Finanzen & Beratung: No Cap?
18.10.2023
Foto: © Carlo - stock.adobe.com
Mit der Generation Z – kurz Gen Z – wächst eine Generation heran, die am wenigsten vom Konzept Zukunftsplanung zu haben scheint: Die Pandemie hat in diesen jungen Leben die größten Lücken gerissen, Klima-Hilfeschreie und Aktivismus werden müde belächelt oder lassen die Digital Natives in einem schlechten Licht dastehen. Welche Ziele müssen da für eine erfolgreiche Beratung und Absicherung gesetzt werden?
Kompetenzillusion oder einfach nur schlechter Ruf?
„Wir haben es hier mit einer echten Kompetenzillusion zu tun“, beschreibt Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Oscar A. Stolper von der Universität Marburg die Diskrepanz zwischen Finanz-Wissen und Finanz-Verhalten der Gen Z in WELT-Online. Es sei eine „Get rich fast”-Mentalität erkennbar, so der Professor für Behavioral Finance. Laut einer Umfrage von Union Investment (2023) geben 47 % der 18- bis 24-Jährigen an, dass Menschen, die schnell reich geworden sind, zu ihren Vorbildern gehören. Soziale Medien, die in kurzen Clips und bearbeiteten Fotos einen luxuriösen Lifestyle zelebrieren, der durch schnelles Geld zustande gekommen sein soll, tragen ihren Teil dazu bei. Einerseits investiert die Gen Z bereits in Aktien und Fonds – 60 % macht das sogar Spaß und sie zeigen offen Interesse am Thema Finanzen – andererseits würden 53 % auf Schwankungen mit Umschichten reagieren und 54 % glauben, den richtigen Moment zum Ein- oder Aussteigen erkennen zu können.
Finanz-Selbstbewusstsein kollidiert laut der Umfrage nachweislich mit Finanz-Wissenslücken und das wiederum wäre ein gefährlicher Nährboden für Fehlinvestitionen. Konstante Reizüberflutung durch Content im Millisekunden-Takt ist ein weiterer Punkt: Wie soll man da einen gut gemeinten Rat von einem fundierten Ratschlag unterscheiden können? Inzwischen gibt es sogenannte Finfluencer – ein Neologismus aus „Finanzen” und „Influencer” – wie etwa „Madame Moneypenny”, die sich in ihrem Podcast auf Vermögensaufbau für Frauen spezialisiert. Die Welt der Finanzen ist dank des breitgefächerten Medienangebots inzwischen zugänglicher geworden, aber woher soll die Gen Z sich zu behaupten wissen, wenn sie aufgrund des Generationenunterschiedes kaum jemand ernst nehmen will? Kein Mensch wird mit einem fundierten Wissen über den Kapitalmarkt geboren.
„Studien zeigen, dass die finanzielle Bildung erst mit dem Alter anwächst”, so Matthias Scheffner, Leiter des Geschäfts mit Unternehmerfamilien in Nord- und Westdeutschland der deutsch-französischen Privatbank ODDO BHF im Gespräch mit Miriam Wohlfarth, Expertin für Digitalwirtschaft, für die „WirtschaftsWoche“. Schließlich treffe man mit zunehmendem Alter mehr finanzielle Entscheidungen. Der Klarna-Money-Management-Report (2022) zeigt das deutlich: Knapp 28 % der jungen Menschen in Deutschland investieren ihr Geld, aber ganze 92 % sparen es. Es kristallisiert sich heraus, wie das Elternhaus und vor allem die Schulen eine große Rolle dabei spielen, die jungen Erwachsenen für das Thema zu sensibilisieren.
Die Galionsfigur des Chief Tomorrow Officer
Inzwischen sollte es auch im kleinsten Unternehmen angekommen sein, dass Gen Z die Zukunft der Arbeitswelt nachhaltig prägen wird. Um sich im „War for Digital Native Talents“ behaupten zu können, gibt es neuerdings das Berufsbild des Chief Tomorrow Officer – eine Art Generationenberater, der die Brücke zur kommenden Generation bauen und ihr in der Chefetage eine Stimme geben soll. Wieder andere Unternehmen haben die Marktlücke erkannt und ein Geschäftsmodell auf Gen-Z-Beratung aufgebaut. So in etwa die Schweizer Firma Zeam oder das Münchener Unternehmen xCogito. Beide bieten Konzepte an, die das Interesse der Gen Z als Arbeitnehmer bzw. Kunden wecken und halten sollen. Eine Studie des Sparkassen Hub (2022) mit Fokus auf Versicherungen ergibt, dass Gen Z digitale Kanäle nicht von vornherein als überzeugender empfindet, sondern diese schlichtweg voraussetzt. Nachvollziehbar also, dass bei der Kundengewinnung Schwierigkeiten auftreten, wenn man digital nicht ausreichend aufgestellt ist. Es reicht dabei nicht, online einen Antrag stellen zu können und dann die Antwort darauf per Post zu erhalten. Zusätzlich muss die Beratung auf Augenhöhe stattfinden: In einer Bearing Point/YouGov-Umfrage (2020) gaben 41 % der 18- bis 20-jährigen Befragten an, kein Wissen über Versicherungsprodukte zu haben. Prägend seien hier etwa Medien oder die Skepsis der Eltern, die die Befragten übernehmen.Um also ein Versicherungsprodukt erfolgreich an den Gen-Z-Kunden zu bringen, ist eine gute Beziehung zwischen Kunde und Vermittler mehr denn je von Bedeutung. Immerhin geht es dabei um das persönlichste Thema überhaupt: Vorsorge und Zukunftsplanung. Diese Generation weiß genau, was sie will, und setzt ihre Prioritäten auf Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit und das Klima. Sie hat klare Vorstellungen von der und Erwartungen an die Arbeitswelt. Sich auf eben diese vorzubereiten, ist maßgeblich für Firmen und Unternehmen gleichermaßen. Mit der Zeit gehen ist hier nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine Pflicht. (ml)
Matthias Scheffner Prof. Dr. Oscar A. Stolper
Managing Director Professor für Behavioral Finance
ODDO BHF Private Wealth Management Universität Marburg