Erfolgreich antizyklisch handeln
08.05.2017
Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © wikifolio
Deutlich zweistellige Kursverluste innerhalb weniger Stunden oder gar Minuten kommen an der Börse immer häufiger vor. Gerade im Segment der Small und Mid Caps sind Aktien anfällig für Verkaufswellen. Auslöser sind oftmals Gewinnwarnungen der Unternehmen, negative Analystenvoten oder gezielte Leerverkaufsattacken. Worauf sollten Anleger achten, wenn sie bei solchen Verkaufswellen den antizyklischen Einstieg wagen wollen?
In den vergangenen Monaten gab es auffällige Kursverluste einzelner Werte. Während zum Beispiel die Aktie der von Hedge Funds massiv angegriffenen Wirecard schon wieder auf neue Allzeithochs gestiegen ist, konnte sich der Windkraftanlagenbauer Nordex von dem Kursrutsch nach Revidierung seiner Jahresziele bislang kaum erholen.
Die wikifolio-Trader Carsten Schorn, Christian Scheid und Michael Flender geben Tipps zum antizyklischen Handeln.
Erfahrung ist das A und O
Einig sind sich die Börsenprofis, dass Erfahrung für den Erfolg von antizyklischem Handeln unabdingbar ist. Erfahrung ermöglicht laut Carsten Schorn, das richtige Timing bei Ein- und Ausstieg zu finden: „Die Situationen an der Börse wiederholen sich selten genau, allerdings können sie sich ähneln. Man kann aus der Erfahrung vergangener Trades ableiten, wann genau was zu tun ist.“
Wie das in der Praxis aussehen kann, beschreibt Michael Flender an einem Beispiel: „Oft ist es so, dass es bei sehr schlechten Nachrichten drei ‚Ausverkaufstage‘ gibt. Daher kann man am dritten Tag für eine Rebound-Spekulation einsteigen. Im Optimalfall ist das gehandelte Volumen in dieser Phase stark erhöht und es kommt am dritten Tag zu einer sogenannten Umkehrkerze. Sie signalisiert, dass die vorangegangene Kursbewegung mit hoher Wahrscheinlichkeit beendet ist, oder zumindest eine Korrektur ansteht. Oft ist es auch so, dass sich die Kerzen komplett außerhalb der Bollinger Bänder (weiterer Indikator der Chartanalyse) bilden, was ebenfalls ein Zeichen für eine massive Übertreibung sein kann.“
Carsten Schorn achtet bei der Suche nach dem möglichen Wendepunkt vor allem auf den Orderfluss. An diesem kann er erkennen, wie viel Druck noch auf der Aktie lastet. Zudem notiert er sich bei den Werten auf seiner Watchlist die jeweiligen Kursniveaus mit hohen Umsatzspitzen. Hier bilden die Aktien nach einer starken Korrektur oftmals einen Boden aus und drehen nach oben.
Ursache erkennen und richtig einordnen
Wichtig ist nach Ansicht der Trader auch, sich mit den Hintergründen des Absturzes zu beschäftigen. So können Dauer und Ausmaß des Crashs besser eingeschätzt werden.
Der Finanzjournalist Christian Scheid nutzt dafür gerne sein in den vergangenen Jahren aufgebautes Netzwerk. Dadurch gelingt es ihm, schnell relevante Informationen zu bekommen. Bei der Aktie von Aurelius etwa erfuhr er recht frühzeitig von einer negativen Studie, die ein Short-Seller für den weiteren Tagesverlauf angekündigt hatte: „In dem Moment war für mich klar, dass die Aktie voraussichtlich bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Reports fallen wird.“ Er hat dieses Ereignis daraufhin geduldig abgewartet und ist dann fast exakt zum temporären Tiefpunkt eingestiegen.
Beim Ausstieg aus der Position handelte er ähnlich, wobei ihm hier wieder seine Erfahrung half: „Ich wusste aus früheren Fällen (Wirecard, Ströer), dass eine Stellungnahme des Unternehmens folgen würde. Meist dreht der Kurs schon vor Veröffentlichung der Stellungnahme deutlich nach oben und erreicht dann den Höhepunkt der Erholung kurz nach Veröffentlichung der Stellungnahme. Auch dieses Mal war das ein guter Zeitpunkt, um Gewinne mitzunehmen.“
Verluste begrenzen
Antizyklische Trades werden von den Akteuren in der Regel innerhalb weniger Stunden oder Tage wieder beendet, weil auf die erste Erholung nicht selten eine zweite Verkaufswelle folgt.
Da solche „Regeln“ an der Börse nicht in Stein gemeißelt sind, verfolgen alle ein striktes Money Management. So fallen die mit der Zeit zwangsläufig immer mal auftretenden Verluste nicht so stark ins Gewicht. Dies ist beim professionellen Börsenhandel die absolute Basis des Erfolgs.
Kolumne von Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG