Eine umfassendere Sicht auf den Klimaschutz im Gebäudesektor
22.07.2024
Dieter Eimermacher. Foto: Jens Braune
Die Vorgaben im Klimaschutz bei Immobilien hat weitreichende Auswirkungen auf Immobilieninvestoren. Sie sollten proaktiv handeln und in nachhaltige Bauweisen und Energieeffizienz investieren, um langfristig erfolgreich zu sein.
Aktuell liegt der Fokus beim Klimaschutz im Gebäudesektor vor allem auf der Nutzungsphase der Gebäude. Das Heizungsgesetz mündete nach intensiver politischer Debatte in einer Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) mit der die schrittweise Umstellung der Beheizung von Gebäuden auf regenerative Energieträger geregelt wird. Eine zweite Novelle des GEG steht uns bevor, wenn die Vorgaben der neuen EU-Gebäuderichtlinie in das GEG eingearbeitet werden. Deren Vorgaben haben das Ziel, die Energieeffizienz von Gebäuden zu erhöhen und damit den Energiebedarf für die Beheizung zu mindern. Die aktuellen und künftigen Regelungen des GEG werden aber nicht genügen, um die Klimaneutralität im Gebäudesektor bis zum Jahr 2045 in Deutschland zu erreichen. Die entsprechenden Ziele des Bundesklimaschutzgesetzes (KSG) zur Reduzierung von Treibhausgasen wurden im Jahr 2023 bereits zum vierten Mal hintereinander verfehlt.
Auf der Suche nach weiteren Einsparpotentialen kommen daher jetzt zwangsläufig die Lebenszyklusphasen außerhalb der Nutzungsphase von Gebäude ins Blickfeld. Dies sind die Herstellung sowie der Transport von Baustoffen, die Errichtung von Gebäuden sowie der spätere Rückbau und die Entsorgung beziehungsweise Wiederverwendung von Baustoffen und Bauteilen. Die Lebenszyklusphasen außerhalb der Nutzungsphase von Gebäuden gewinnen allein schon dadurch schrittweise eine höhere Bedeutung, weil durch die zunehmende Verbesserung der Energieeffizienz sowohl der Neubauten als auch der Bestandsgebäude die in den Lebenszyklusphasen außerhalb der Nutzungsphase verbrauchte Energie relativ zu der in der Nutzungsphase verbrauchten Energie an Gewicht gewinnt.
Im gesamten Lebenszyklus bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten
Mit dem Instrument der Ökobilanz – auch als Life Cycle Assessment (LCA) bezeichnet – wird der Energiebedarf des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes sichtbar gemacht und bietet den Nutzern Anhaltspunkte zur Optimierung ihrer Bauvorhaben. Solche Ökobilanzen sind zum Teil heute sogar schon verbindlich. Zur Erfüllung der Vorgaben der EU-Taxonomie für große Gebäude (über 5.000 Quadratmeter Nutzfläche) muss eine Lebenszyklusbetrachtung der Treibhausgasemissionen erstellt werden. Zur Erlangung des Qualitätssiegels nachhaltiges Gebäude (QNG), das für die Zuteilung der KfW-Förderung für klimafreundliche Neubauten erforderlich ist, dürfen die Treibhausgasemissionen und der Primärenergiebedarf im gesamten Lebenszyklus bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten. Es ist zu erwarten, dass diese Standards schrittweise auf alle Neubauten übertragen werden. Dies gilt umso mehr, wenn ab voraussichtlich 2030 alle Neubauten dem Nullemissionsstandard entsprechen müssen. Der Energieverbrauch während der Nutzungsphase wird bei diesen Gebäuden von vornherein sehr niedrig sein.
Lineare Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln
Ein weiterer Hebel für den Klimaschutz im Bauwesen ist die Wiederverwendung von Baumaterialien beziehungsweise Bauteilen. Bisher herrscht im Bauwesen das lineare Wirtschaften vor: Ein Gebäude wird errichtet, betrieben, abgerissen und entsorgt. Mit der Entsorgung geht die in den Baumaterialien bei deren Herstellung aufgewandte Energie verloren. Für neue Bauvorhaben beziehungsweise Umbauten und Modernisierungen werden einfach wieder neu hergestellte Materialien verwendet. Diese lineare Wirtschaft gilt es umzubauen hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Dies ist für alle am Bau Beteiligten wie Planer, Nutzer und Genehmigungsbehörden mit noch nicht absehbaren Herausforderungen verbunden. Die Wiederverwendung von Bauteilen bedingt, dass Planer ihre Bauplanung auf die Bauteile, die aus Rückbauten verfügbar sind, abstellen müssen. Die Nutzer von Gebäuden müssen kompromissbereit sein und akzeptieren, dass mit den Baumaterialien gebaut wird, die aus Rückbauten verfügbar sind. Die Baubehörden müssen Wege finden, um die Wiederverwendung von gebrauchten Materialien und Bauteilen zu genehmigen. Die Mühe zahlt sich gleich mehrfach aus: Mit der Wiederverwendung von Baumaterialien wird nicht nur Energie und damit Treibhausgasemissionen eingespart, da keine neuen Materialien hergestellt werden müssen – es werden überdies Deponieraum eingespart und Rohstoffressourcen geschont.
Vorgaben erhöhen die Komplexität der Bauvorhaben
Das hat tiefgreifende Auswirkungen auf Immobilieninvestoren. Diese Entwicklungen zwingen Investoren dazu, ihre Strategien anzupassen und ganzheitlicher zu denken, um finanzielle und klimabedingte Ziele zu erreichen. Für Immobilieninvestoren bedeutet dies beispielsweise, dass sie zunehmend in Technologien und Verfahren investieren müssen, die den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes abdecken. Dies schließt die Auswahl nachhaltiger Baumaterialien, den Einsatz modernster energieeffizienter Technologien während der Nutzungsphase und die Berücksichtigung der Wiederverwendung oder des Recyclings von Materialien am Ende des Gebäudelebenszyklus ein. Zudem sind Investoren gefordert, neue regulatorische Anforderungen zu antizipieren und in ihre Investmententscheidungen zu integrieren. Die Einhaltung von strengeren Energie- und Umweltstandards, wie sie die EU-Taxonomie und das Qualitätssiegel für nachhaltige Gebäude vorsehen, wird zunehmend zur Bedingung für die Finanzierung und Förderung von Neubauprojekten. Diese Vorgaben erhöhen die Komplexität der Bauvorhaben, bieten aber auch Chancen für die Differenzierung am Markt durch die Realisierung nachhaltiger und energieeffizienter Immobilienprojekte.
Letztendlich sind Immobilieninvestoren zunehmend dazu aufgerufen, ihre Projekte und Portfolios unter Berücksichtigung der sich wandelnden gesellschaftlichen Erwartungen und regulatorischen Anforderungen zu optimieren. Diejenigen, die proaktiv handeln und in nachhaltige Bauweisen und Energieeffizienz investieren, werden nicht nur ihre Investitionen zukunftssicher machen, sondern auch dazu beitragen, die branchenweiten Ziele für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu erreichen.
Gastbeitrag von Diplom-Ingenieur und Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH) Dieter Eimermacher, Geschäftsführer der EIMERMACHER Immobilienbewertungen GmbH.