Digitale Baufinanzierung – next Generation Baufi

30.08.2022

Marcus Fienhold, Chief Digital Officer der Interhyp AG / Foto: © Interhyp AG

Die neuen Häuslebauer und Eigenheimkäufer gehören zu den ersten „digitalen“ Generationen. Sie sind ab dem Teenageralter oder sogar schon früher mit dem Internet aufgewachsen. Dementsprechend sind sie auch ständig online – selbst finanzielle Angelegenheiten klären sie gerne unkompliziert und schnell per App und Co. Auch die Baufinanzierung gehört dazu. Marcus Fienhold, Chief Digital Officer der Interhyp AG, gibt im finanzwelt-Interview Einblicke, was die Digitalisierung für Baufinanzierer und Vermittler bedeutet.

finanzwelt: Steigende Zinsen, hohe Immobilienpreise und ein knappes Angebot machen Immobilienkäufern das Leben schwer. Was hat eine Digitalisierung der Baufinanzierung mit diesen Schwierigkeiten und damit, ob und wie schnell Käufer erfolgreich ein neues Eigenheim finden, zu tun? Marcus Fienhold» In der Tat haben es Immobilienkäufer und -käuferinnen derzeit nicht leicht. Die gute Nachricht ist aber, dass Tools wie unsere digitale HOME-Plattform den gesamten Prozess enorm beschleunigen. Damit erhält jeder, der sie nutzt, auch einen Wettbewerbsvorteil. Verkäufer geben in aller Regel den Zuschlag für die Immobilie an den, der am schnellsten eine solide Finanzierung bietet. Durch unsere digitalisierten Prozesse ohne großes Papierhandling bringen wir enorme Geschwindigkeit in die Finanzierung und garantieren gleichzeitig gute Beratung.

finanzwelt: „One-Klick-Finanzierung“? Oder wie sieht die Zukunft der digitalen Baufinanzierung aus? Fienhold» Ja, wir glauben an die vollständige digitale Baufi mit digitaler Haushaltsrechnung, Schufa, Objektbewertung und automatisierter Kreditentscheidung. Für alle Zielgruppen, die das möchten. Aber immer kombiniert mit guter Beratung, wo gewünscht. Das gilt auch in Bezug auf ESGThemen: Unsere Tools wie der Modernisierungsrechner zeigen bald schon, mit welchen Maßnahmen Eigentümer die Energieeffizienz ihrer Immobilie optimieren können und wie die Finanzierung dafür aussehen kann. Wir geben dem Vermittler künftig immer mehr Tools an die Hand.

finanzwelt: Kredite für Endkunden können heute bereits mit wenigen Klicks abgeschlossen werden. Warum geht das mit der Baufinanzierung noch nicht? Fienhold» Dahinter steckt viel von ‚War schon immer so‘. Dann aber auch viele regulatorische Hürden, die es zu überwinden gilt. Bei der Finanzierung eines Bauvorhabens sprechen wir ja nicht von einem Buch für 10 Euro. Die Entscheidung für eine Baufinanzierung ist einmalig im Leben und es stecken jede Menge Details dahinter. Wir sehen eine zunehmende Akzeptanz, digitale Journeys zu nutzen. Das zeigen unsere Umfragen: Jeder Fünfte hierzulande kann sich den digitalen Abschluss der ersten Baufinanzierung vorstellen. Bei der Anschlussfinanzierung sind es noch einmal mehr. Ebenso ist unser Pilotprojekt zusammen mit der Münchener Hypothekenbank ein voller Erfolg: Dabei haben wir die ersten automatisierten Haushaltsprüfungen mittels PSDII durchgeführt, die zu echten Abschlüssen geführt haben.

finanzwelt: Um eine digitale Baufinanzierung umzusetzen, müssen alle an einem Strang ziehen: Partner, Banken, Vermittler – wie gut funktioniert das bisher wirklich? Fienhold» Mit der HOME-Plattform haben wir hier die Basis geschaffen. Das funktioniert nahtlos, die Beteiligten arbeiten im selben System. Die Herausforderungen für die volldigitale Baufinanzierung liegen vor allem in der Regulatorik.

finanzwelt: Stichwort Regulatorik, welche Unterstützung benötigt die Branche für eine Digitalisierung der Baufinanzierung seitens des Gesetzgebers? Fienhold» Unterstützung beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz für Objektbewertung, Haushaltsrechnung und die Kreditentscheidung oder bei der digitalen Identität. Da brauchen wir mehr Mut für den Technologiestandort Deutschland. Genau dort sind die Gesetzgeber gefordert, und wenn es erst einmal nur um Pilot-Projekte geht.

finanzwelt: Welche Herausforderungen bringt die Umsetzung einer digitalen Baufinanzierung noch mit sich? Fienhold» Das große Thema hinter den aktuellen Veränderungen ist, dass Kundinnen und Kunden den Prozess bestimmen. Also brauchen wir hier die gesamte Bandbreite, um unterschiedliche Kundenprofile anzusprechen. Das reicht von voll digital bis hin zu voll analog und vor Ort, ergänzt durch alle denkbaren Kombinationen aus den beiden Extremen. Ich sehe hier zwei Komponenten: Erstens modernste Technologien zur individuellen Steuerung der Customer Journey und zweitens offene Ökosysteme über technische Schnittstellen. Diese machen uns zum besten Partner für Banken und Vermittler. finanzwelt: Wie gut kommt Ihre Baufi-Plattform HOME bei Kunden an? Fienhold» Mittlerweile haben wir 500.000 Endkunden auf der Plattform. HOME ist also die Heimat der Baufinanzierung mit allen Self-Services, einem Dokumenten-Upload, Optimierungsmöglichkeiten für die Finanzierung oder KfW-Unterstützung. Die Zahl der Banken liegt mittlerweile bei 500. Dann haben wir auch das Sachverständigen-Netzwerk Bauexperts angedockt und eine Immobiliensuche und -bewertung. Durch die zahlreichen Teilnehmer, die alle verschiedene Funktionen übernehmen, wird die Plattform zum Ökosystem.

finanzwelt: Wie verändert die Digitalisierung der Baufinanzierung die Rolle der Vermittler? Fienhold» Durch die Digitalisierung der Baufinanzierung bekommen sie mehr Zeit für Kundinnen und Kunden, für den Dialog und den Aufbau von Vertrauen. Das schafft Freiräume und Chancen für ihre eigentliche Tätigkeit, die Arbeit mit dem Kunden. Das führt zu einer stärkeren Kundenbindung auch über die Baufinanzierung hinaus.

finanzwelt: Wie sollte Ihrer Meinung nach der Vermittler von morgen aufgestellt sein, um neue Immobilienkäufer optimal zu beraten? Fienhold» Videoberatung und Screensharing bieten hier maximale Flexibilität bezüglich der Kundenwünsche. Dazu kommt, dass Kunden über Self-Services schon viel informierter ins erste Gespräch kommen. Am Ende bleibt mehr Zeit für den Kunden. (lb)