Neue deutsche Welle

11.05.2016

Foto: © steinerpicture – Fotolia.com

Kosten sparen, Effizienz generieren, Kunden gewinnen und binden – Erfolg auf ganzer Linie. Das alles verspricht sich die Versicherungswirtschaft vom Reizwort Digitalisierung.

Makler dürfen dies nicht als diffuse Prognose abtun. Denn die Zukunft hat schon längst begonnen. Langfristig überleben wird nur derjenige, der schon jetzt mitzieht. Auch wenn einzelne Befragungen noch etwas anderes sagen. Noch scheint die Makler-Welt hinsichtlich des Kundenzuspruchs in Ordnung – dies belegen neue vom Marktforschungsinstitut YouGov veröffentlichte Zahlen. Zwar haben die Agentur beziehungsweise die Geschäftsstelle und der Hausbesuch des klassischen Versicherungsvertreters noch die Nase vorn und weisen die höchste Akzeptanz in der Bevölkerung auf. Doch alternative Vertriebsformen gewinnen der Studie (Kundenmonitor e-Assekuranz) zufolge kontinuierlich an Aufmerksamkeit.

Makler- und Onlinevertrieb erreichten 2015 ihre jeweiligen Höchstwerte seit Beginn der Messungen im Jahr 1996.

Rund jeder zweite Versicherungsentscheider und -mitentscheider (52 %) zeigte eine grundsätzliche Affinität zum Makler. Vor 15 Jahren war es nur jeder Dritte (34 %). Beim Online-Vertrieb ist die Akzeptanz erstmalig über die 30 %-Marke gestiegen, und wie: Diese hat sich laut YouGov im Vergleich zu 2000 von 8 % auf 32 % vervierfacht. Das sollte Maklern durchaus zu denken geben. Noch beunruhigender vielleicht ist ein weiteres Ergebnis. Bei den bis 30-Jährigen, den zukünftigen Neukunden, liegt die Akzeptanz für den Online-Abschluss bereits bei 57 %. Auch Kunden mit höherem Einkommen und umfangreicherem Versicherungsbedarf sind gegenüber Online-Angeboten mit 39 % Akzeptanz offener. In gleichem Maß beliebt sind dabei Vergleichsportal und der direkte Policenabschluss auf der Website des Versicherers. Bei Neuabschlüssen, die in den vergangenen zwei Jahren getätigt wurden, zeigt die YouGov-Studie, dass 19 % aller erfassten Neuabschlüsse über das Internet liefen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg hat sich damit der Anteil der Online-Abschlüsse fast verdoppelt (2010: 11 %). Versicherungsabschlüsse beim Makler hat über die letzten Jahre etwa jeder Zehnte durchgeführt.

Hinter diesen Wachstumsraten stehen sehr unterschiedliche Produkte.

Während der Online-Vertrieb von einfachen oder kleineren Versicherungen, wie beispielsweise Kfz-, private Krankenzusatz- oder private Haftpflichtversicherung, profitiert, sind Versicherungsmakler bei komplexeren Verträgen wie etwa einer privaten Pflege- oder Berufsunfähigkeitsversicherung erfolgreich. Der Großteil der Online-Abschlüsse wird in diesen Segmenten über die Internetseiten der Versicherungsgesellschaften getätigt, Vergleichsportale spielen hier wegen des komplexen Aufwandes naturgemäß fast überhaupt keine Rolle. Für Dr. Oliver Gaedeke, Geschäftsführer der YouGov Deutschland AG, steht allerdings fest: „Der Vertriebsweg Internet wird deutlich an Akzeptanz gewinnen.“ So wie die Versicherer Digitalisierungs-Vorteile für sich generieren wollen. Thomas Heigl, Vorstand Versicherungsgruppe die Bayerische: „Dabei kommt es darauf an, die Wege zwischen Kunden, Beratern und Anbietern zu verkürzen und so eine verbraucherorientierte Plattform für persönliche Kommunikation, Informationsaustausch und sichere sowie einfache Interaktion zu schaffen.“

Mit der Ruhe am Maklermarkt dürfte es schon bald zu Ende gehen.

Denn nach einer Studie des Beratungsunternehmens Bain & Company soll der Anteil der digital aktiven Versicherungskunden in den kommenden drei bis fünf Jahren auf knapp 80 % steigen. Ob sie sich damit gleichzeitig von den herkömmlichen Vertriebskanälen abwenden werden, steht zwar dahin. Immerhin äußerten drei von vier Befragten den ausdrücklichen Wunsch, auch künftig eine persönliche Beratung in Anspruch nehmen zu wollen. Allerdings muss hierbei dann auch die gesamte Wertschöpfungskette stimmen. Dass dies in Zukunft der Fall sein wird, hängt auch von den Mitarbeitern im Innendienst der Versicherungsunternehmen ab. Sind sie doch die Ansprechpartner, auf die der Makler bei Bedarf zurückgreifen will und muss. Möglicherweise wird es hier jedoch schon bald zu Engpässen kommen, berichtet die Unternehmensberatung McKinsey. Nicht neu ist, dass die Digitalisierung die gesamte Versicherungsbranche buchstäblich auf den Kopf stellen wird, bringt sie doch auch erhebliche Kostenersparnisse mit sich. Allerdings war es bislang unklar, wie einschneidend sich das Thema auswirken wird. Bezogen auf Gesamteuropa gehen die McKinsey-Berater nun davon aus, dass in den kommenden zehn Jahren jeder vierte Arbeitsplatz verlorengehen könnte. Noch am wenigsten betroffen sein dürften nach Einschätzung der Experten die Produktentwicklung, das Marketing und der Sales Support. Im operativen Geschäft, also beispielsweise in der – gerade für Makler wichtigen – Schadenabwicklung, erwarten sie hingegen einen Rückgang von knapp 30 % der Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse. Und auch die Verwaltung dürfte es nach Einschätzung der McKinsey-Experten hart treffen. Dort könnte innerhalb der nächsten zehn Jahre fast die Hälfte der Vollzeit-Jobs ersetzt oder zusammengelegt werden. Dabei steht nicht nur der Kostenfaktor für die traditionellen Versicherer ganz oben auf ihrer Prioritätenliste, viele Makler spüren dies bereits seit geraumer Zeit – nicht nur seit Inkrafttreten des LVRG. Vielmehr geht es auch um die Vertriebsprozesse selbst, wie Frank Kettnaker, Vorstand für Vertrieb und Marketing im ALTE LEIPZIGER - HALLESCHE Konzern, anhand eines ganzen Wirtschaftszweiges erklärt: „Effizienzvorteile aus der Digitalisierung der Prozesse ergeben sich auch aus Skaleneffekten. Daher bieten sich die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus den Bereichen Handel, Handwerk und teilweise auch produzierendem Gewerbe an.“ Zu schaffen macht so manchem Unternehmen jedoch das Erstarken von FinTechs. Und die geben sich euphorisch, so zuletzt auf der MCC-Tagung „Versicherungsvertrieb der Zukunft“ Mitte April in Köln. Johannes Cremer, Geschäftsführer und Gründer der Internetplattform Moneymeets Community GmbH, gab sich da äußerst selbstbewusst: „Wenn FinTech-Anbieter einen Marktanteil von 10 % erreichen, wird die Gewinnmarge für traditionelle Anbieter sehr eng.“ (hwt)