KAGB hat wie ein Turbo gewirkt und die Rolle der KVG gestärkt
18.08.2023
Katja Müller - Foto: © Universal Investment
Ende Juli 2013 ist das neue Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) in Kraft getreten. Nach einer Dekade fragt man sich, an welchen Stellschrauben sich fundamental etwas getan hat. Katja Müller, Chief Customer Officer, Universal Investment, im Interview zu den Auswirkungen und den Zukunftsperspektiven des deutschen Fondsstandorts.
finanzwelt: Frau Müller, 10 Jahre KAGB – wie fällt aus heutiger Sicht das Fazit aus?
Katja Müller: Das KAGB hat die Attraktivität Deutschlands und Frankfurts als Finanzstandort nachhaltig gesteigert und den Fondsmarkt transparenter und wettbewerbsfähiger gemacht. Natürlich hat das KAGB auch unsere Rolle als Master- und Service-KVG gestärkt. Aber vor allem unsere Kunden profitieren davon, dass in den vergangenen zehn Jahren die Professionalisierung deutlich zugenommen hat. Durch die Spezialisierung in der Fondsbranche ist die Expertise in den Teilbereichen heute höher, und die Arbeitsteilung zwischen Fondsinitiatoren und Service-KVGs oder institutionellen Investoren und Master-KVGs ist entsprechend intensiver geworden. Zudem wurde das Risikomanagement deutlich ausgebaut, während sich gleichzeitig die Time-to-Market-Dauer erheblich verkürzt hat.
Die Einführung des KAGB war zudem maßgeblich für das Überleben der Spezialfonds. Für die deutsche Rentenabsicherung spielen Spezialfonds eine entscheidende Rolle, weil in ihnen in großen Teilen der Kapitalstock für Renten angelegt ist.
finanzwelt: Was waren die Gründe für die Einführung des KAGB?
Müller: Grundgedanke der Einführung waren die Harmonisierungsbestrebungen der EU. Das Gesetz ist im Juli 2013 in Kraft getreten und hat das bis dahin geltende Investmentgesetz ersetzt, um erstmalig die gesetzlichen Vorgaben für Verwalter von offenen und geschlossenen Fonds zu vereinen. Nach der Finanz- und Immobilienkrise 2008 und 2009 hat die EU-Kommission die AIFM-Richtlinie erlassen und die Mitgliedsstaaten beauftragt, diese in nationales Recht umzusetzen. Das KAGB hat dann den nötigen regulatorischen Rahmen für alle Investmentvermögen geschaffen und so die Fondsbranche grundlegend verändert. Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass es Begriffe und Verantwortlichkeiten wie KVG oder Verwahrstelle in dieser Form nicht gab.
finanzwelt: Sind jegliche Missstände behoben worden?
Müller: Das KAGB ist ein gutes Beispiel dafür, wie notwendige Veränderungen angestoßen werden, um einen neuen Rahmen zu schaffen und so für die nötige einheitliche Regulierung, Transparenz und Rechtssicherheit zu sorgen.
Ein wichtiger Punkt war und ist zum Beispiel der Anlegerschutz. Entscheidend für die jeweils in Frage kommenden Fondslösungen ist seither die Einstufung in professionelle, semi-professionelle und private Investoren anhand der Organisation (z.B. Banken), der Investmenterfahrung und Mindestanlagesumme.
Für Plattformen wie Universal Investment hat das KAGB – insbesondere im Real Estate- und Alternatives-Bereich – wie ein Turbo gewirkt und die Rolle der KVG gestärkt. Auch das starke Wachstum der deutschen Fondsbranche lässt sich in weiten Teilen der Einführung des KAGB zuschreiben: Das insgesamt verwaltete Vermögen hat sich seit 2012 auf 3,8 Billionen Euro verdoppelt.
finanzwelt: Was hätte man - in der Rückschau - noch ändern sollen/müssen?
Müller: Das KAGB hat in zehn Jahren viel erreicht. Natürlich zeigen sich im Verlauf eines Jahrzehnts auch die Elemente, die man anpassen muss, um eine Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben. Wenn wir also nach vorne schauen, sind es vier wesentliche Punkte: Wichtig wäre, dass eine Harmonisierung bei der Einschätzung des gleichen Vehikels im Finanzmarkt- (KAGB), Gesellschafts- und Steuerrecht erfolgt. Aktuell wird das selbe Vehikel beim Anleger als "geschlossen", unter dem KAGB als offen steuerrechtlich wieder wie ein geschlossenes Vehikel behandelt. Hier ist eine Vereinheitlichung überfällig. Auch beim Infrastruktur-Sondervermögen fehlt noch etwas der Feinschliff. Hier sollte der Gesetzgeber noch einmal Hand anlegen, um den Besonderheiten von Infrastruktur-Assets besser Rechnung zu tragen. Positiv lässt sich hervorheben, dass der Gesetzgeber mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts und des Finanzstandortes stärken will, und auch das KAGB, z.B. mit längst überfälligen Regelungen zu erneuerbaren Energien, auf dieses Ziel hin weiterentwickelt werden soll. Ähnliches hat er mit dem Fondsstandortgesetz bereits geschaffen, mit dem der Bundestag unter anderem die geänderte OGAW-Richtlinie der EU für den grenzüberschreitenden Vertrieb umsetzt.
finanzwelt: Wie sehen aus Ihrer Sicht die Zukunftsperspektiven von Initiatoren und Plattformen aus?
Müller: Es ist kein Selbstläufer, dass Deutschland im europäischen Fondsmarkt zu den drei größten Finanzstandorten zählt. Aber wie skizziert, haben wir lokale Besonderheiten und auch viele Instrumente an der Hand, die uns helfen, entsprechend zu agieren. Für die Fondsinitiatoren bietet das KAGB das nötige, einheitliche Regelwerk für alle Fonds und hat damit die Effizienz deutlich verbessert. Auf dieser etablierten Basis und mit den erwähnten notwendigen Anpassungen sind auf der regulatorischen Seite die nötigen Weichen gestellt. Für eine umfassende Einschätzung der Zukunftsperspektiven spielen aber für die Fondsbranche natürlich viele weitere Faktoren eine Rolle. Einer dieser Faktoren ist – auch wenn er mit dem KAGB gar nichts zu tun hat – das Thema Nachhaltigkeit. ESG ist definitiv gekommen, um zu bleiben. Die regulatorischen Anforderungen sind hier hoch, noch in der Entwicklung und werden vermutlich weiter steigen. Initiatoren werden sich dieser Herausforderung stellen müssen und Plattformen wie Universal Investment sind prädestiniert, um diese Entwicklungen zu begleiten und die Initiatoren dabei zu unterstützen.
finanzwelt: Wie ist es generell um den Fondsstandort Deutschland im europäischen Vergleich bestellt?
Müller: Das KAGB ist eine der Ursachen, warum es Deutschland gelungen ist, den Marktanteil gegenüber den beiden großen Fonds-Hubs zu halten und sich auf den dritten Platz vorzuarbeiten. Allerdings muss man sich klar machen: Realistischerweise wird sich an diesem Platz mittelfristig wenig ändern. Mit Blick auf Fondszulassungen stellt man fest, dass Deutschland im Vergleich zur CSSF deutlich schneller geworden ist und seine Position verbessert hat. Um diese weiter zu stärken, ist es wichtig, dass die bereits angesprochenen Änderungen zeitnah umgesetzt werden. Deutschland hat als Finanz- und Fondsstandort viel Potenzial, das im Interesse der Anlegerinnen und Anleger weiter genutzt werden sollte. (ah)