Der fließende Ansatz
01.03.2022
Ronny Wagner, Initiator der The Spirit of Finance / © The Spirit of Finance
Finanzbildung ist lückenhaft. Ein Urteil, das wir immer und überall hören und lesen. Doch was lässt sich dagegen tun? Wo setzt eine adäquate Bildung an? Und welches Menschenbild liegt diesem zugrunde? Finanzexperte Ronny Wagner erläutert sein Verständnis und zeigt auf, worauf es im Umgang mit den eigenen Finanzen wirklich ankommt.
finanzwelt: Herr Wagner, Sie setzen sich fortwährend für eine verbesserte finanzielle Bildung ein. Ein Thema, das viele umtreibt. Was ist Ihre Motivation?
Ronny Wagner» Lassen Sie mich kurz den Bogen spannen. Im Mittelpunkt meines Bildungsverständnisses steht der mündige Bürger, der sich seines Geistes bedient, um selbstbestimmt zu handeln. Insofern setze ich hier an der Allgemeinbildung an, die den Menschen in die Lage versetzen soll, sein Leben zu bewältigen und die Welt besser zu verstehen. An diesem Punkt kommt die finanzielle Bildung ins Spiel. Denn denjenigen, die nichts oder nur wenig wissen, entgehen vielfältige Chancen und drohen Risiken. Finanzielle Bildung ist folglich eine Grundkompetenz zur Meisterung des Lebens und zur Teilhabe an der Gesellschaft.
finanzwelt: Finanzielle Bildung ist sozusagen das Rüstzeug, um „überleben“ zu können?
Wagner» Überleben klingt hart, aber trifft den Kern. Das Ziel von finanzieller Bildung ist ein intaktes persönliches System im Umgang mit Geld und Vermögen (Vermögenszyklus), das den Menschen in die Lage versetzt, mit seinen Geldströmen wertschöpfend und vermögensbildend zu agieren und dabei auf die Veränderungen in unserer Gesellschaft und Wirtschaft jederzeit angemessen reagieren zu können. Dazu benötigt man Know-how, das permanent abrufbar und verinnerlicht ist. Zentral ist dabei, das Erlernte stetig anzuwenden und sich selbst zu hinterfragen. Nur auf diesem Weg gelangen wir zu mündigen Bürgern, die auch aus ihren eigenen Fehlern lernen und die Rückschlüsse ziehen. Dies umfasst einerseits die Befähigung zu rationalen (individuelle Dimension) als auch anderseits zu reflektierten Entscheidungen (soziale Dimension).
finanzwelt: In Ihrem Modell des Vermögenszyklus sprechen Sie von mehreren Geldströmen, die unabdingbar sind und greifen dabei das Bild von Kaskaden auf. Was hat es damit auf sich?
Wagner» Eine Kaskade ist ein künstlich angelegter, sich über mehrere Stufen ergießender Wasserfall. Die mehreren Stufen verdeutlichen, dass es ein fließendes, dynamisches System ist und stehen sinnbildlich für die Aufspaltung des Vermögens in verschiedene Geldströme und -speicher. Leckt es an einer Stelle oder reduziert man das System auf einen Geldtopf, so verliert es seinen Sinn und wird nutzlos. Das heißt, das Gesamtsystem basiert auf verschiedenen Konten, die in ihrer Verwobenheit den Mehrwert bringen. Am Ende steht ein funktionierendes Zusammenspiel aus Sicherheiten mit Investitionen und
Ausgaben.
finanzwelt: Ist dieses kongeniale Zusammenspiel die Basis für Vermögen?
Wagner» Dies ist nicht das Ziel meines „Kaskaden-Modells“. Vielmehr stellt es zuvorderst den Menschen als richtungsgebenden Akteur ins Zentrum. Er soll in die Lage versetzt werden, mündige finanzielle Entscheidungen zu treffen und die Tragweite seines Handelns zu verstehen. Das impliziert auch Scheitern und Wiederaufstehen, führt aber letztlich zur Weisheit. Finanzieller Erfolg, um das explizit zu sagen, ist immer das Ergebnis des eigenen Mindsets und täglicher Routinen. Glück spielt natürlich auch eine Rolle.