Erste Asset Management: „Die Industrie zittert vor Fett- und Zuckersteuern“
18.11.2013
Mag. Gerold Permoser
**Übergewicht galt lange als Wohlstandsproblem. Im Interview spricht **Mag. Gerold Permoser, Chief Investment Officer der Erste Asset Management (EAM) darüber, wie auch nachhaltig orientierte Investoren Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausüben können.
Mexiko will eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke erheben. Unternehmen warnen schon vor einer neuen Regulierungswelle. Teilen Sie diese Einschätzung?
Permoser: Tatsächlich gibt es für Unternehmen, die als ungesund angesehene Lebensmittel verkaufen, beträchtliche Risiken. Dabei sprechen wir nicht nur von Klagen geschädigter Konsumenten. Es könnten Fastfood-Steuern – siehe Mexiko – oder Steuern auf Zucker- und Fettgehalt erhoben werden. Wir sehen, dass sich erste Unternehmen davor fürchten und Produkte in Richtung „weniger ungesund" entwickeln, um eine Regulierung zu verhindern.
Welche Folgen hat das für die Wirtschaft?
Permoser: Die Überernährung vieler Menschen lässt bei McDonald's & Co dank höherer Umsätze die Kassen klingeln. Aber das Blatt könnte sich bald wenden, weil mittlerweile die negativen Folgen einer falschen Ernährung deutlicher zu Tage treten – nicht nur in der Lebensmittelbranche. Auch Hersteller von Pharmaprodukten oder Versicherer stehen vor Herausforderungen: Übergewicht und Adipositas führen oft zu nachgelagerten Erkrankungen wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Wie bewerten Sie als Investor diese Entwicklung?
Permoser: Um noch einmal auf die Nahrungsmittelbranche zurückzukommen: Viele Konzerne bieten zwar einen recht hohen Anteil ihrer Meinung nach gesunder Lebensmittel an – bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass darunter auch so genanntes „Functional Food" fällt. Also Lebensmittel, die mit zusätzlichen Inhaltsstoffen angereichert werden, wie zum Beispiel probiotische Joghurts. Diese Lebensmittel weichen von ihrer natürlichen Zusammensetzung ab. Ob diese der Bekämpfung der Fettleibigkeit dienen, ist fraglich. Aber – und das ist uns als Investor wichtig: Wir warten keine Regulierung ab, sondern treten beim Thema Ernährung mit Unternehmen direkt in den Dialog. Dies ist Teil unseres Engagement-Prozesses, bei dem wir hinterfragen, wie ernst es Unternehmen in Sachen gesunder Lebensmittel ist.
Wie sieht das konkret aus?
Permoser: Im März wurde der Access to Nutrition Index ATNI erstmals berechnet. Der Index vergleicht die Ernährungsstandards der größten Konzerne. Je transparenter diese sind, desto höher ist das Unternehmens-Ranking. Die drei Konzerne Danone, Nestlé und Unilever kamen auf die ersten Plätze. Das Nachhaltigkeits-Team der Erste Asset Management hat darauf basierend diese Unternehmen angesprochen und um einen Dialog zum Thema Adipositas gebeten. Während Danone und Nestlé mit uns kooperierten, blieb eine Reaktion von Unilever aus. Alle drei Unternehmen sind gemessen an unseren Nachhaltigkeitskriterien investierbar, allerdings haben wir Unilever aufgrund der Kommunikationsverweigerung auf unsere Watch-List gesetzt. Unser Team wird die Dialog-Versuche im Rahmen des Engagement-Prozesses fortsetzen, das Ergebnis wird dann darüber entscheiden, ob sich an der Einstufung der Unter-nehmen etwas ändert.
Selbst in Ländern, in denen Hunger herrscht, steigt die Zahl der Übergewichtigen – läuft etwas grundsätzlich falsch in der Ernährung?
Permoser: War Übergewicht vor einigen Jahre noch ein reines Wohlstandsproblem, trifft es heute auch viele Menschen in Schwellenländern: In Brasilien leiden fünf Prozent der Menschen an Hunger, aber mittlerweile rund 20 Prozent an Übergewicht. Es geht also bei der Ernährung verstärkt nicht nur um Quantität, sondern immer öfter auch um die Qualität der angebotenen Lebensmittel.