"Die Inflationsbekämpfung im Euroraum ist ungleich schwieriger als in den Vereinigten Staaten“

16.06.2023

Stefan Breintner, Leiter Research & Portfoliomanagement bei DJE Kapital AG

Das 1. Halbjahr neigt sich dem Ende zu. Sicher ist, dass die Inflation hartnäckig bleibt und uns weiterhin beschäftigt. Aber auch geopolitische Risiken sind nicht auszublenden. Wie sich ein erfolgreicher Mischfonds managen lässt, welche Bedeutung dem gelben Edelmetall zukommt – das und Weiteres erläuterte Stefan Breintner, Leiter Research & Portfoliomanagement bei DJE Kapital AG, im exklusiven finanzwelt-Talk.

finanzwelt: Wir nähern uns der Halbzeit in diesem Jahr. Mit Blick auf das Geschehen an den Kapitalmärkten: Welche Themen sind und bleiben bestimmend?
Stefan Breintner» Die Geldpolitik und damit einhergehende mögliche Zinsschritte bleiben die zentralen Themen an den Börsen. Das gilt sowohl für Europa als auch die USA. Erst vor kurzem hat die US-Notenbank den Leitzins das zehnte Mal in Folge erhöht, um der Inflation Herr zu werden. Die EZB hat die Zinsen ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Natürlich könnten auch unerwartete geopolitische Störfeuer das Handeln an den Kapitalmärkten entscheidend verändern, Stichwort: Taiwan-Konflikt. Trotz aller Drohgebärden halten wir das aber aktuell für eher unwahrscheinlich.

finanzwelt: Dann bleiben wir fürs Erste bei der Inflation. Wie schaut es dies- und jenseits des Atlantiks mit der Inflationsbekämpfung aus?
Breintner»
Es ist zunächst wichtig, zwischen der Gesamtinflation und der Kerninflation zu unterscheiden. In den USA hat die Notenbank früher mit Zinsanhebungen begonnen, insofern ist der Zinssteigerungszyklus weiter fortgeschritten. Zuletzt ging die US-Gesamtinflation auf 4,9 % zurück. Gleichzeitig blieb die wichtige Kerninflation, die Preise für Energie und Lebensmittel herausrechnet, bei 5,5 %. Wir bleiben aber zuversichtlich, dass die Gesamtinflation im 2. Halbjahr weiter fallen wird und mit Zeitverzug auch bei der Kernrate eine gewisse Entspannung eintritt. Natürlich müssen die Notenbanker parallel auch die Finanzmarktstabilität im Blick behalten und dürfen etwaige Risiken an den Kapitalmärkten (Stichwort: Pleiten von Regionalbanken) nicht unterschätzen.

finanzwelt: …und die EZB?
Breintner» Die Inflationsbekämpfung im Euroraum ist ungleich schwieriger als in den Vereinigten Staaten. Während sie in den USA vor allem nachfragegetrieben ist, liegt der Teuerung in Europa auch ein strukturelles Problem zugrunde. Das haben wir bei der Energieknappheit im Jahr 2022 verstärkt gesehen. Europa ist und bleibt anfälliger für externe Schocks, aber mit Blick auf die 2. Jahreshälfte 2023 dürfte ebenso in Europa die Gesamtinflation von zuletzt 7 % weiter zurückgehen. Auch in Europa ist die Kernrate mit zuletzt 5,6 % auf einem hohen Niveau. Es ist ein schmalerer Grat, auf dem die EZB ihre Entscheidungen fällt, auch mit Blick auf die Heterogenität innerhalb Europas.

finanzwelt: Die Zinsen sind zurück, damit vermeintlich auch die Attraktivität von Anleihen. Sie sind mitverantwortlich für den Mischfonds DJE - Zins & Dividende. Wie sind Sie momentan positioniert?
Breintner»
Unser DJE - Zins & Dividende ist ein ausgewogener Mischfonds, dem ein Absolute-Return-Gedanke zugrunde liegt. Besonders wichtig ist uns, in Abwärtsphasen größere Verluste zu vermeiden. Circa 54 % waren zum Stichtag 30.04. in Anleihen investiert, 44 % in Aktien. Regional sind unsere Schwerpunkte Europa und die USA. Auf Sektorebene haben wir unter anderem Übergewichtungen in den Bereichen Versicherungen (insbesondere Rückversicherungen) und defensiver Konsum. Auch im Technologiebereich sind wir stärker vertreten.

finanzwelt: Welche Sektoren sehen Sie kritisch?
Breintner»
Angesichts des veränderten Marktumfelds bleiben wir für den Immobiliensektor vorsichtig. Das gilt auch mit Blick auf die wirtschaftliche Lage für zyklische Werte. Bei den Banken gilt es, den Blick auf die Marktführer zu lenken.

finanzwelt: Rekordgewinne bescheren Aktionären steigende Dividenden. Auf welche Faktoren gilt es bei Dividendenstrategien prinzipiell zu achten? Reicht eine hohe Dividendenrendite?
Breintner» Dieser Aspekt ist wichtig, reicht aber nicht aus. Allein auf hohe Renditen zu schielen, greift zu kurz und kann sogar kontraproduktiv sein. Mitunter sogar ein Warnzeichen. Für uns ist besonders wichtig, dass die freie Mittelgenerierung (der sog. freie Cashflow) eines Unternehmens die Dividendenzahlung vollständig deckt. Ferner bevorzugen wir natürlich Unternehmen, die ihre Dividendenzahlung jedes Jahr steigern bzw. zumindest konstant halten. Die aktuelle durchschnittliche Dividendenrendite der Unternehmen im DJE – Zins & Dividende liegt bei ca. 3,5 %.

finanzwelt: Überdies sind Sie auch für den DJE – Gold & Ressourcen verantwortlich. Bitte erläutern Sie das Investmentkonzept.
Breintner» Der 2003 aufgelegte, global investierende Aktienfonds hat seinen Anlageschwerpunkt auf Gold- und Edelmetallaktien, diversifizierten Rohstoffkonzernen und Basismetallproduzenten, aber auch Öl- & Gasproduzenten. Aus Diversifikationsgründen haben wir bewusst keinen reinen Goldfonds, sondern investieren eben breiter in Basismetalle, die ihrerseits auch vom Megatrend der Dekarbonisierung profitieren. Alle zuvor genannten Bereiche haben eine Gemeinsamkeit: die Endlichkeit der Ressourcen bzw. eine in vielen Bereichen (Beispiel: Kupfer) sehr angespannte Angebotssituation. Die oftmals fehlende Infrastruktur kombiniert mit mangelnder politischer Stabilität hemmen zudem den Abbau in einigen Regionen.

finanzwelt: Wie ist Ihr genereller Ausblick für Gold und Edelmetalle? Welche Faktoren geben Rücken- bzw. Gegenwind?
Breintner» Niedrigere Renditen und ein eher schwächerer US-Dollar liefern den Goldpreisen Rückenwind. Sorgen um die Stabilität des Finanzsystems bzw. die Angst vor einer neuen Bankenkrise haben 2023 geholfen, 2022 war es vor allem die starke Goldnachfrage der Zentralbanken. Wichtigster Einflussfaktor auf den Goldpreis wird mittel- bis längerfristig aber weiterhin die Realzinsentwicklung sein. Phasen fallender Realzinsen sind grundsätzlich positiv für den Goldpreis.

finanzwelt: Abschließend ein paar Takte zu Europa – werden wir zwischen den USA und Asien zerrieben?
Breintner» Europa und vor allem Deutschland müssen aufpassen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Vergleich bzw. zu den USA haben vor allem deutsche Unternehmen derzeit aufgrund zu hoher Energiekosten und zu hoher bürokratischer Anforderungen klare Wettbewerbsnachteile. Ich sehe viele der jüngsten politischen Entscheidungen sehr kritisch. (ah)