Krypto-Mining? Nein, danke?
20.12.2023
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Digitale Kryptowährungen wie Bitcoin, Etherum oder Tether werden von nicht wenigen Finanzberatern als Hochrisiko-Geschäft eingestuft und eher mit Vorsicht potenziellen Anlegern als Investment angeboten. Aktuell kommt ein weiterer kritischer Aspekt hinzu, der von Kryptobörsen gerne ausgeblendet wird: Das Erstellen digitaler Währung wirkt sich extrem auf die Umwelt aus – insbesondere beim Energieverbrauch.
Kryptowährung, das „Gold des 21. Jahrhunderts“, erlebt eine wellenartige Rezeption aus Euphorie und Ernüchterung. Während sich gerade zu Corona-, Krisen- und Kriegszeiten die Anleger auf eher solide Sachwerte rückbesinnen, scheint aktuell das Interesse an digitalen Werten im ungewöhnlichen Aufwärtstrend. Laut der Informationsplattform Block-Builders.de sei zum ausklingenden Jahr die Marktstimmung „angeheizt“: Der Bitcoin Fear & Greed Index notiere auf 66 Zählern, wobei 100 für das Höchstmaß an Euphorie stehe. Zum Vergleich: Ein ähnlicher Score für den Aktienmarkt rangiert aktuell bei 41 Punkten. Etwa 79 % aller Investoren befänden sich in der Gewinnzone. Angesichts der jüngsten Kursanstiege rangiert Bitcoin bei einem Ranking nach Marktkapitalisierung auf dem 12. Platz. An der Spitze steht übrigens Gold mit einer Kapitalisierung von mehr als 13 Billionen US-Dollar.
Alles im Lot auf dem Bitcoin-Boot?
Sicher nicht. Eine aus Kryptoianersicht eher zur Unzeit veröffentlichte Studie bescheinigt der Digitalwährung größtmögliche Schadensverursachung – und zwar im Bereich Umwelt und Energie. Professor Kaveh Madani und sein Team vom Institut für Wasser, Umwelt und Gesundheit der United Nations University (UNU-INWEH) im kanadischen Hamilton kommen zu dem Schluss, dass das sogenannte „Mining“ gravierende und bislang übersehene Auswirkungen auf die Umwelt habe. Sie fordern deswegen dazu auf, Krypto-Mining zu regulieren. Wie beim Goldbergbau werden auch die virtuellen Münzen geschürft. Mining bezieht sich dabei auf den Prozess des Herstellens, Hinzufügens und Validierens von Transaktionen zum Blockchain-Protokoll, speziell im Bereich der Kryptowährungen: Ein dezentralisierter, computergestützter Prozess, bei dem ein Verbund von unzähligen, leistungsstarken Computern und Servern konstant komplexe Berechnungen durchzuführen muss. Und nicht nur das: Die im Netzwerk verbundenen Geräte konkurrieren als Miner miteinander, um neu generierte Kryptowährungseinheiten und Transaktionsgebühren als Lohn zu erhalten.
Das Krypto-Mining verlangt also erhebliche Ressourcen wie Strom und Rechenleistung. Die weltweit vielbeachtete Studie der kanadischen Forscher kommt zu dem Ergebnis, dass 67 % des Mining-Stroms aus fossiler Energieerzeugung mit Kohle, Gas und Öl stamme, 9 % aus Atomenergie und 24 % aus Wasserkraft, Wind, Solar und Bioenergie. Und dies widerspricht doch deutlich den 2022 veröffentlichen Ergebnissen des Bitcoin Mining Councils. Diese Organisation hatte beruhigend festgestellt, dass 2022 rund 60 % des Mining-Stroms aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt wurde. Allerdings basiert das Bitcoin Mining Council auf einem offenen Forum von Krypto-Minern – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Im deutlichen Gegensatz dazu berichtet der Wissenschaftler, Akademiker und Aktivist Kaveh Madani in seiner Studie (erstmals veröffentlicht im Fachmagazin „Earth’s Future“), dass im Zeitraum zwischen 2020 und 2021 allein für Bitcoin-Mining 173 Terawattstunden Strom benötigt wurden – 60 % mehr als in der Periode von 2018 bis 2019. Bitcoin landet mit diesem Wert in einer fiktiven Vergleichsliste der Länder mit dem größten Stromverbrauch auf Platz 27 – vor Pakistan mit 230 Millionen Einwohnern. Die CO2-Emission entsprach einer Verbrennung von 84 Milliarden Pfund Kohle – es müssten also 3,9 Milliarden Bäume gepflanzt werden, um hierzu einen nachhaltigen Ausgleich zu schaffen. Erheblich sei auch der Wasser-Fußabdruck durch die Erstellung von Kryptowährung, berichten die Forscher. Er liege zwischen 2020 und 2021 bei rund 1,65 Kubikkilometer. Damit könne man mehr als 300 Millionen Menschen in ländlichen Gebieten in Afrika versorgen – oder mehr als 660.000 Schwimmbecken füllen.
„Im letzten Jahrzehnt haben die Preise der wichtigsten Kryptowährungen erheblich angezogen. Dementsprechend sind ihr weltweites Handelsvolumen und die Anzahl ihrer Transaktionen auch deutlich gestiegen“, so Medani in seiner Studie. Vor nicht allzu langer Zeit hätten einige große Konzerne offiziell angekündigt, Teile ihrer Vermögenswerte in Kryptowährungen umzuwandeln. Bitcoin und Co. würden verstärkt als Zahlungsform akzeptiert werden – dieses Vertrauen und die globale Dynamik stärke somit das Interesse am Kryptowährungsmarkt. „Die aktuelle Ära der Kryptowährung als größter Markttrend ist vergleichbar mit dem kometenhaften Anstieg des Goldpreises zu Beginn der 1970er Jahre und motiviert die anhaltende Diskussion darüber, ob Kryptowährung ein Ersatz für Gold sein kann“, so die Studie weiter. Die Analyse der zukünftigen Trends und der Platzierung von Kryptowährungen im Banken- und Finanzsystem sei unbestreitbar geprägt durch die „technologischen Durchbrüche der vierten industriellen Revolution und die daraus resultierenden Verbesserungen in Bezug auf Sicherheit, Datenschutz, Effizienz der Datenübertragung und Automatisierung“. Die Forscher rufen weltweit wissenschaftliche und politische Entscheider zu „dringenden Maßnahmen“ auf. Um die Umwelt- und Energie-Gefahren eines schnell wachsenden digitalen Währungssektors abzumildern, seien regulatorische Eingriffe und technologische Innovationen erforderlich, wie beispielsweise „Alt-Coins“-Netzwerke oder die Schaffung neuer energieeffizienter Blockchain-Validierungsprotokolle. (sg)
Fazit
Das Trend-Thema Nachhaltigkeit mag zwar alle Bereiche der Finanz-, Versicherungs- und Immobilienbranche durchdrungen haben, scheint jedoch im Krypto-Markt noch nicht angekommen zu sein. Wie die kanadische Studie beweist, ist der Bitcoin-Energieverbrauch dramatisch, ein globales politisches Regulativ sei dringend erforderlich.
Prof. Kaveh Madani
Direktor
UNU-INWEH