsenen sagt, sie wissen nicht, ob sie es sich finanziell leisten können, eine eigene Familie zu gründen. Das hat es in diesem Ausmaß bisher nicht gegeben. Und das signalisiert, dass die jungen Leute äußerst sensibel auf globale Entwicklungen reagieren. Sie stellen sich darauf ein. Ihren Grundoptimismus als junge Generation wollen sie sich aber nicht nehmen lassen,“ betont Studienleiter Klaus Hurrelmann.
Entscheidend für die optimale Vorsorge ist Finanzwissen. Doch gerade daran hapert es bei vielen. 63 % der jungen Erwachsenen gaben an, sich „gut“ oder „sehr gut“ in finanziellen Dingen auszukennen. Allerdings meinen nur 31 %, dass die beim Thema Altersvorsorge „gut“ oder „sehr gut“ Bescheid wissen. Knapp neun von zehn (87 %) finden, Altersvorsorge sollte ein fester Bestandteils eines Schulfachs „Wirtschaft und Finanzen“ sein. Mitherausgeber Christian Traxler unterstreicht: „Wer nicht aus einer Familie kommt, die ihr ökonomisches Potenzial und Wissen an die Kinder weitergeben kann, hat es auch meist schwerer mit der Altersvorsorge. Finanzbildung in der Schule kann einen Beitrag leisten, diese soziale Spreizung zu reduzieren.“
Hurrelmanns Fazit zur aktuellen Studie lautet: „Junge Leute sind sehr zukunftsorientiert und bereit, selbst etwas für ihre Zukunft zu tun – beim Thema Rente genauso wie in der Klimafrage. Sie sind gewillt, ihr Verhalten zu ändern. Aber sie wissen auch, dass sie allein durch ihr individuelles Verhalten die Probleme nicht lösen können.“ Heribert Karch sieht auch die institutionellen Akteure in der Pflicht: „Altersversorgung erfordert regelmäßiges Sparen. Dafür braucht es kollektive Formen. Eine tarifpolitisch auch finanziell flankierte betriebliche Altersversorgung kann das besser leisten als jedes andere Modell.“ (lb)