Pfund noch immer keine attraktive Einstiegschance

14.10.2016

Ursina Kubli,, Ökonomin, Bank J. Safra Sarasin AG / Foto: © J. Safra Sarasin AG

Der Hauptgrund für die Vorbehalte sind Befürchtungen, dass Brexit sehr viel schneller kommen und härter werden könnte als bisher gedacht. Auch die Kritik von Theres May an der expansiven Geldpolitik der Bank of England (BoE) erodiert das Vertrauen der Anleger, da die Erholung der Vorlaufindikatoren der britischen Wirtschaft wohl dem dezidierten Eingreifen der BoE nach dem Brexit-Votum zu verdanken ist. Politische Risiken werden weiterhin für heftigen Gegenwind sorgen.

Die Kursschwankungen, welche das britische Pfund in der Nacht zum Freitag erfahren hatte, kennt man normalerweise nur bei Schwellenländerwährungen. Zwischenzeitlich ist das Pfund um mehr als 6% abgestürzt, erholte sich jedoch unmittelbar um fast 3% und verharrte seither auf einem deutlich tieferen Niveau. Die Kursschwankungen beruhten vorwiegend auf dem geringen Handelsvolumen während der asiatischen Handelszeiten, ist jedoch auch Ausdruck für das weiterhin große Misstrauen der Anleger gegenüber dem britischen Pfund.

Hauptgrund für die Vorbehalte ist die Befürchtung, dass Brexit schneller kommen und härter werden könnte als bisher gedacht. Die britische Premierministerin Theresa May stellte an der Konferenz der Konservativen in Aussicht, dass der Artikel 50 spätestens im März 2017 ausgelöst werden sollte und die formelle Trennung von der EU damit eingeleitet wird. Sie stellte in der Rede klar, dass die Kontrolle der Einwanderung nicht abgegeben werden soll und die britische Regierung demnach bereit ist, den Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt der EU zu riskieren. Zudem übte Theresa May starke Kritik an der expansiven Geldpolitik der Bank of England (BoE) aus. Sie argumentierte, dass die quantitativen Lockerungsmaßnahmen der BoE und die Zinssenkungen die Ungleichgewichte in der Bevölkerung verschärft haben. Diese Kritik ist insofern erstaunlich, als dass die Erholung der Vorlaufindikatoren der britischen Wirtschaft wohl dem dezidierten Eingreifen der BoE kurz nach dem Brexit Referendum zu verdanken ist. Zudem bestünde bei der zukünftigen Fiskalpolitik ohne geldpolitische Unterstützung kaum noch Spielraum.

Normalerweise korrelieren die kurzfristigen Zinsunterschiede und das britische Pfund relativ eng miteinander. Die Kritik an der britischen Geldpolitik führte hingegen zu einer gegenteiligen Entwicklung. Während die britischen Zinsen zugelegt haben, ist das Pfund auf ein neues Rekordtief gefallen. Das britische Pfund ist weniger abhängig von den Zinsentwicklungen als von den politischen Risiken. Diese dürften auch in Zukunft hoch bleiben und dem britischen Pfund heftigen Gegenwind bescheren. Die von Theresa May skizzierten politischen Pläne bergen hohe wirtschaftliche Risiken für das Vereinigte Königreich. Wir sind daher sehr skeptisch, dass sich die britischen Vorlaufindikatoren auf den hohen Niveaus bleiben. Die politischen Unsicherheiten werden insbesondere für längerfristige Investitionsentscheide schädlich sein, wie in der aktuellen Umfrage des British Chambers of Commerce angezeigt wird. Dies wird an den Finanzmärkten zu großer Ernüchterung bezüglich der britischen Konjunktur führen. Zudem bleibt Großbritannien mit einem Leistungsbilanzdefizit von rund 6% stark von den Finanzierungszuflüssen aus dem Ausland abhängig. Ein Versiegen dieser Zuflüsse stellt angesichts der politischen Entwicklungen in Großbritannien ein beachtliches Risiko dar.

Ein häufiger Einwand gegen eine weitere Abwertung des britischen Pfundes ist die tiefe Bewertung des Pfundes. Stützt man sich auf den Berechnungen des Internationalen Währungsfond (IMF), welche auf den makroökonomischen Gleichgewichten basieren, scheint das britische Pfund inzwischen leicht unterbewertet zu sein. Gemäß diesen Berechnungen vom Sommer 2016, dürfte eine Abwertung des Pfundes von -8% genügen, um das hohe britische Leistungsbilanzdefizit auf ein gleichgewichtiges Niveau zu reduzieren. Die Abwertung des Pfundes von rund 10% seit dem Brexit-Referendum wird jedoch kaum ausreichen. In den aktuellsten Statistiken ist keine Verbesserung der Leistungsbilanz zu erkennen. Die bisherigen IMF-Berechnungen dürften die nötige Währungsabwertung klar unterschätzen. Auch die negative Stimmung gegenüber dem Pfund sehen wir nicht als Auslöser für eine Kurserholung des Pfundes. Die aktuellsten spekulativen Netto-Positionen an der Chicago Mercantile Exchange zeigen, dass die Netto-Short-Positionen im Pfund sogar reduziert worden sind. Das Pfund bietet damit bei den heutigen tieferen Niveaus noch keine attraktive Einstiegschance. Wir erwarten eher eine weitere Abwertung der britischen Valuta.

Kolumne von Ursina Kubli, Ökonomin, Bank J. Safra Sarasin AG

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