Die Aktienmärkte werden weiterlaufen
27.01.2014
Mehr Mut zu Aktien! Angesichts von negativen Realrenditen und mangelnder Alternativen rückt diese Anlageklasse noch stärker in den Fokus. Moderate Bewertungen und satte Ausschüttungen können Aktien vielfach interessanter machen, auch für die Altersvorsorge.
In den vergangenen Jahren zog es Investoren vor allem in Sachwerte. Insbesondere Gold und Immobilien standen im Mittelpunkt und waren gefragt. Aktien galten als Risikopapiere, ohne deren Chancen wahrzunehmen. Laut Deutschem Aktieninstitut (DAI) stieg die Zahl der Anleger, die direkt in Aktien investierten, zuletzt auf insgesamt 4,9 Mio. Das entspricht 7,5 % der Bevölkerung. Allerdings wird der Anstieg der Zahl der Direktaktionäre durch einen Rückgang der Zahl der Investoren, die indirekt über Fondsanteile in Aktien investieren, etwas getrübt.
finanzwelt befragte Experten der Branche, wie sie den Aktienmarkt 2014 einschätzen.
Wolfgang Juds, Geschäftsführer CREDO Vermögensmanagement GmbH
Christian Machts, Leiter des Retail-Geschäftes in Deutschland,
Österreich und Osteuropa bei BlackRock
Michael Stegmüller, Vorstand performance IMC Vermögensverwaltung AG
finanzwelt: Nach einem sehr erfreulichen 2012 war auch das nunmehr abgelaufene Börsenjahr 2013 ganz nach dem Geschmack der Investoren. Die Börsenhausse geht bis dato ohne nennenswerte Kursrückschläge weiter. Welche Argumente sprechen trotz der Rallye für Aktienkäufe?
Stegmüller: Vor allem die Tatsache, dass die Alternativen inzwischen unattraktiv sind, spricht nach wie vor für Aktien als lohnenswerte Anlageklasse. Das Umfeld, niedriges Zinsniveau und negative Realrenditen spielen den Aktienmärkten auch weiterhin in die Hände, so dass wir der Ansicht sind, dass Aktien auch 2014 nahezu alternativlos sind. Mittlerweile sind Aktien fundamental gut bewertet, aber keineswegs überbewertet; insofern sehen wir durchaus kurz- bis mittelfristig noch Spielraum für weitere Kursanstiege.
Machts: Wir schauen positiv in das Aktienjahr 2014. Zum einen liegt dies an der massiven Liquiditätsausstattung der Märkte. Zum anderen dürfte der Risikoappetit der Investoren angesichts der fortschreitenden Stabilisierung der Eurozone sowie einer stabilisierten Weltkonjunktur zunehmen. Auch dies dürfte die Aktienmärkte beflügeln. Viele Unternehmensbilanzen sind gesünder als vor der Finanzkrise, das Gewinnwachstum springt an und vermehrte Investitionen werden sichtbar. Insofern und angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen für vermeintlich „sichere" Anlagen sind Aktien unerlässlich für Anleger, die Vermögenserhalt und -zuwachs anstreben. Im Zuge der steigenden Bewertungen beobachten wir eine zunehmende Branchenrotation in Sektoren, die bis dato weniger von der Rallye profitieren konnten.
Juds: Aktien sind die beste Möglichkeit für Anleger, an der Wertschöpfung der Wirtschaft zu partizipieren. Außerdem bieten Aktien grundsätzlich einen gewissen Inflationsschutz, da die Unternehmen gestiegene Kosten in Form von höheren Preisen an ihre Kunden weitergeben und somit höhere Umsätze generieren können. Hinzu kommt, dass die Aktien gerade vor dem Hintergrund der Minizinsen in Relation zu anderen Anlageklassen attraktiv bewertet sind – wenngleich ich etwas Wasser in den Wein gießen muss. Momentan sind Aktien nicht mehr billig, denn auch andere Investoren haben die Vorzüge der Aktie für sich entdeckt und zugegriffen, als die Preise noch moderater waren.
finanzwelt: Kritiker werfen ein, dass die aktuellen Bewertungen nicht mehr mit den Fundamentaldaten in Einklang gebracht werden können. Übertriebene Sorge der Crash-Propheten – oder steckt darin doch ein Fünkchen Wahrheit?
Stegmüller: Natürlich kann niemand mit Bestimmtheit sagen, wo der S&P 500 oder der DAX in einem Jahr stehen werden, geschweige denn einen Crash prognostizieren. Aber die Börsenampel steht keineswegs auf rot, eher im Gegenteil. Schauen wir uns die Entwicklung in den USA an, kommen wir auch längerfristig zum Schluss, dass die Gewinne der dortigen Unternehmen stärker gestiegen sind als deren Kurse an der Wall Street. Wir befinden uns somit erst im mittleren Zyklus der Aufwärtsbewegung, nicht an deren Ende.
Machts: Anleger sollten sich bei ihren Entscheidungen nicht von psychologisch interessanten Kursständen leiten lassen. Wichtiger sind die Bewertungen, und in dieser Hinsicht bewegen sich die Aktienmärkte in Europa und den USA derzeit etwa im langjährigen Mittel. Im vergangenen Jahr konnten europäische Aktienindizes zwischen 10 und 20 % zulegen; die US-Börsen stiegen um mehr als 20 %. Natürlich ist es angesichts dieser Kurssteigerungen nicht mehr so billig wie Anfang 2013, in den Aktienmarkt einzusteigen. Aber das Chance-Risiko-Verhältnis im Vergleich zu anderen Anlageklassen spricht nach wie vor für Aktien. Anleger sollten sich von der Ansicht lösen, dass höhere Renditechancen bei Aktien immer mit höherem Risiko einhergehen. Denn etwa seit der Jahrtausendwende haben Aktien mit vergleichsweise geringer Volatilität im Schnitt höhere Renditen erwirtschaftet als risikoreichere Investments. Vor diesem Hintergrund sind Aktien aus unserer Sicht die aussichtsreichste Anlageklasse für 2014. Interessant erscheinen uns vor allem Aktien global vernetzter Unternehmen mit einzigartigen, verständlichen und langfristig stabilen Geschäftsmodellen.
Juds: Aus meiner Sicht sind die Bewertungen inzwischen ambitioniert. Insbesondere die stabilen Konsumwerte wie Nestlé und exportorientierte Titel wie die Automobilwerte oder der Maschinenbau sind bereits gut gelaufen. Von den internationalen Aktienmärkten finde ich die amerikanischen Aktien besonders teuer. Schwellenländer hingegen sind zuletzt deutlich zurückgeblieben. Aufgrund der positiven Konjunkturerwartungen und der starken Liquidität an den Märkten sind die Preise stärker gestiegen als die Unternehmensgewinne. Daher rechne ich noch mit einer weitergehenden Korrektur an den Aktienmärkten.
finanzwelt: Sektlaune an den Börsen – und trotzdem stehen viele Investoren am Spielfeldrand und schauen nur zu. Wie ist das zu erklären und an welchen Stellschrauben müsste gedreht werden, damit sich mehr Bürger für das Thema Aktien begeistern?
Machts: Wir haben kürzlich eine Umfrage durchgeführt, die belegt, dass sich trotz des objektiv guten Umfeldes für Aktien wenige Deutsche für Aktien als langfristige Anlage erwärmen können. Unser BlackRock Investor Pulse zeigt, dass die Deutschen im Schnitt 63 % ihres Vermögens in niedrig verzinsten Spareinlagen halten und somit negative Realrenditen in Kauf nehmen. Viele von ihnen sehen keine Notwendigkeit, ihr Erspartes in andere Anlageklassen umzuschichten und ihr Vermögen breiter zu diversifizieren. Denn nach wie vor verbinden viele Anleger Aktien eher mit Risiken als mit Chancen. An diesem Punkt kommt professionellen Vermögensverwaltern und Finanzberatern eine besondere Verantwortung zu.
Stegmüller: In den vergangenen Jahren ist der Anteil von Aktien und Investmentfonds am Finanzvermögen privater Investoren in vielen Industrieländern zurückgegangen. In der Tat wird seitens der politischen Entscheidungsträger zu wenig getan, um eine Aktienkultur zu implementieren, was dringend erforderlich wäre. Bei unseren Anlageentscheidungen steht immer die Risikokomponente im Mittelpunkt. Wir gehen davon aus, dass die Zielrendite fast gänzlich über die Vermögensstruktur generiert wird und investieren daher breit diversifiziert über verschiedene Assetklassen, Regionen und Managementstile hinweg. Wir denken dabei in Strukturen, welche in einzelne Ertrags- und Risikokomponenten aufgeteilt sind und die jeweilige Schwankungsintensität reduzieren sollen.
finanzwelt: Die Chefin des Deutschen Aktieninstituts (DAI) hat sich jüngst besorgt darüber gezeigt, dass die Aktie immer noch ein schlechtes Image hat und führt das auch auf falsche politische Weichenstellungen zurück. Wie stehen Sie dazu?
Machts: Die Intention des Gesetzgebers, dem Kunden bei einer Wertpapierberatung so genannte Beipackzettel als Anlegerinformation auszuhändigen, ist völlig richtig und wichtig. Das Ziel muss lauten, mehr Transparenz und Verständlichkeit in die Finanzindustrie zu bringen, um mehr Investoren für die mitunter komplexe Materie der Finanzanlage zu begeistern. Jeder Anleger sollte am Ende einer Investitionsentscheidung sicher sein, dass er eine valide begründete Entscheidung getroffen hat. Zudem sollte er sich der damit verbundenen Risiken und Chancen bewusst sein.
Juds: Ich sehe die gesetzlichen Regelungen zunächst einmal positiv, da sie ja einen nachvollziehbaren Hintergrund haben. Viele Anleger hatten Finanzprodukte im Depot, die sie nicht verstanden haben und die häufig auch nicht zu ihnen gepasst haben. Es geht in erster Linie darum, die Ziele und Wünsche des Kunden zu kennen, seine Kenntnisse und Erfahrungen sowie seine Risikoneigung zu verstehen und zu wissen, wie lange er anlegen will. Diese Fakten werden dokumentiert und die Ergebnisse in einem Protokoll festgehalten. Eine Beratung in Einzeltitel sehe ich allerdings als schwierig an. Ich neige eher zu klassischen Aktienfonds, mit denen der Anleger gut diversifiziert ist und eine breite Mischung im Depot hat.
finanzwelt: Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Publikumsfonds ist im vergangenen Jahr zwar deutlich gesunken, aber trotzdem finden sich kaum noch weiße Flecken auf der Landkarte. Welche Regionen bevorzugen Sie derzeit?
Stegmüller: Die USA hat weiterhin die führende Rolle auf dem Finanzmarkt. Der S&P 500 Index als auch der viel beachtete Dow Jones Industrial stiegen jüngst in vorher unerreichte Höhen, bleiben jedoch im globalen Kontext weiter attraktiv. Daneben ist für uns Kerneuropa sehr interessant, insbesondere wegen den eingepreisten Verwerfungen und den sich daraus ergebenden Chancen. Wir sehen die Emerging Markets eher als ein strategisches, aber kein taktisches Ziel an. Einige Volkswirtschaften in den sich entwickelnden Staaten haben massiven Anpassungsdruck, von daher bevorzugen wir momentan Investments in Industrienationen.
finanzwelt: Welche Produkte und Konzepte laufen gut im Vertrieb?
Machts: Wir beobachten eine erhebliche Nachfrage nach asiatischen Aktien, die im Verlauf des ersten Halbjahres 2014 weiter anziehen könnte. Im Hinblick auf Europa bevorzugen die Anleger momentan Stockpicking-Ansätze in Kombination mit Dividendenstrategien. Diese Nachfrage hat sicher damit zu tun, dass sich europäische Dividendenfonds für konservative Anleger als Möglichkeit zum Wiedereinstieg in den Aktienmarkt anbieten. Schließlich lassen sich in Europa momentan Dividendenrenditen von um die 5 % erzielen. Daneben sind und bleiben Multi Asset Lösungen gefragt. Durch ihre flexiblen Ansätze, mit denen sie je nach Marktumfeld in verschiedenen Anlageklassen wie Aktien, Renten, Rohstoffe oder Immobilien Chancen nutzen können, bieten sich entsprechende Fonds für langfristige Investitionen an – zum Beispiel im Rahmen der Altersvorsorge.
Juds: Es sind momentan vor allem die Mischfonds, die nachgefragt werden, aber auch defensive Aktienfonds mit einer Ausrichtung auf Dividenden oder stabile Ausschüttungen. Viele Anleger sind momentan etwas skeptisch, was die Nachhaltigkeit des Aufschwungs angeht. Im Rahmen der Vermögensverwaltung investiere ich verstärkt in die Anlageklassen, die zuletzt nicht so stark gelaufen sind. Dazu gehören für mich vor allem die Schwellenländerfonds, die noch vor ein oder zwei Jahren ganz oben auf der Liste standen und um die es nun etwas ruhiger geworden ist.
Fazit
Geht es weiter aufwärts an den Aktienmärkten? Viele Strategen sind optimistisch. Dabei haben Indizes wie der DAX ein rasantes Börsenjahr hinter sich gebracht. Um 25 % stieg der Leitindex 2013, nachdem er schon 2012 um 29 % zugelegt hatte. Der Optimismus gründet sich auf die weiterhin niedrigen Zinsen und die Erwartung einer konjunkturellen Belebung in Deutschland und der Eurozone. Marktteilnehmer sprechen von einem Anlagenotstand; auch ein Grund, der Aktien zugutekommt. Die Rallye scheint noch nicht am Ende.
(Die Diskussion leitete Alexander Heftrich)