Hoffen auf die Wunderwaffe
21.05.2014
Exchange Traded Funds (ETFs) sind im Kommen. Auch Vermögensverwalter hierzulande setzen immer mehr diese börsennotierten Indexfonds bei ihrer Portfolioallokation ein. Die Profis bevorzugen die Vehikel vor allem für das Investment in etablierten Märkten.
Über das Wachstumspotenzial der Branche und neue Trends diskutierte finanzwelt in einer Expertenrunde mit:
Heike Fürpaß-Peter, Head of Public Distribution Lyxor ETFs Germany & Austria, Lyxor Asset Management
Wolfgang Köbler, Vorstand KSW Vermögensverwaltung AG
Andreas Rau, Leiter Vertrieb BCA AG
Die großen etablierten Aktienmärkte boomen. Aktiv gemanagte Fonds schlagen jedoch kaum ihren Vergleichsindex (Benchmark), insofern kann es durchaus Sinn machen, auf kostengünstige, passive Indexfonds (ETFs) zurückzugreifen, die den Index abbilden. Immer mehr Entscheider wollen wissen, wie man ein gesamtes Portfolio mit ETFs strukturieren kann. Die ETF-Branche hat darauf reagiert und bietet Muster-Portfolios an, die jeweils auf bestimmte Anlegertypen mit spezifischen Chance-Risiko-Profilen zugeschnitten sind.
finanzwelt: ETFs sind die neuen Lieblinge. Ob DAX oder Euro Stoxx – mit ihnen lässt sich jeder Börsenindex kaufen. Mittlerweile haben sie zunehmend einen festen Platz im Portfoliomanagement der unabhängigen Vermögensverwalter erobert. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Fürpaß-Peter: Das Wachstum der ETF-Branche ist nicht mehr ganz neu, sondern schon seit einigen Jahren deutlich sichtbar. Dies ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen, die unterstreichen, dass ETFs ein effizientes Portfoliomanagement für Vermögensverwalter ermöglichen. Die Konstruktion eines ETF ist vergleichsweise einfach, insofern ist beim Kauf ersichtlich, woran man ist. Kostenvorteile gegenüber aktiven Fondsprodukten und größtmögliche Transparenz bedingen, dass die Produkte sowohl als taktisches als auch strategisches Instrument eingesetzt werden können.
Köbler: In den vergangenen Jahren hat diese Anlageklasse zweifelsohne einen Boom erlebt, nicht zuletzt wegen der schlagkräftigen Argumente. Auch deshalb setzen wir schon seit geraumer Zeit ETFs in der Portfolioallokation ein. Die Vielzahl an emittierten Produkten, speziell bei Branchen- und Länder-ETFs, erlaubt eine breite und vergleichsweise einfache Diversifikation des Vermögens. Einfachheit und Nachvollziehbarkeit, das sind die Schlüsselwörter für attraktive Investmentlösungen, die spätestens nach der Finanzkrise vehement eingefordert werden.
finanzwelt: Ende 2013 hat erstmals ein Indexfonds die Spitzenposition der größten Fonds der Welt eingenommen. Das belegt die wachsende Attraktivität des passiven Investierens. Springen auch Vermittler auf den ETF-Zug?
Rau: Insbesondere Vermittler, die Honorarberatungsmodelle für sich einsetzen, greifen zunehmend in ihrer Beratung auf ETFs zurück. Die Gründe sind im Wesentlichen der sehr viel kostengünstigere Erwerb und die jederzeitig hohe Liquidität an diversen Börsen durch entsprechende Marketmaker. Dies kann für den Kunden direkt in der Rendite seines Portfolios spürbar sein. Darüber hinaus dienen ETFs – als Reinform der Abbildung von Indizes – vielen Beratern in der Strukturierung ihrer Kundendepots. Performancerisiken der aktiv gemanagten Zielfonds können somit bei Reallokationen nahezu ausgeschlossen werden. Mittlerweile werden interessante Lösungen über die etablierten Märkte (Developed Markets) hinaus angeboten. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass bei mittleren und kleinen Marktsegmenten(mid, smallcaps) sowie den Emerging Markets weiterhin auf eine mögliche Outperformanceaktiven Managements vertraut wird.
finanzwelt: ETFs sind vergleichsweise einfach zu verstehen – dennoch machen nach wie vor private Investoren in Europa einen großen Bogen darum. Wie schätzen Sie das Potenzial in dieser Zielgruppe ein?
Fürpaß-Peter: Dass Privatinvestoren diese Anlageklasse meiden, sehen wir so nicht. Vielmehr zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. Wachstumspotenzial, gerade bei dieser Kundenklientel, ist deutlich vorhanden, wenn man sich beispielsweise die Entwicklung in den USA anschaut. Dort liegt über die Hälfte der Assets in den Händen von Privatinvestoren. Auch die zunehmende Anzahl von Selbstentscheidern, die aktiv nach ETFs greifen, stimmt uns sehr positiv.
Rau: Die Kostenstruktur spricht eindeutig für diese Assetklasse; das erkennen auch zunehmend Privatinvestoren, zumal diesbezüglich der Mehrwert von aktiven Fonds oftmals nicht gewährleistet ist. Viele aktiv gemanagte Fonds können den Index nicht schlagen. Um ein größeres Stück vom Renditekuchen abzubekommen, kann man auf börsennotierte Fonds setzen. Unsere Erfahrungen zeigen aber auch, dass im Markt noch Wissenslücken über die Funktionsweise von ETFs existieren.
finanzwelt: Interessanter Aspekt. Wie schaut es denn um das Wissen über ETFs aus und wo setzt die Kritik an?
Köbler: Die ETF-Branche sieht sich zu Recht mancher Kritik ausgesetzt. Mancher „Wildwuchs" bei dieser Assetklasse schadet dem Ansehen des Produkts. Verschnörkelte Konstruktionen haben nichts mehr mit dem ursprünglichen ETF-Gedanken zu tun und konterkarieren dem Versprechen, dass die Produkte einfach und transparent sind. Übersichtliche Plattformen, die für den Kunden auf Anhieb verständliche Informationen liefern, sind gewünscht. Weitverzweigte Konstruktionen gehen doch an vielen Anlagebedürfnissen vorbei.
Fürpaß-Peter: Wir haben eine ganze Reihe von Angeboten, mit denen Berater sich über ETFs informieren können. Neben detaillierten Informationen zu den abgebildeten Indizes stellen wir zum Beispiel Musterportfolios als Anlagevorschlag zur Verfügung. Wir dürfen bei aller berechtigten Kritik aber nicht vergessen, dass wir es mit einer sehr jungen Industrie zu tun haben, die es hierzulande erst seit der Jahrtausendwende gibt. Insofern muss und wird sich die Vermarktung der Produkte noch verbessern.
Rau: Berater sehen insbesondere im Zuge des steigenden Angebots an ETFs verstärkten Informationsbedarf der Kunden. Dahingehend sollte auch über die Nachteile umfassender aufgeklärt werden.
finanzwelt: Wie ist es denn um die Transparenz bestellt?
Fürpaß-Peter: Ich möchte an dieser Stelle auch auf den ETF-Effizienz-Indikator hinweisen. Dies ist ein Maßstab, der ETFs, die denselben Index abbilden, vergleichbar macht. Er misst die Effizienz anhand der wichtigsten Parameter wie Performance (Tracking Differenz zum Index), Liquidität und Tracking Error. Ein weiterer Schritt, um Investoren ein möglichst transparentes Bild zu ihrem Produkt zu vermitteln.
Köbler: In den zurückliegenden Jahren hat die Diskussion physischer oder synthetischer Replikation viele Marktteilnehmer bewegt. Es bleibt zu hoffen, dass die Anbieter daraus gelernt haben und sich auf das Wesentliche konzentrieren: klare, verständliche und kostengünstige Produkte anzubieten. Davon abgesehen eignet sich diese Anlageklasse sowohl als kurzfristiges wie auch als langfristiges Investment für den Vermögensaufbau.
finanzwelt: Herr Rau, die BCA hat ihr fondsgebundenes Vermögensverwaltungskonzept um ein Konzept auf Basis von börsengehandelten Indexfonds erweitert. Wie kam es dazu?
Rau: Mit der ausgewogenen Best-of-ETF-Strategie bieten wir unseren Beratern erstmals auch ein zukunftsweisendes Konzept für Indexfonds an. Verwaltet werden die passiven Fonds vom ETF Marktführer iShares. Somit haben Berater künftig die Möglichkeit, Kunden auch ETFs anzubieten. Wir reagieren damit konsequent auf die Nachfrage am Markt und verpacken zudem diese Leistung noch mit einer Servicefee.
finanzwelt: Welche Indizes verkaufen sich gut?
Fürpaß-Peter: Europäische Indizes erfreuen sich einer hohen Nachfrage. Es herrscht die Marktmeinung, dass die Finanzkrise als überwunden gilt, und demzufolge greifen Marktteilnehmer zu. Zukunftsgerichtet wollen wir aber auch mit neuen und innovativen Produkten unter anderem im Bereich währungsgesicherter ETFs den Marktbedürfnissen gerecht werden. Auch im Anleihemarkt sehen wir durchaus Potenzial.
Gleichberechtigt nebeneinander
Die Produktmaschinerie läuft. finanzwelt fragte Kai Bald, Leiter öffentlicher Vertrieb passive Anlageprodukte DeAWM, nach neuesten Trends und ob Indexfonds den Platz aktiver Fonds einnehmen könnten.
finanzwelt: Verdrängen die passiven Vehikel die aktiven?
Bald: Nein, dafür gibt es keinen Beleg. Aktive und passive Fonds profitieren gegenseitig. Aktive Fondsmanager zählen zu einem gewissen Grad ebenfalls zu den Investoren in ETFs, da sie mit ihnen kosteneffizient und liquide in neue Segmente investieren und somit ihre Anlagestrategien umsetzen können. ETFs tragen somit auch zum Wachstum der aktiven Fondsbranche bei. Das lässt sich auch mit Zahlen belegen. Die verwalteten Vermögen in UCITS-Fonds wachsen in Europa dynamisch, sowohl bei passiven ETFs wie auch bei aktiven Fonds. Sie sind seit 2009 bis Ende 2013 von 5,3 auf 6,9 Bio. Euro gestiegen. Der ETF-Markt in Europa hat sich im selben Zeitraum von 158 auf 290 Mrd. Euro nahezu verdoppelt. Damit haben ETFs eine beeindruckende Erfolgsgeschichte geschrieben, die sich weiter fortsetzen wird. Vermehrt sehen wir auch aktives Anlegen mit passiven Produkten.
finanzwelt: Ein großes Thema ist Nachhaltigkeit. Spielt es in der ETF-Branche eine Rolle?
Bald: Bisher sind primär die ETFs nachgefragt, die einen bei Investoren bekannten oder akzeptierten Index abbilden. Nach unserer Beobachtung haben sich noch keine Indizes durchgesetzt, die systematisch Nachhaltigkeitskriterien umsetzen. Ich kann mir aber vorstellen, dass sich dies ändert, wenn sich ETFs noch breiter als bisher durchsetzen.
finanzwelt: Sie haben einen neuen ETF auf den Markt gebracht, der das weltweite Rentenuniversum abdeckt. Wie kam es dazu?
Bald: Bisher hatten wir Renten-ETFs angeboten, die bestimmte Teilbereiche abbilden, wie Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder Pfandbriefe. Jedoch haben wir deutliche Nachfrage bei Investoren gesehen, die den gesamten Rentenmarkt mit Investment-Grade-Papieren in nur einem ETF abbilden wollen. Der Barclays Global Aggregate Bond Index, den wir mit unserem ETF abbilden, ist international als Benchmark für den weltweiten Rentenmarkt akzeptiert. Unser db X-trackers ETF ist der weltweit erste ETF auf den Barclays Global Bond Index, da die Abbildung der Indexrendite sehr anspruchsvoll ist.
Fazit
Den Charme der Indexfonds macht aus, dass sie kostengünstige, flexible und transparente Investmentvehikel für ein breites Spektrum an Anlageideen darstellen und sich daher für viele Anlegertypen eignen. Mit ETFs kann sowohl langfristig Vermögen aufgebaut als auch auf kurzfristige Trends gesetzt werden. (ah)