Disziplin und Fehlervermeidung bei der Depotstrukturierung

26.07.2024

Andreas Görler. Foto: Pruschke & Kalm GmbH


Die Tendenz alles selbst zu entscheiden, nimmt zu. Anbieter von Erklärvideos vermitteln zu unterschiedlichsten Themen den Eindruck, man könnte alles leicht selbst umsetzen, obwohl es sich meist um Themen handelt, die eine Berufsausbildung und einige Jahre Erfahrung erfordern.

Gerade Anleger, die auf reinen Handelsplattformen unterwegs sind, fehlt es oft an belastbarem Fachwissen. Zusätzlich wird, wegen der niedrigen Kosten, extrem oft getradet. Die Quoten für die getätigten Geschäfte sind dann auch ernüchternd. Über 80Prozent der Trades enden negativ. Gerade am Anfang sollte man ggfs. noch zusätzliche Beratungen in Anspruch nehmen, bis man einen stabilen, disziplinierten Anlageansatz verfolgt. Auch das Einrichten von kostenfreien „Musterdepots“ kann helfen, um Erfahrungen zu sammeln.

Tipps von Dritten hinterfragen

Oft werden auch Anlagestrategien von Freunden oder Bekannten übernommen oder einfach die gleichen Werte gekauft. Das ist nur sinnvoll, wenn das Gesamtportfolio (Wertpapiere, Liquidität, Immobilien, Versicherungen, Kredite) zumindest ähnlich strukturiert ist, man sich in der gleichen Lebensphase (zum Beispiel Vermögensaubau oder Rente) befindet, die berufliche Situation vergleichbar ist (selbstständig, angestellt, verbeamtet) und der Familienstatus (alleinstehend, verheiratet, Kinder) ähnlich ist. Außerdem sollte auch die Risikotoleranz vergleichbar sein. Ein Wertpapierdepot von 30.000 Euro kann für einen Menschen das Gesamtvermögen und für einen anderen Anleger nur eine kleinere Beimischung des Gesamtportfolios darstellen.

Informationsquellen kritisch prüfen

Zieht man Informationen für Anlageentscheidungen komplett aus dem Internet, sollte man zumindest checken, welche Expertise die Anbieter aufweisen können. Sucht man sich gezielt einen Finanzpartner, sollte man auf dem Impressum der Internetseite die finanzrechtlichen Erlaubnisse beachten. Man unterscheidet hier beispielsweise zwischen Erlaubnissen durch das IHK bzw. Ordnungsamt (zum Beispiel §34f GewO/Gewerbeordnung, Finanzanlagevermittlung, §34i GewO, Immobiliendarlehensvermittlung, §34h GewO, Honor-Finanzanlageberatung oder §34d GewO, Versicherungsvermittlung/Versicherungsberatung) oder Genehmigungen durch die Bafin (WpIG, Gesetz zur Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten, zum Beispiel Finanzportfolioverwaltung, Abschlussvermittlung und Anlageberatung). Es sollte darauf geachtet werden, dass mehrere Geschäftsfelder angeboten werden. Am Anfang sollte man sich auch die Zeit nehmen, mit zwei oder drei Anbietern ein Gespräch zu suchen.

Weiterhin ist darauf zu achten, dass man nicht permanent über den Social-Media-Account auf die Suche geht. Man landet dann meist auf werbeoptimierten Seiten. Beispäteren Recherchen werden dann meist die gleichen oder zumindest ähnliche Seiten angeboten und der persönliche Kenntnisstand wird nicht erweitert. Es gibt genügend Fachliteratur für Einsteiger zu praktisch allen Anlagesegmenten, die einen Mehrwert bieten. Auch bei Stiftung-Warentest findet sich kostengünstige Lektüre, die regelmäßig neu aufgelegt wird.

Schnelligkeit ist nicht gleich Qualität

Für Anlageentscheidungen sollte man sich auch Zeit nehmen. Reflexartige Käufe oder Verkäufe über irgendeine App bringen auf Dauer keine optimalen Ergebnisse. Auch Hinweisen zu den derzeit „beliebtesten Finanzprodukten“ sollte man erst folgen, wenn man festgestellt hat, dass diese Papiere auch ins eigene Portfolio passen.

Mögliche allgemeine Investitionsansätze

Folgenden Ansätze, können hilfreich sein. Sie klingen zunächst einfach, sind aber nicht immer leicht umzusetzen, weil Emotionen eine Rolle spielen können.

1. Eine breite Streuung des Gesamtportfolios (hohe Diversifikation) wird grundsätzlich als positiv erachtet.

2. Anlageprodukte sollten aus fundamentalen Gründen (zu)gekauft/gehalten werden. Sind die Daten stabil und keine negativen Signale erkennbar (Unternehmen, Management, Branche) ist eine Position zu halten. Es ist hierbei irrelevant, ob der Kurs höher ist als beispielsweise noch vor einem Jahr.

3. Ist eine Branche oder ein Unternehmen nicht mehr zukunftsträchtig, funktioniert ein Geschäftsmodell nicht mehr oder treten mehrfach Managementfehler auf, ist eine Position zu verkaufen.

4. Bei den Punkten zwei und drei ist es dann jeweils nicht entscheidend, ob sich diegehaltene Position im Plus oder Minus befindet, das konsequente Handeln ist dann wichtiger.

5. Fundamentale Daten eines Unternehmens/einer Branche oder die volkswirtschaftliche Gesamtsituation sind wichtiger als das Timing beim Kauf/Verkauf.

6. Ein europäischer Anleger sollte zu hohe Währungsrisiken meiden und denSchwerpunkt bei Euro-Anlagen suchen.

7. „Herdentrieb“ vermeiden. Ist ein Thema in der Boulevardpresse und imBekanntenkreis angekommen, ist es oft Zeit Positionen zumindest zu reduzieren. Einige große Technologiewerte sind, in den letzten Jahren, um mehrere 100 Prozent gestiegen. Das bedeutet nicht automatisch, dass diese Unternehmen zu teuer sind. Trotzdem sollten die Gewichtungen im Depot kritisch geprüft werden.

8. Die gewählten Anlageinstrumente sollten liquide sein, damit auch jederzeit ein Verkauf möglich ist.

9. Werden mehrere Investmentfonds eingesetzt, sollte auf unterschiedliche Anlagephilosophien geachtet werden.

10. Nicht auf den Ausgang politischer Ereignisse (beispielsweise BREXIT, Wahlausgänge etc.) spekulieren. Ist man sich unsicher, sollte man vor dem „Event“ einfach abwarten und mehr Liquidität zurückhalten.

Das Erlangen von Kompetenz und Disziplin sowie das Ausschalten von Emotionen bei der Geldanlage nimmt regelmäßig auch Zeit in Anspruch. Es ist auch hilfreich, wenn man die ein oder andere Schwächephase an den Kapitalmärkten miterlebt hat. Am Anfang sollte man Rat von Fachleuten hinzuziehen, damit erzielt man nicht automatisch eine höhere Performance. Die Fehlerwahrscheinlichkeit wird allerdings reduziert. Außerdem erhält man zusätzlichen Input und man baut im Portfolio das Chance-Risikoprofil auf, dass wirklich zu einem passt.

Marktkommentar von Andreas Görler, sen. Wealth Manager, zert. Fachmann für nachhaltige Geldanlagen, - Wellinvest - Pruschke & Kalm GmbH, Berlin