Geschäftschancen in Zeiten von Niedrigpreisen und Objektmangel
28.07.2013
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Die Zinsen für Immobilienfinanzierung bewegen sich weiter auf niedrigem Niveau. Wie lassen sich im Zinstal die Chancen für günstige Immobilienkäufe nutzen? Welche Objekte sind zu favorisieren? Diese und weitere Fragen diskutierte finanzwelt mit Experten.
Unsere Gesprächspartner
Dirk Günther, Geschäftsführer Prohyp GmbH
Andreas Pflegshoerl, Leiter Sales Management Partnervertrieb ING-DiBa AG
Marcus Rex, Gründer und Vorstand BS Baugeld Spezialisten AG
Jana Heeg-Rupprecht, Leiterin Vertrieb, Kooperationen und Direktgeschäft PlanetHome AG
Florian Speigel, Leiter Wohn- und Geschäftshäuser Engel &Völkers Commercial München
Stefan Sus, Leiter Partner- und Vertriebsmanagement PlanetHome AG
finanzwelt: Kann der Niedrigzins in der Baufinanzierung noch tiefer gehen? Welche Faktoren werden über die Dauer des Zinstals bestimmen?
Günther: Grundsätzlich befinden sich die Zinsen auf einem sehr niedrigen Niveau. Es ist schwierig zu sagen, wie sie sich noch weiter entwickeln werden. Dies hängt von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab, nicht nur in Deutschland, sondern in Europa. Wichtig ist, wie EZB und Bundesregierung mit der aktuellen Finanzkrise umgehen. Wir gehen davon aus, dass die Hypothekenzinsen in Deutschland in nächster Zeit stabil bleiben sollten.
Rex: Der Leitzins bedeutet nicht automatisch niedrige Zinsen. Das ist ein Trugschluss. Die langfristigen Zinsen orientieren sich an den Staatsanleihen. Nach der letzten EZB-Sitzung ist der Hypothekenzins eher gestiegen als gefallen.
Heeg-Rupprecht: Derzeit ist viel Liquidität im Markt. Der niedrige Zinssatz begünstigt daher die Investitionsbereitschaft. Die Herausforderung ist, ein gutes Anlageobjekt zu finden, das entsprechende Renditen abwirft. Immobilien sind aber auf jeden Fall eine bessere Anlagemöglichkeit als Alternativen im Wertpapier- oder Sparsegment.
finanzwelt: Worauf kommt es an, wenn man im aktuellen Zinstal eine gute Anlageimmobilie finden will?
Pflegshoerl: Wichtig sind die Lage, die erzielbare Mietrendite und die Wiederveräußerbarkeit der Immobilie. Bei Ost-Immobilien hat es zum Beispiel einen großen Werteverfall im Anlagebereich gegeben.
finanzwelt: Woran orientieren sich Immobilienanleger? An den niedrigen Renditen oder an möglichen Steigerungen, die in der Zukunft erzielt werden können? Soll die maximale Finanzierungskraft ausgeschöpft werden?
Rex: Dass die maximale Finanzierungskraft ausgeschöpft werden soll, würde ich nicht sagen. Derzeit wird genauso viel Eigenkapital eingesetzt, wie vor dem Zinstief. Die Deutschen haben gelernt, 20 bis 30 % Eigenkapital einzusetzen. Da die Alternativen im Anlagebereich fehlen, ist man eher bereit, das Geld in Betongold zu investieren.
Heeg-Rupprecht: Das kann ich bestätigen. Heute sind Anleger bereit, viel Eigenkapital einzusetzen, anders als in früheren Jahren, als viel Wert darauf gelegt wurde, möglichst hohe Darlehen aufzunehmen, um den steuerlichen Vorteil der Zinsbelastung mitnehmen zu können.
Sus: Die Frage ist, was bei der Investition in Immobilien im Fokus steht: Eine hohe Mietrendite oder der Sicherheitsaspekt. Wir stellen fest, dass der Trend in Richtung Sicherheit geht. Anlegern sind Stabilität und Inflationsschutz wichtig, dies erhoffen sie sich von einer Immobilie.
finanzwelt: In einzelnen Straßen und Stadtteilen von München und Hamburg ist durchaus eine Blasenbildung festzustellen. Was sind Ausweichstrategien für Anleger?
Sus: In einzelnen Teilbereichen gibt es sicherlich eine Überhitzung, von einer Blasenbildung würde ich aber nicht sprechen. Wir stellen fest, dass teilweise auch emotionale Aspekte dazu führen, dass in Einzelfällen hohe Preise gezahlt werden. Generell ist die Preisentwicklung in den letzten Jahren in Deutschland im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn eher als „Nachholbedarf" zu bezeichnen.
Pflegshoerl: In hochpreislichen Regionen, in denen wir in den letzten Jahren erhebliche Sprünge bei den Kaufpreisen festgestellt haben, führen wir im Vorfeld Objektbesichtigungen durch. Wir vergewissern uns über die Werthaltigkeit der Immobilie.
Speigel: Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen den Immobilienmärkten in Deutschland und den USA, wo die Blase letztlich geplatzt ist: das Verhältnis Mieter/Eigentümer. In Deutschland gibt es rund 50 % Mieter. Die Mieten werden staatlich immer stärker reguliert, sie können gar nicht „davongaloppieren". Deshalb sehe ich das Risiko einer Blasenbildung nicht.
Rex: Eine Blase entsteht dann, wenn spekuliert wird. Raum für Spekulationen gab es in Deutschland aber nur in den neunziger Jahren mit Ost-Immobilien. Damals wurde mit hohen Sonderabschreibungen gelockt. Daneben kann auch Zinsniveau zu Blasen führen. Allerdings nicht in Deutschland, denn hier gibt es im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten Festzinsvarianten. Deutschlandweit befinden wir uns in einem moderaten Wachstum und sind von Immobilienblasen weit entfernt.
Pflegshoerl: Bei Kapitalanlage in Immobilien geht es auch um Altersvorsorge. Wir finanzieren nur Kapitalanlagen, bei der sich der Kunde in räumlicher Nähe zum Objekt befindet. So kann er sich konkret Gedanken über Werthaltigkeit und Wiederveräußerbarkeit der Immobilie machen. Bestenfalls sollte er sich selber vorstellen können, in die Immobilie einzuziehen.
finanzwelt: Sollten sich denn Anleger auch B-Standorte anschauen, wenn die A-Standorte überverkauft sind?
Günther: Der Anleger sollte schauen, wo er ein ausgewogenes Verhältnis von Sicherheit und Rendite findet. Es gibt durchaus interessante mittelgroße Standorte, hier in Bayern zum Beispiel Augsburg, Bamberg oder Bayreuth. Wichtig ist, dass es sich um wirtschaftlich stabile Standorte handelt, wie beispielsweise einen Universitätsstandort, bei dem davon auszugehen ist, dass die Bevölkerung wächst.
finanzwelt: Zu welcher Zinsbindung sollte der Vermittler dem Anleger raten?
Günther: Das hängt stark von der Risikofreudigkeit des Anlegers ab. Der Trend geht beim sicherheitsorientierten Anleger deutlich zu langfristigen Zinsbindungen. Diese sind in der Regel nicht viel teurer als die klassischen zehnjährigen Zinsbindungen. Gerade im Anlagebereich gibt es allerdings auch eine Klientel, die ihr Vermögensportfolio streuen will und bereit ist, mehr ins Risiko zu gehen.
Rex: Auch die Beratungsqualität spielt eine entscheidende Rolle. Der klassische Vermittler, der eine Immobilie vermittelt sowie die Finanzierung als „Rucksack obendrauf", wird aussterben. Es kommt auf die persönliche Situation des Anlegers an. Wann will er die Immobilie abbezahlt haben, gibt es KfW-Möglichkeiten? Der Anspruch an die Vermittler wird zunehmen, der Trend geht zur Konzeptberatung.
Heeg-Rupprecht: Der Vermittler hat die Möglichkeit, sich über lange Zinsbindungen und detaillierte Beratung von regionalen Banken und Sparkassen zu differenzieren. Diese Institute bieten häufig nur Zinsbindungen von 10 bis 15 Jahren an.
Pflegshoerl: Der Berater muss sich über das Gesamtpaket Gedanken machen, d. h. nicht nur die Immobilie als solche. Wichtig sind auch Hausverwaltung, Mietgarantien und Ähnliches. Der Berater muss aufpassen, dass er keine „schwarzen Schafe" verkauft, z. B. Mietgarantien, die nichts mehr wert sind, weil es den Garanten nicht mehr gibt.
Heeg-Rupprecht: Wir stellen fest, dass aufgrund des niedrigen Zinsniveaus verstärkt Nachfrage von einer Klientel kommt, die nicht die typischen Kapitalanleger sind, da ihre Vermögensverhältnisse nicht adäquat sind. In solchen Fällen ist es am besten, die Baufinanzierungsberatung von einem kompetenten Vermittler durchführen zu lassen. Der Makler kann den Tipp zur Baufinanzierung einfach und unkompliziert bspw. an PlanetHome weiterleiten und erhält bei Abschluss ggf. noch eine Tipp-Provision. Zusätzlich werden Interessenskonflikte vermieden.
Rex: Die Allfinanz-Welt der 70er Jahre ist Geschichte. Es gibt nicht mehr „alles aus einer Hand", also Anlageberatung, Finanzierungsberatung und Immobilienvermittlung. Der Markt ist viel transparenter geworden, die Kunden sind besser informiert als früher. Der Anleger hat den Anspruch, dass sein Berater ein absoluter Profi ist.
finanzwelt: Wie bewerten sie die Vorstöße der EU, die Wohnimmobilienfinanzierungsvermittler-Richtlinie? Welche Wirkung wird die Richtlinie auf die Branche haben?
Günther: Es kommt auf die Umsetzung an. Eine gut gemeinte Idee kann in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen, das hat die Verbraucherkreditrichtlinie gezeigt. Es kann nicht im Verbrauchersinne sein, einen knappen Kreditvertrag durch eine Unterlage, so dick wie ein Buch, zu ersetzen. Wenn die Honorarberatung im Finanzierungsbereich eingeführt würde, würden wir sicher eine Marktkonsolidierung sehen.
Rex: Die Umsetzung der Richtlinie würde zu einer Steigerung der Qualität der Beratung führen. Wenn ein Sachkundenachweis erbracht werden muss, wird die Produktsparte Baufinanzierung viele Vermittler nicht mehr ansprechen. Viele werden sich überlegen, ob es sich lohnt, in Ausbildung und Zertifizierung zu investieren, um Baufinanzierung vermitteln zu dürfen.
Pflegshoerl: Finanzdienstleister, die keinen Nachweis ihrer Qualität erbringen können, darf es auch im Bereich Baufinanzierung nicht mehr geben. Insofern kommt uns die Regulierung entgegen. Wir arbeiten bereits an Qualifizierungsprogrammen zur Unterstützung unsere Partner.
finanzwelt: Vorausgesetzt, dass die EU-Krisenstaaten ihre Schulden nicht zurückzahlen können und es zu einem Schuldenschnitt kommt, verbunden mit einer staatlichen Rekapitalisierung der Banken sowie gegebenenfalls Zinssteigerungen: Was würde dies für Anlageimmobilien und Baufinanzierung bedeuten?
Pflegshoerl: Die Wanderbewegungen in Deutschland würden dadurch verstärkt. Viele Bürger würden in die Ballungszentren ziehen, weil es dort Arbeitsplätze gibt. Als Folge würden die Kaufpreise in den ländlichen Regionen darniederliegen. An Standorten mit hoher Nachfrage werden die Preise dagegen auch dann nicht fallen, wenn die Zinsen steigen.
finanzwelt: Sollte der Berater seine Kunden auf demographische Entwicklungen an verschiedenen Standorten hinweisen?
Rex: Ich glaube nicht, dass der Finanzierungsberater in der Lage ist, die Wertsteigerung von Immobilien seriös beraten zu können.
Günther: Aus Haftungsgründen muss er das Thema zwar ansprechen, er sollte aber nicht Dinge beraten, für die er nicht qualifiziert ist. Es ist zwar wichtig, dass der Berater bestimmte Risiken anspricht, die finale Risikoeinschätzung muss aber der Kunde selbst treffen.
finanzwelt: Wie kann der Kunde das Risiko minimieren? Wozu sollte der Berater ihm raten, um das Risiko gering zu halten und den Ertrag möglichst hoch?
Pflegshoerl: Der Anleger sollte unbedingt seine Risiken streuen, er muss sein Kapital auf verschiedene Risikoklassen, auch mit unterschiedlichen Laufzeiten, aufteilen. Die Immobilie sollte nicht das einzige Investment sein.
Günther: Wenn der Berater nach einer individuellen Anlageanalyse zu dem Ergebnis kommt, dass die Immobilie das richtige Anlageziel ist, dann kommen wir ins Spiel und beraten die Finanzierung, d. h. wir klären, wie diese Anlageform optimal unterstützt werden kann.
Rex: Das Finanzierungspaket muss ganz individuell geschnürt werden. Das Risiko, ob in die richtige Immobilie investiert wird, können wir als Finanzierer dem Kunden aber nicht abnehmen.
finanzwelt: Welche Objekte werden zu Anlagezwecken derzeit favorisiert?
Speigel: Dies hängt vom Budget des Anlegers ab. Anleger mit kleinerem Vermögen favorisieren Eigentumswohnungen, in jüngster Zeit oftmals auch Ladenflächen in guten Lagen, weil diese eine höhere Rendite mit langfristiger Mietsicherheit versprechen. Anleger mit größeren Vermögen investieren bevorzugt in Mehrfamilienhäuser, weil die Rendite dort höher ist als bei Eigentumswohnungen.
Günther: Hier lässt sich kein genereller Favorit feststellen. Sicher ist das Thema Wohnimmobilie im Moment ein größeres Thema als Gewerbeeinheiten. Am Ende entscheiden das Anlageziel und der finanzielle Rahmen, ob es eher in Richtung Zinshaus oder einzelne Wohnung geht. Und dabei ist es sicher wichtig, auch im aktuell gefühlten Boom die goldene Immobilienregel „Lage, Lage, Lage" nicht aus den Augen zu verlieren.
finanzwelt: Welche Ausweichstrategien sind für Anleger noch möglich?
Speigel: In Stadtgebieten, die etwas weiter außerhalb liegen, gibt es noch mehr Angebot als in den Zentren. Auch die umliegenden Städte mit Hochschulen sind attraktiv. Viele kleinere Fonds und institutionelle Anleger weichen bereits auf solche Standorte aus, weil sie vom Preisgefüge her am stabilsten sind. Es gibt dort einen stetigen Zuzug von Studenten.
finanzwelt: Wie groß sollte der Immobilienanteil im Portfolio eines Anlegers sein? Sollte der Berater das Thema Immobilien in den Vordergrund stellen?
Rex: Ich sehe Immobilien noch immer als sehr wertbeständig an. 85 % der Deutschen wollen aus Altersvorsorge-Motiven eine Immobilie besitzen. Im Fall einer Inflation behält die Immobilie ihren Wert. Beton ist werthaltiger als gedrucktes Geld. Der Anlageberater sollte aber nur die Immobilie verkaufen und die Finanzierung den Experten überlassen.
finanzwelt: Wie wichtig ist ein breites Immobilienangebot im Tagesgeschäft?
Speigel: Engel & Völkers ist mit über 500 Shops weltweit vertreten. Wir sind überall dort, wo es für Anleger Sinn macht, zu investieren. Unser Experte für die Immobilie, die verkauft werden soll, sitzt vor Ort und kennt sich im regionalen Markt aus. Viele Anleger investieren bevorzugt regional oder international, ein Münchener kauft eher eine Immobilie in München als in Berlin. Dies macht aus Gründen der Administration und der Verwaltung auch Sinn.
Heeg-Rupprecht: Hier sind beim Produktgeber der Baufinanzierung schnelle Entscheidungen gefragt – schnelle Reaktionszeiten in der Finanzierung stellen sicher, dass ein attraktives Objekt nicht von anderen „weggeschnappt" werden kann. Auch das zählt heute bei einer Anlageimmobilie.
(Die Diskussion leitete Christoph Sieciechowicz)