„All-Wetter-Fonds?“

28.07.2013

Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise sind Investoren auf der Suche nach sicherheitsorientierten und risikobegrenzenden Konzepten. Dabei ist der Ansatz der Risiko-Gleichgewichtung (Risk-Parity) in den Fokus der Anleger gerückt. Ausschlaggebend dafür war auch das bis vor kurzem gute Abschneiden derartiger Strategien in der Finanzkrise. In den vergangenen Wochen mussten aber auch diese Fonds herbe Verluste einstecken.

Das aktuelle Kapitalmarktumfeld macht es Investoren nicht leicht: Zum einen volatile Märkte und zum anderen das lang andauernde Niedrigzinsumfeld lassen die Konzentration auf Staatsanleihen zum Problem werden, wenn eine auskömmliche Rendite erzielt werden soll.

Mischfonds, die in verschiedene Anlageklassen investieren dürfen, konnten in den ersten fünf Monaten dieses Jahres Zuflüsse von 5,2 Mrd. Euro generieren. Seit Jahresbeginn sind gemischte Fonds mit steigender Tendenz gefragt, teilte der Branchenverband BVI Mitte Juli mit. Einen Schritt weiter in der Risiken-Diversifikation über Assetklassen geht der Risk-Parity-Ansatz (Risikogleichgewichtung). Nicht allein die Rendite, sondern die Risikokontrolle ist die Basis des Anlagekonzepts. Entscheidend für das sprunghaft gestiegene Interesse sei auch das gute Abschneiden derartiger Strategien in der Finanzkrise, besonders im Vergleich zu traditionellen Mischportfolios, gewesen, so die Experten der Absolut Research GmbH im Frühjahr 2012.

Risk-Parity-Ansätze fallen in das Segment der risikobasierten Asset Allocation und haben ihren Ursprung im angloamerikanischen Raum. Obwohl das Konzept bereits seit 50 Jahren existiert, wurde es erst durch den bekannten Hedgefondsanbieter Bridgewater Mitte der 90er Jahre mit seinem All-Weather-Fonds etabliert. Die Idee der Risikogleichgewichtung besteht darin, dass bei der Aufteilung von Geld auf einzelne Anlageklassen – Aktien und Anleihen – am Ende von jeder Klasse das gleiche Risiko ausgehen sollte. Gemessen wird das Risiko dabei an der Volatilität, die widerspiegelt, wie sehr die Rendite des Investments letztlich schwankt. Durch die strukturell höhere Aktienquote, die von institutionellen Investoren in Übersee umgesetzt wird, hat sich die Problemstellung aufgetan, dass beispielsweise bei einem traditionellen 60/40 Aktien-/Anleihenportfolio die Aktienperformance die Portfolioperformance und das Risikoergebnis maßgeblich beeinflusst. Die Schwankungsbreite von Aktien ist üblicherweise höher als die von Anleihen, sodass im Aktienanteil nahezu das gesamte Risiko versteckt ist. „Das Gesamtrisiko des Fonds ist also eine Folge der strategischen Vermögensaufteilung", sagte Christian Ulrich, Portfoliomanager bei Invesco, in einem Interview. Entscheidend ist, dass in einem breit gestreuten Portfolio nicht die prozentuale Gewichtung der Anlageklassen wichtig ist, sondern ihr prozentualer Beitrag zum Gesamtrisiko des Depots. Die Risikoallokation bestimmt die Asset Allocation. Risk-Parity-Fonds übergewichten demzufolge schwankungsärmere Anlageklassen, das heißt, sie setzen stark auf Anleihen. Der Risiko-Balance-Gedanke bei Invesco, einem der wenigen deutschen Anbieter, bestimmt die Gewichtung der separaten Anlageklassen im Fonds, beispielsweise 20 % Aktien, 20 % Rohstoffe und die verbleibenden 60 % in Anleihen. Für den Erfolg ist die Wertentwicklung aller Anlageklassen gleich wichtig.

Berater, die dieses Konzept für ihre Kunden schlüssig finden und diese entsprechend investieren möchten, bietet sich eine überschaubare Auswahl an Risk-Parity-Fonds. Die Fonds unterscheiden sich beispielsweise anhand der verwendeten Anlageklassen sowie der jeweiligen Verwendung von Leverage (Hebelwirkung) und Derivaten. Die Hamburger Aquila Capital ist seit fast zehn Jahren mit dem AC-Risk Parity Fund auf dem Markt und zählt nach eigenen Angaben zu einer der Risikoparitätsstrategien mit dem längsten Track Record. Der Fonds strebt eine geringe Volatilität von 7 % und eine geringe Korrelation zu den Aktienmärkten an. Die geplante Rendite beträgt 5 bis 7 % pro Jahr. Die Wettbewerber stehen nicht nach – der Invesco Balanced Risk Allocation Fonds kommt aktuell auf ein Fondsvolumen von über 2 Mrd. Euro und gewichtet die Risikobeiträge der Assetklassen Aktien, Rohstoffe und Anleihen gleich hoch. Aquila nimmt als vierte Assetklasse verzinsliche Geldmarktanlagen hinzu.

Unter dem Titel „Risk Parity – eine Modeerscheinung unterschätzt ihren blinden Fleck" haben Gökhan Kula (CIO von Myra Capital) und Markus Schuller (Gründer Panthera Solutions) im Herbst vergangenen Jahres auf die möglichen Schwachstellen bei Risk-Parity-Fonds hingewiesen. Die Autoren zogen das Fazit: „Der Stein der Weisen wurde mit Risk-Parity nicht gefunden." Zudem sehen sie unter anderem Stagflation als Problemszenario für Risk-Parity-Manager: Wenn gleichzeitig die Zinsen ansteigen und die Aktienkurse fallen, dann würden unter Umständen selbst eventuelle Gewinne im Rohstoffsektor nicht ausreichen, um einen Wertverlust des Portfolios auszugleichen, mutmaßten Kula/Schuller.

Risk-Parity-Fonds seien noch nicht wirklich krisenerprobt, hätten oftmals von Anfang an stark in Anleihen investiert und somit auch überproportional von deren Hausse in den vergangenen Jahren profitiert, werfen Kritiker ein. Ob eine solche Positionierung deshalb für die Zukunft aussichtsreich ist? Spätestens bei schnell steigenden Zinsen haben Risikoparitätsstrategien mit heftigen Gegenwind zu rechnen.

Auf eine ernsthafte Probe wurden diese Fonds in den vergangenen Wochen gestellt und mussten Federn lassen. Einige namhafte Anbieter verloren im Mai/Juni kumuliert bis zu 12 %. Die Gegenbewegung an der Zinsfront – zehnjährige US-Staatsanleihen rentieren wieder mit 2,5 %, nachdem sie im Vorjahr bis auf 1,5 % gefallen waren – bescherten Bondanlegern Verluste. Und das traf die Risk-Parity-Fonds, die hier sogar mit Hebel arbeiten, eben ungewöhnlich hart. Zudem gingen die Rohstoffpreise in die Knie. „We don't expect to make money every year", kommentierte Bob Prince, Co-CIO von Bridgewater, die Situation in einem Interview im Wall Street Journal Anfang Juli. Im Mai konnten sich Risk-Parity-Fonds laut Morningstar noch über Zuflüsse in Höhe von 337 Mio. US-Dollar freuen – das war aber vor dem „Mini-Crash"

Kula/Schuller greifen aktuell die Kursverluste der Risk-Parity-Ansätze auf und folgern: „Die Umsetzung der Risk-Parity-Strategien wird aufgrund der strukturellen Schwächen zu einem Uphill-Battle. Den Investor Relations Mitarbeitern der Fondsgesellschaften darf bereits jetzt viel Vergnügen gewünscht werden. Selbst das Vokabular im Marketing-Speech ist endlich." Risk-Parity-Fonds haben in der Vergangenheit gut bis sehr gut performt, sie werden aber – wie im Übrigen auch jede andere Portfoliostruktur – erst in der Krise beweisen, wie sie im Sturm bestehen.

Fazit

Risiko-Paritäts-Strategien haben ihre Existenzberechtigung bewiesen. Es ist jedoch nicht zwangsläufig gesagt, dass sie in jedem Marktumfeld gute Ergebnisse erzielen werden. Spätestens, wenn es mit den Zinsen wieder bergauf geht, werden alle Portfoliostrategien Problemen gegenüberstehen und dann besondere Stärken und Schwächen offenbaren. Die derzeit von der Liquiditätsschwemme der Notenbanken beeinflussten Börsenhaussen sind durchaus in der Lage, die Schwächen einzelner Strategien zu überdecken.

(Alexander Heftrich)

Risk-Parity - Printausgabe 04/2013