„In der Biotechnologie spielt die Musik“
29.07.2013
**Finanztitel sind nach wie vor weitgehend ein „Tabu"; die Biotechnologiebranche darf sich angesichts Mittelzuflüssen und guten Zahlen in die Hände reiben. „finanzwelt" sprach mit **Nathalie Flury, Fondsmanagerin des JB Biotech Fund von Swiss & Global Asset Management.
finanzwelt: Fonds mit Fokus auf speziellen Themen wie Biotechnologie sind derzeit durchaus erfolgreich. Laut BVI konnten sie Mittelzuflüsse im laufenden Jahr von 155 Mio. € akquirieren. Sprechen „nur" die gegenwärtigen Rahmenbedingungen für Biotech oder gibt es weitere Gründe?
Flury: Viele Anleger, vor allem aus den USA, haben in den letzten 18 Monaten grosskapitalisierte Biotech-Titel gegenüber Pharmatiteln bevorzugt. Das hat damit zu tun, dass diese Gesellschaften ein höheres und schnelleres Wachstum aufweisen als gewisse traditionelle Pharma-Firmen. Dieser Trend dürfte auch in der näheren Zukunft anhalten. Mehrere wichtige Produkte von Biotech-Gesellschaften sind in den letzten 12 Monaten auf den Markt gekommen oder befinden sich in der Lancierungsphase. Dazu gehören BG12, das Biogen-Produkt gegen Multiple Sklerose, Eylea, das Regeneron-Produkt gegen makulare Degeneration sowie die Produkte von Gilead gegen HIV und Hepatitis C (2014).
finanzwelt: Der Nasdaq Biotech Index notiert derweil bei rund 2.030 Punkte – droht nun eine starke Korrektur wie Anfang des Jahrtausends?
Flury: Das heutige Umfeld ist nicht direkt vergleichbar. Die 25 grossen Biotech-Gesellschaften sind heute sehr viel reifer als damals. Sie haben mehrere grosse Produkte auf dem Markt, sind profitabel, ihre Produkte sind noch auf Jahre patentgeschützt, und zusätzlich können sie eine breite Pipeline aufweisen. Es kann nach diesem Anstieg eine gewisse kurzfristige Korrektur geben, der längerfristige Trend ist aber geprägt durch Innovation und Wachstum. 60% der neuen Produkte, die auf den Markt kommen, wurden ursprünglich von Biotech-Unternehmen entwickelt.
finanzwelt: Sind Generika weiterhin auf dem Vormarsch und welche Titel können Sie aktuell hervorheben? Wie stufen Sie derzeit Biogen ein?
Flury: Ein Teil des Gesundheitsvolumens (Medikamente) wird von Generika abgedeckt und das wird auch so bleiben. Zu den grossen Anbietern gehören Teva, Mylan und Actavis. Grosse Volumen sind in diesem Sektor entscheidend, daher rechnen wir noch mit diversen M&A-Aktivitäten im Generikabereich.
finanzwelt: Spielen die Emerging Markets für den Biotechsektor eine wichtige Rolle?
Flury: Im Biotechsektor im engeren Sinn sind die Schwellenländer heute noch nicht relevant. Unternehmen aus den USA und vereinzelte Gesellschaften aus Europa sind führend. Es gibt Forschungszentren in Asien, die an Bedeutung gewinnen, wie etwa in Singapur, aber insgesamt befinden wir uns hier noch in einem frühen Stadium.
finanzwelt: Welchen Einfluss hat die Demografie auf den Biotechsektor und wie beurteilen Sie die Übernahmeaktivitäten innovativer Biotechnologie-Firmen durch große Pharmakonzerne?
Flury: Der Einfluss demografischer Entwicklungen auf den Biotechsektor ist gross. Mit einer wachsenden und älter werdenden Gesellschaft steigt der Bedarf nach Medikamenten. Menschen über 60 brauchen im Durchschnitt dreimal mehr Medikamente als mit 30. Dabei spielen kardiovaskuläre Krankheiten, Krebs und metabolische Krankeiten eine grosse Rolle (dazu gehören Diabetes, Fettleibigkeit etc.). In den letzten zwei Gebieten sind Biotech-Gesellschaften traditionell stark mit Innovation und neuen Produkte vertreten.
finanzwelt: Ihre Einschätzung der kurz- bis mittelfristigen Aussichten für diesen Sektor?
Flury: Kurzfristig könnte es wie gesagt etwas Volatilität geben, aber mittel- bis langfristig halten wir das Potenzial für Anleger für sehr interessant. Innovative Biotech-Lösungen werden auch in Zukunft für Wachstum sorgen – ein Wachstum, wie es lange nicht in allen Sektoren zu finden ist.
Das Interview führte Alexander Heftrich