Nießbrauch – der Veteran der deutschen Rechtsgeschichte

24.02.2021

Marian Kirchhoff, Geschäftsführer der Deutsche Teilkauf GmbH / Foto: © Deutsche Teilkauf

Das deutsche Nießbrauchrecht hat eine langjährige Tradition, seine Ursprünge reichen zurück bis 160 vor Christus. Obwohl es zu den ältesten Rechtstiteln Deutschlands zählt, ist es heutzutage aktueller denn je.

Bis lange in die Moderne noch unter dem lateinischen Begriff „Usus fructus“ bekannt, bezeichnet der Nießbrauch das erweiterte Nutzungsrecht an einer Sache, in der Regel einer Immobilie oder eines Grundstücks. Im Gegensatz zu einem reinen Wohnrecht beinhaltet der Nießbrauch zusätzlich das Recht, aus der Immobilie oder einem dazugehörigen Grundstück auch einen konkreten Nutzen zu ziehen. Das bedeutet, der Nießbraucher darf die Immobilie vermieten, wobei die Mieteinnahmen komplett ihm zustehen. Historisch betrachtet geht dieser Anspruch auf den „Fruchtgenuss“ auf das römische Recht und die Verpachtung von Wiesen und Schafherden zurück: Der „Ususfructus“ definierte sich hier als das dingliche Recht, eine fremde Sache zu nutzen und die aus ihr gezogenen „Früchte“ zu behalten – im Fall der Schafherde also die neugeborenen Jungtiere.

Zur Anwendung kommt der Nießbrauch in der Regel dann, wenn eine Immobilie verschenkt oder verkauft wird, um gewisse Rechte des Vorbesitzers zu erhalten. Von zentraler Bedeutung sind hierbei die notariell beglaubigte vertragliche Verankerung sowie der Eintrag des Nutzungsrechts ins Grundbuch. Bei Letzterem ist der Rang entscheidend, denn dieser legt fest, ob das Nießbrauchrecht im Falle einer möglichen Insolvenz des neuen Eigentümers erhalten bleibt. Damit das der Fall ist, muss der Nießbrauch im ersten Rang vor der Finanzierungsgrundschuld vermerkt werden. Demgegenüber wird das reine Wohnrecht im Grundbuch in den meisten Fällen nachrangig behandelt.

Rechte und Pflichten des Nießbrauchers

Gesetzlich ist das Nießbrauchrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB, §§ 1030–1089) verankert: Demzufolge kann eine Sache „in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen“. Dieses kann jedoch im Vorhinein „durch den Ausschluss einzelner Nutzungen beschränkt werden“. Mit anderen Worten: Im Hinblick auf Immobilien wird dem Nießbraucher durch das BGB garantiert, eine Sache allein und unter Ausschluss unerwünschter Dritter zu bewohnen sowie aus ihr Profit zu ziehen. Damit kommen ihm zwei der drei grundlegenden Rechte eines Eigentümers zu, von diesem unterscheidet ihn nur das Recht, das fragliche Eigenheim oder die fragliche Eigentumswohnung zu veräußern.

Auf der anderen Seite hat der Nießbraucher die Pflicht, die Immobilie instand zu halten, um deren Wert zu erhalten. Auch Schönheitsreparaturen, wie etwa ein neuer Anstrich der Fassade, liegen in der Verantwortung des Nießbrauchers. Darüber hinaus trägt er die Kosten für die Versicherung sowie die laufenden Neben- beziehungsweise Betriebskosten.

Der Berechtigte eines Wohnrechts wiederum hat deutlich weniger Rechte als der Nießbraucher, denn er darf sich dort nur aufhalten, darf aber beispielsweise nicht vermieten und von den Mieterträgen profitieren, da er gerade kein Fruchtziehungsrecht hat.

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