Leistungsbilanzen ade – die Leichen werden still entsorgt

06.10.2014

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Kontrovers diskutiert wird der neue Mindeststandard zur Performancemessung geschlossener Fonds, der an die Stelle der Leistungsbilanz treten soll. Die immer wieder beschworene Transparenz sieht wahrlich anders aus.

„Kernstück jeder Leistungsbilanz ist der sogenannte Soll-Ist-Vergleich. In diesem werden die jeweils durch den Fonds erzielten Ergebnisse, insbesondere deren Ausschüttungen und Einnahmen (Ist) den durch den Verkaufsprospekt prognostizierten Werten (Soll) gegenübergestellt." So informierte noch vor wenigen Jahren vollmundig der VGF Verband Geschlossene Fonds, die Dachorganisation der Anbieter geschlossener Fonds, auf ihrer Webseite. Dieses Kernstück wirft nun der bsi Bundesverband Sachwerte und Investmentvermögen e.V., der Nachfolger des VGF, von Bord – ohne Not, wie die große Schar der Kritiker meint.

Aufgrund des neuen Kapitalanlagegesetzbuchs entwickelte der bsi einen Mindeststandard zum so genannten „Performance-Bericht". Dieser gilt künftig als verbindlicher Mindeststandard für die Vollmitglieder des bsi. Hier wird auf den lange Zeit als vorbildliche Performance-Messlatte propagierten Soll-Ist-Vergleich verzichtet. Die Begründung: Nach dem neuen Recht werden keine detaillierten Ausschüttungsprognosen mehr verlangt, also ist ein Vergleich zwischen prognostizierten und tatsächlichen Ergebnissen obsolet. Nur hat der Gesetzgeber auch früher nie Leistungsbilanzen und einen Soll-Ist-Vergleich verlangt. Die Erstellung einer Leistungsbilanz mit Soll-Ist-Vergleich entstand u. a., um die leistungsfähigen von den weniger leistungsfähigen Anbietern zu unterscheiden. Sogar das hehre Ziel, die schwarzen Schafe auf diese Weise zu eliminieren, wurde mitunter vorgebracht, aber eigentlich nie ernsthaft verfolgt. Die Leistungsbilanzsünder wurden lax behandelt.

Gewiss, die Prognosen, teilweise bis zur zweiten Nachkommastelle, standen oft in der Kritik. Vor einigen Jahren bezeichnete Florian Schoeller, der damalige Chef und heutige Aufsichtsrat der Ratingagentur Scope, die geschlossene Fonds analysierte, die Prognosepraxis in den Prospekten als einen der größten Fehler der Branche. Er meinte damit die Scheingenauigkeit mit der zweiten Nachkommastelle, die zuweilen den Eindruck einer gewissen Zuverlässigkeit erwecken konnte. Diese Scheingenauigkeit kritisierte Schoeller. Gleichwohl sollte es weiterhin Bandbreiten für die Ertragsstärke eines Fonds geben, die auf einer nachvollziehbaren Szenarioanalyse basieren, meint Holger Müller-Brandes, Senior Analyst bei Scope: „Mit dem ersatzlosem Wegfall der Prognoserechnung wird jetzt das Kind mit dem Bade ausgeschüttet." Dieses Bild nutzt auch der Immobilienexperte Werner Rohmert, Herausgeber des Immobilienbriefs. Eric Romba, Geschäftsführer des bsi, betont aber: „Der Gesetzgeber hat bewusst auf die verpflichtende Darstellung von Prognosen verzichtet." Darüber hinaus sei der Performance-Standard ein Mindeststandard. „Wer Soll-Angaben machen kann, kann dann natürlich auch Ist-Angaben gegenüberstellen", fügt er hinzu. Aber wer die menschliche Psyche ein wenig kennt, wird kaum annehmen, dass das viele tun. Bei der Leistungsbilanz haben die Emissionshäuser schon immer gemauert. Die Quote der pünktlich (per 30. September für das vorangegangene Jahr) veröffentlichten Leistungsbilanzen ging ständig zurück – Ende September 2012 waren es gerade einmal 18 von 34-VGF-Mitgliedern. Es ist zu vermuten, dass die meisten bsi-Mitglieder dieser lästigen Pflicht keine Träne nachweinen.

Bei einigen Produkten ist es in der Tat schwer, Prognosen zu machen. Dazu gehören zum Beispiel alle Blind Pool-Konstruktionen, von denen Dietmar Schloz, Fondsmanager der Zweitmarktfonds von asuco befürchtet, dass sie in Zukunft dominieren werden. „Die Initiatoren verkünden schon mit Freude, dass bei Blind Pools keine Prognoserechnungen mehr möglich sind. Und wenn keine Prognoserechnungen vorliegen, gibt es auch keinen Soll-Ist-Vergleich mehr, an dem man die Leistungsfähigkeit der Initiatoren ablesen kann." In der Tat sehen diese Entwicklung einige Initiatoren mit Erleichterung, es gibt aber auch andere Meinungen im Markt: „Wir haben großes Interesse daran, Analysten auch in Zukunft mit belastbarem Material für eine objektive Berichterstattung zu versorgen", so Symon Hardy Godl, Managing Director Deutsche Finance Investment GmbH. „Grundsätzlich halten wir es aus Sicht der Transparenz für erforderlich, Fondsprodukte im Markt über Leistungsbilanzen oder Performanceberichte vergleichbar zu machen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Dachfondskonzepte, wie sie die Deutsche Finance Group anbietet, mit anderen Anlagekonzepten, wie z. B. Single Asset-Strategien, nur schwer vergleichbar sind. Dennoch unterstützen wir jede Initiative, die darauf gerichtet und geeignet ist, über die jeweiligen Fondsprodukte eine ausreichende Transparenz hinsichtlich der Performanceentwicklung herzustellen." Auch Wolfgang Dippold, geschäftsführender Gesellschafter der PROJECT Investment Gruppe, die Anleger an Projektentwicklungen beteiligt, sieht bei seinen Fonds aufgrund der stillen Reserven Schwierigkeiten, einen jährlichen Soll-Ist-Vergleich vorzunehmen. „Unser Haus plant, künftig zusätzliche Informationen über den neuen Standard zur Performancemessung hinaus zu liefern, um die Transparenz für Investoren sicherzustellen."

Die Profis brauchen um die Transparenz wohl nicht zu fürchten. „Uns erschwert der Wegfall der Leistungsbilanz die Arbeit nicht", so Schloz. „Aber die Öffentlichkeit bleibt ausgesperrt." Für Anleger und auch Journalisten bleibe nur die Möglichkeit, die aussagelosen Durchschnittswerte des neuen Performance-Berichts zu nehmen oder die Infos mühselig aus den Jahresberichten zu entnehmen. Sieht so Transparenz aus?

Für den Vermittler stellt sich jedoch die Frage wie er in einem solchen Nebel seine Beratungsempfehlung für Produkt und Emittenten rechtsfest dokumentieren kann und die vollzogene Plausibilitätsprüfung für seine VSH-Versicherung darstellen kann, wenn es denn einmal hart auf hart kommt. Einer der schärfsten Kritiker des neuen Standards zur Performancemessung ist Peter Kastell, Geschäftsführer der Analysefirma FMG Fonds Media. Sein wesentlicher Einwand: Es würden keine Ergebnisse je Fonds dokumentiert. Durch die Portfolio-Angaben könnten einige wenige „Outperformer" wirtschaftlich fehlgeleitete Investitionen quersubventionieren. Vor allem kritisiert er: Die Renditeformel ist allein aus mathematischen Gründen nicht für alle Negativfälle anwendbar. Abgesehen von methodischen Schwierigkeiten bleibt vollkommen offen, ob Fonds „ohne" Rendite überhaupt in der durchschnittlichen Renditenangabe „auftauchen". Theoretisch könnte man Negativrenditen auf die Laufzeit umlegen und so auf den Gesamtdurchschnitt anrechnen. Genau das sieht der Performance-Standard allerdings nicht ausdrücklich vor. „So schafft man sich wahrlich komfortabel die Leichen aus dem Keller", meint Kastell. (lf)

Printausgabe 05/2014