Intelligent investieren heißt auch verantwortungsvoll handeln
14.06.2023
Dr. Kristina Bambach, CFA, Portfoliomanagerin/Head of Responsible Investment, Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH
Diejenigen, die beispielsweise gerne ins Theater oder Kino gehen, wissen um die Bedeutsamkeit dessen, was sich hinter den Kulissen abspielt. In diesen Situationen ist man näher an den Darstellern dran; fast eine Art Tuchfühlung. Auch in der Finanzindustrie lohnt ein Blick abseits der Daten und harten Fakten. Hinter Fonds und jeglichen Produkten stehen Menschen. Und keine KI wird diesen Prozess vollständig ersetzen. Es reizt mich, besondere Charaktere zu interviewen und ansatzweise herauszufinden, wie er/sie zu dem geworden ist, was er/sie heute verkörpert. In der dritten Folge dieser Reihe durfte ich Dr. Kristina Bambach, CFA, Portfoliomanagerin/Head of Responsible Investment, Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH etwas kennenlernen. An ihrem Wohnort Berlin-Kreuzberg traf ich sie Anfang Mai zum Gespräch.
Freitagmorgen, 10.30 Uhr: Bei einem Kaffee folgt der erste Austausch mit Dr. Kristina Bambach, die mir hellwach und locker gegenübertritt. Handeln wir zunächst die Fakten einmal ab, d. h. wie ist die gegenwärtige Lage an den Kapitalmärkten? Just an diesem Tag (04.05.) geht der DAX mit einem Plus auf circa 15.960 Punkten aus dem Handel.
finanzwelt: Mit Blick aufs Börsenparkett und dem Verlauf einiger Indizes könnte man meinen, jegliche Störfeuer seien verschwunden. Ein Irrglaube, oder? Dr. Kristina Bambach» Absolut. Die Inflationsthematik ist weiter sehr präsent. Wider einiger Erwartungshaltungen ist die Preissteigerung hartnäckig, insbesondere in Europa. Zwar hat die EZB zum siebten Mal in Folge die Zinsen im Euroraum erhöht, ist aber am Zinsgipfel noch nicht angekommen. Auf der anderen Seite der Welt ist die US-Notenbank mit jüngsten Zinsanhebung bereits auf den Zinsgipfel zugesteuert; dort sollte das Zinsplateau erreicht sein. Allerdings erwarten wir auch keine Zinssenkung in naher Zukunft. Insbesondere der US-Arbeitsmarkt trotzt (bis dato) dem Zinserhöhungszyklus und zeigt sich nach wie vor als robust.
finanzwelt: Was bedeutet das für die Asset Allokation?
Dr. Bambach» Die Lage lässt keinen Raum für
Pauschalisierungen. Mit anderen Worten: Natürlich sind Aktien, auch in
gemischten Portfolien, immer einen Blick wert und unverzichtbarer Baustein. In
wirtschaftlich eher unsicheren Zeiten – die wir absehbar sehen – messen wir
dabei beispielsweise dem Qualitätsbegriff eine noch bedeutsamere Rolle zu. Auch
zu Wachstumsaktien haben wir eine Meinung: Sie kommen zurück, aber es gilt
nicht, blindlings zu kaufen, sondern behutsam auszuwählen. Generell erscheint
es sinnvoll, auf die treibenden Kräfte einzelner Unternehmen zu schauen und
nicht auf deren etwas willkürliche Einteilung in Schubladen. Mit dem Zins ist,
auf der anderen Seite, auch das Anleihensegment wieder interessant geworden.
Werfen Sie einen Blick auf mögliche Renditen im Investment Grade oder gar High
Yield-Segment. Allerdings ist auch in diesen Segmenten eine fundierte Analyse
unerlässlich.
finanzwelt: Genug der „harten Fakten“. Sie sind
auch Head of Responsible Investment in Ihrem Hause und haben DIE Nachhaltigkeit
im Blick. Ist ESG mittlerweile etwas in den Hintergrund gerückt?
Dr. Bambach» Vielleicht für den Moment, aber unbestritten
gehört das Thema Nachhaltigkeit zu den wesentlichen Megatrends. Folglich wird
es sowohl Investoren als auch Anbieter von Investmentlösungen weiter begleiten
und hohe Aufmerksamkeit erfordern. Getrieben unter anderem durch Klimawandel,
neue Technologien und den gesellschaftlichen Druck. Investoren und Unternehmen
müssen sich kritische Fragen zu ihrem Nachhaltigkeitshandeln gefallen lassen.
ESG ist das New Normal und alle Finanzakteure tun gut daran, sich darauf
einzustellen.
finanzwelt: Gibt es ein allgemeingültiges,
statisches Verständnis nachhaltigen Investierens?
Dr. Bambach» Ich denke, es gibt kein allgemeingültiges,
einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit. Und das wiederum ist gut so. Die
zugrundeliegenden Kriterien sind doch immer eher subjektiver Natur. Insofern
ist die Annahme, die nachhaltige Kapitalanlage sei statisch, ein Trugschluss.
Das Gegenteil ist der Fall. Sie muss ständig neu hinterfragt werden.
finanzwelt: Soziale Aspekte spielen in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft eine Rolle. Wie ist es um die soziale Komponente bei ESG bestellt? Dr. Bambach» Die soziale Komponente gewinnt bei der Vermögensallokation zunehmend an Bedeutung. Zu Recht. Natürlich ist die Messung entsprechender Standards im Vergleich zu ökologischen Kriterien schwieriger. Aber es gibt internationale Standards wie den UN Global Compact oder OECD-Richtlinien. Innerhalb dieses Spektrums sind die Menschenrechte der unumstößliche Bezugspunkt. Beispielsweise durch die Sicherstellung menschenwürdiger Arbeit, Gleichberechtigung, Diversity u.v.m.
finanzwelt: Welchem ESG-Verständnis folgt Ihr Haus? Dr. Bambach» Für unser Haus ist intelligentes Investieren gleichbedeutend mit verantwortungsvollem Handeln. Das eine geht nicht ohne das andere. So hat Eyb & Wallwitz zum Beispiel die Prinzipien für verantwortliches Investieren (PRI) bereits 2012 unterschrieben. Zudem treten wir als aktiver Investor bei Hauptversammlungen auf und suchen den direkten Dialog mit Unternehmen, um ein Umdenken zugunsten der Nachhaltigkeit voranzutreiben. Wir dürfen nicht vergessen, dass alle am gleichen Strang ziehen sollten. Nachhaltigkeit ist eine globale Notwendigkeit.
finanzwelt: Mit welchen Folgen müssen Unternehmen
rechnen, bei denen Nachhaltigkeit nicht so ernst genommen wird?
Dr. Bambach» In einer schnelllebigen, hochgradig
vernetzten Welt müssen Unternehmen ihren Nachhaltigkeitsansprüchen glaubhaft
gerecht werden. Im anderen Fall droht ein enormer Reputationsschaden. Diesem
Risiko kann sich kein Konzern aussetzen.
Mittlerweile schlendern wir durch den Kreuzberger Kiez. Kreuzberg gehört zu den buntesten, spannendsten und multikulturellsten Vierteln der Hauptstadt und ist schon lange ein Hotspot für Cafés, Restaurants und Clubs. Kreuzberger Nächte sind bekanntlich lang. Aber auch architektonisch bietet insbesondere der Bergmannkiez einiges und überzeugt durch Bauten der Gründerzeit. Wenige Straßen weiter finden sich aber auch Ruheoasen zwischen den ganzen Wohnblöcken. Sie bieten Möglichkeiten, dem Alltag für eine kurze Zeit zu entfliehen. Hier führen wir das Interview fort und kommen zum persönlichen Bezug.
finanzwelt: Sie sind promovierte
Wirtschaftsmathematikerin. Man schließt damit nicht unbedingt auf eine
Tätigkeit als Portfoliomanagerin. Wie kamen Sie dazu?
Dr. Bambach» Die Fächer Mathematik und
Wirtschaftswissenschaften haben eine große Schnittmenge. Weite Bereiche der
VWL/BWL sind stark quantitativ orientiert und erfordern den Einsatz
mathematischer Verfahren. Der Kerngedanke, mathematische Probleme zu lösen, die
sich aus ökonomischen Fragestellungen ergeben, reizte mich und bestärkte mich
schlussendlich, mit dem erworbenen Wissen und den Fähigkeiten diese
Herausforderung bei Eyb & Wallwitz anzunehmen. Übrigens: Mathematik ist
nicht grau. Sie ist facettenreich, wie alles im Leben.
finanzwelt: Im Herbst 2020 sind Sie zum Münchner
Vermögensverwalter gekommen. Welche Gründe haben den Ausschlag für Eyb &
Wallwitz gegeben?
Dr. Bambach» Um eine Entscheidung zu fällen, ist es
erforderlich, sich darüber im Klaren zu sein, welche Kriterien einem persönlich
wichtig sind. Rationale Komponenten spielen eine Rolle, können nicht außer Acht
gelassen werden. Im Zweifel folge ich aber meinem Bauchgefühl. Nach Gesprächen
mit den Verantwortlichen bei Eyb & Wallwitz, dem Auseinandersetzen mit der
zugrundeliegenden Investmentphilosophie und der Unternehmenskultur habe ich
ganz bewusst dieses Angebot angenommen. Das Gesamtpaket stimmte einfach.
finanzwelt: Wie darf man sich Ihre Tätigkeit
vorstellen?
Dr. Bambach» Die Aufgaben im Portfoliomanagement sind
sehr vielfältig. So gehören unter anderem die Analyse von Kapitalmärkten und
Generierung von Investitionsideen im Aktien- und Rentenbereich dazu. Das
Management von Portfolios unter Ertrags- und Risikogesichtspunkten sowie
kundenspezifischer Vorgaben ist ein weiterer Baustein. Ferner habe ich die
Funktion als Head of Responsible Investment inne, d. h. ich kümmere mich um die
ESG-Belange. Zudem bin ich für den hauseigenen Podcast mitverantwortlich.
finanzwelt: Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie persönlich? Dr. Bambach» Es geht doch im Kern darum, wie gut und sinnstiftend wir Menschen in Zukunft leben werden. Die zunehmend spürbaren Folgen des Klimawandels zeigen uns beispielsweise, dass wir mit unserem Verhalten unsere Umwelt verändern. Wir können die Ökosysteme nicht erhalten, wenn wir so weitermachen wie bisher und wenn keine nachhaltigeren Entscheidungen getroffen werden. Das gilt es im Auge zu behalten, auch persönlich. Zentral ist auch, dass es dabei neben der ökologischen auch eine soziale und eine wirtschaftliche Dimension gibt. Ein Dreiklang. Das persönliche Verhalten im Alltag gilt es diesbezüglich stets zu hinterfragen.
finanzwelt: Was kann der Einzelne schon leisten,
hört man immer wieder.
Dr. Bambach» Egal, ob beim Einkaufen oder im Verkehr,
jeder Einzelne kann etwas tun. Weniger Fleisch essen, Strom sparen, bewusster
einkaufen, Müll vermeiden. Man muss nur anfangen, es zu tun und das eigene
Denken dahingehend zu reflektieren und ggf. zu verändern. Wir müssen die
Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft bewerkstelligen. Mut, nicht
zu verzagen und nachzulassen, gehört ebenfalls dazu.
finanzwelt: Sie arbeiten in München, ihr
Lebensmittelpunkt ist hingegen Berlin. Hier sitzen wir heute.
Dr. Bambach» Beide Städte versprühen natürlich ihren
besonderen Reiz und Charme. Berlin ist für mich dabei nicht nur politische
Hauptstadt, sondern mit dem vielen Grün und den zahlreichen sozial-ökologisch
fokussierten Initiativen ein guter Ort zum Leben. Die Kreativität der Stadt
gibt mir Energie. Der Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen ist sicherlich
ein weiterer besonderer Aspekt, der viele, auch mich, anzieht. (ah)