Notenbanken produzieren Inflation an falscher Stelle

15.09.2017

Lukas Daalder, Chief Investment Officer bei Robeco Investment Solutions

Inflation lässt sich nie ganz vermeiden. Deshalb streben Notenbanken Obergrenzen an, auch wenn die Preise einmal zurückgehen. Dieser Meinung ist Lukas Daalder, Chief Investment Officer bei Robeco Investment Solutions. In seinem Marktkommentar zeigt der Robeco-Experte alternative Sichtweisen im Hinblick auf eine lockere Geldpolitik, Inflation und Wirtschaftswachstum auf. Sein Fazit lautet: Die Inflation hat sich an die Finanzmärkte verlagert.

Einige Ökonomen vertreten die Ansicht, dass die Notenbanken angesichts laufend sinkender Inflationsraten – und der größeren Gefahr einer Deflation – ihr Zwei-Prozent-Ziel aufgeben oder durch ein niedrigeres ersetzen sollten. Dem liegt die wachsende Überzeugung zugrunde, dass es durch die quantitative Lockerung der Geldpolitik nicht gelungen ist, die Inflation und damit das Wirtschaftswachstum anzufachen. Doch ist auch eine andere Sicht der Dinge möglich: Die Inflation ist nach wie vor gegeben. Sie macht sich aber nicht wie früher bei Gütern und Dienstleistungen, sondern eher bei den Preisen von Vermögenswerten bemerkbar.

Wenn die Notenbanken sich an einem Inflationsziel von zwei Prozent orientieren, liegen dem keine Forschungsergebnisse zugrunde, wonach dieser Wert optimal wäre. Tatsächlich wurde diese Größenordnung im Jahr 1989 von der neuseeländischen Notenbank willkürlich festgelegt. Die Europäische Zentralbank, die US Federal Reserve, die japanische Notenbank und die Bank of England verfolgen allesamt nach wie vor dieses Ziel, obwohl die Inflation in den jeweiligen Währungsräumen in den letzten zehn Jahren fast durchgängig darunter lag.

Die Inflation ist aus strukturellen Gründen gesunken

Es gibt viele Argumente dafür, weshalb die Inflation – die vor Jahrzehnten noch zweistellig war und ganze Volkswirtschaften destabilisierte – so drastisch zurückgegangen ist. Ein Faktor ist die Digitalisierung, die Bereiche wie Medien, Fotografie und Musik revolutioniert hat, indem sie die praktisch kostenlose Produktion zusätzlicher Kopien neuer Zeitungsartikel, Spiele oder Lieder ermöglicht hat. Ein weiterer Aspekt ist der Machtverlust der Arbeitnehmer infolge des Niedergangs der Gewerkschaften, der Globalisierung und der anhaltenden Automatisierung in früher arbeitsintensiven Wirtschaftszweigen.

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