Nach Brexit: Anleger sollten sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen

06.07.2016

Christian Nemeth

In ihrem aktuellen Marktausblick nimmt die Zürcher Kantonalbank Österreich AG in erster Linie die Auswirkungen des Brexit-Referendums genauer unter die Lupe.

Großbritannien steuert nach dem „Leave“-Votum auf eine technische Rezession zu und auch für die Eurozone erwartet Christian Nemeth, Leiter des Asset Managements und Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, spürbar negative Konsequenzen. Wenngleich sich die Aktienmärkte nach anfänglicher Panik wieder weitestgehend erholt haben, rechnet Nemeth mit einer volatilen Entwicklung in den Sommermonaten. Er rät Anlegern dazu, die Risiken vorerst eher tief zu halten. Die Entscheidung der britischen Bevölkerung für einen Austritt aus der Europäischen Union kam für viele Beobachter überraschend. „Ausgangspunkt dieser fatalen Entwicklung war die Entscheidung des britischen Premierministers David Cameron, überhaupt eine Befragung des Volkes abzuhalten“, blickt Nemeth auf eine Politik-Tragödie made in UK zurück, die mit internen Machtkämpfen bei den Torys und Labour fortsetzt. Nemeth geht jedenfalls nach diesem politischen Erdbeben nicht davon aus, dass es die Briten mit dem Start der Austrittsverhandlungen eilig haben. Es sei zwar im Interesse beider Seiten, eine gütliche Lösung über den zukünftigen Status Großbritanniens zu finden, großen Spielraum sieht der Experte der Zürcher Kantonalbank Österreich AG aber weder hüben noch drüben.  „Schon jetzt lähmt die Unsicherheit über die künftigen Handelsbeziehungen die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Auch wenn hier die Folgen stärker in Großbritannien spürbar sind als in der EU ist diese anhaltende Unsicherheit ein Dämpfer für die wirtschaftliche Entwicklung auf beiden Seiten“, erklärt Nemeth. Wachstumsverlust in Europa, kaum Auswirkungen auf US-Wirtschaft Die konkreten ökonomischen Folgen des Brexit, wenn er dann tatsächlich Realität wird, lassen sich zurzeit noch schwer abschätzen. Vieles hängt davon ab, wie stark die Stimmungsindikatoren einbrechen. Die laufenden Konjunkturindikatoren wurden noch vor dem Referendum erhoben und sind daher nur bedingt aussagekräftig. Negative Auswirkungen in Großbritannien und auch für die Eurozone scheinen aber unumgänglich. „Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaft in Großbritannien eine technische Rezession durchlaufen wird, sprich 2 aufeinanderfolgende negative Quartalswachstumsraten aufweisen wird. Für die Eurozone schätzen wir den Wachstumsverlust in diesem und im nächsten Jahr auf etwas mehr als 0,5 Prozentpunkte“, erläutert Nemeth. Für die US-Wirtschaft dürften sich die Folgen des Brexit aus Sicht der Zürcher Kantonalbank Österreich AG aber in sehr engen Grenzen halten. Die Experten der Privatbank korrigierten ihre BIP-Prognose lediglich von 2,4 % auf 2,3 % nach unten. Leitzinserhöhung wohl abgesagt, schlechte Zeiten für hohe Risiken Die Notenbanken sind jedenfalls bereit, mit zusätzlichen Maßnahmen auf mögliche Verwerfungen an den Finanzmärkten zu reagieren. So hat die Bank of England bereits angekündigt, den Leitzins zu senken. Auch andere bedeutende Notenbanken der Welt würden, wenn nötig, wohl einschreiten. Daher halten die Marktteilnehmer eine Leitzinserhöhung in den USA in diesem Jahr für höchst unwahrscheinlich, selbst in den nächsten 12 Monaten könnte die Fed darauf verzichten. Auch die Zürcher Kantonalbank Österreich AG rechnet im Jahr 2016 nun nicht mehr mit einer Leitzinserhöhung seitens der US-Notenbank Fed. Zur Überraschung vieler hat sich die Situation an den internationalen Börsen nach dem anfänglichem „Brexit-Kater“ relativ rasch wieder entspannt. Vor allem auf defensiven Märkten wie der Schweiz oder in den USA pendelten sich die Kurse wieder ein und ursprüngliche Verluste konnten zu einem Großteil ausgeglichen werden. Bei den kontinentaleuropäischen Aktienindizes sieht das noch anders aus. Nemeth glaubt auch nicht, dass die Finanzmärkte das Abstimmungsergebnis so rasch verdauen. „Wir gehen von einer volatilen Entwicklung in den Sommermonaten aus, die per Saldo weder große Kursgewinne, noch Kursverluste verspricht. Insgesamt betrachtet halten wir es trotz günstiger Kursnotierungen an den Börsen für angezeigt, die anlagenpolitischen Risiken vorerst eher tief zu halten“, erteilt der Experte der Zürcher Kantonalbank Österreich AG allzu offensiven Anlagestrategien in der aktuellen Phase eine klare Absage. Starke US-Industrie, sinkende Arbeitslosigkeit in der EU Abseits der Konsequenzen des Brexit-Referendums stellten die Experten der Privatbank ein doch überraschendes 16-Montashoch des ISM Manufactoring, welcher der US-Industrie den Puls fühlt, fest. Damit wurden die Erwartungen, die von einer Stagnation ausgegangen waren, klar übertroffen. Dafür gingen die Bauausgaben in den USA zuletzt zurück und trugen im 2. Quartal deutlich weniger zum BIP-Wachstum bei. In China bleibt das Wachstum laut Zürcher Kantonalbank Österreich AG weiterhin verhalten. Positive News gibt es zur Arbeitslosigkeit in der Eurozone. Diese war im Mai mit 10,1 % auf dem niedrigsten Stand seit Juli 2011 und soll im Euroraum, schleppend aber doch, weiter sinken. „Die Richtung stimmt, nur das Niveau ist noch zu hoch“, kommentiert Nemeth, der allerdings hinterfragt, inwieweit sich die niedrigere Arbeitslosigkeit positiv auf die Konjunktur der Eurozone auswirkt und hier die EZB gefordert sieht.

Marktausblick von: Christian Nemeth, Zürcher Kantonalbank Österreich AG www.zkb-oe.at