Leere Hoffnungen auf die Lebensversicherung?

17.01.2023

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (li). und Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala (re.) / Fotos: © Kanzlei Fiala

Trotz Bezugsrecht kann im Zweifel jemand ganz anderes Begünstigter werden. „Gott würfelt nicht“ (Albert Einstein). Denn Bezugsrechte sind widerrufbar durch Erben, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und -pfleger. Einen entsprechenden Fall (Urteil vom 12. Oktober 2022, AZ. 8 O 165/22) kürte das Landgericht Frankenthal als „Entscheidung des Monats“.

Dabei ging es um den Wettlauf zwischen Erben und Bezugsberechtigtem – der rechtzeitige Widerruf des Bezugsrechts durch die Erben hatte die vor seinem Tode beabsichtigte Schenkung des Versicherungsnehmers vereitelt. Neben dem Widerruf zur wirtschaftlichen Rückabwicklung, ganz entgegen dem Erblasserwillen, gibt es auch die Möglichkeit für Gläubiger und Nachlass-Insolvenzverwalter, die Anfechtung zu erklären. Dieses Geld ist sodann nicht weg – es bekommt halt nur später ein ganz anderer Empfänger. Versäumt beispielsweise der Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker diesbezüglich tätig zu werden, gerät er unvermittelt in die Haftung auf Kompensation gegenüber dem Erben; zudem werden sich Zweifel ergeben, ob die Eignung für sein Amt gegeben ist.

Wenn am Ende niemand das Geld aus der Lebensversicherung erhält?

Wenn alle Details geheim bleiben, also Erben und Begünstigter von nichts wissen, und sich niemand beim Versicherer meldet, bleibt das Geld einfach dort wo es ist – beim Versicherer. Ähnlich wird die Situation sein, wenn Vermögen z.B. bei Auslandsbanken deponiert sind. Auch Stiftungen, bisweilen nicht nur im Ausland, unternehmen kaum Anstrengungen, etwaige Begünstigungen ungefragt zu erfüllen. Sobald Verjährung eingetreten ist, kann die buchhalterische Ausbuchung derartig lästiger Verbindlichkeiten als sogenannter „außerordentlicher Ertrag“ ordnungsgemäß erfolgen.

Das Risiko für Banken und Versicherer – zweimalige Auszahlung oder Rückforderung?

Auch noch nach Monaten oder Jahren könnten Erben auf die Idee kommen, das an den Begünstigten ausbezahlte Vermögen zurückzuverlangen. Und dies möglicherweise nicht nur vom Geldempfänger, sondern von der auszahlenden Bank oder Versicherung. Rechtsgrund für derartige Überlegungen kann nicht nur ein von Anfang an fehlender Schenkungsvertrag sein, sondern auch die nachträgliche Rechtsgestaltung für eine Rückabwicklung, wie insbesondere Widerruf und Anfechtung.

Der gesetzliche Normalfall einer Schenkung – in der Praxis teilweise selten?

Wenn der Versicherungsnehmer dem widerruflich Bezugsberechtigten die Versicherungsleistung im Todesfall vorab unwiderruflich schenkt und dieser die Schenkung annimmt, dann ist dies kein widerrufliches Bezugsrecht mehr, sondern entspricht letztlich dem unwiderruflichen Bezugsrecht. Allerdings nicht für den Versicherer, solange er davon nichts weis. Wie der Bundesgerichtshof etwa im Urteil des IX. Zivilsenats vom 22. Oktober 2015 (IX ZR 248/14) sagte, „dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das widerrufliche Bezugsrecht zunächst nicht mehr als eine ungesicherte Hoffnung auf den Erwerb eines künftigen Anspruchs, mithin rechtlich ein Nullum ist […] Seine rechtliche Wirkung entfaltet das widerrufliche Bezugsrecht in dem […] Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls (vgl. § 159 Abs. 2 VVG). Bei einer unwiderruflichen Bezeichnung erwirbt der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung sofort (vgl. § 159 Abs. 3 VVG […]).“

Das praktische Problem ist, dass der Versicherer in diesem „gesetzlichen Normalfall“ dem Begünstigten erst mal mitteilen müsste, dass er für den Todesfall beschenkt wurde – vielleicht scheitert dies daran, dass der Versicherer vom Tode des Versicherungsnehmers nichts erfahren hat oder der Begünstige „unbekannt verzogen“ ist. Zudem müsste der Begünstigte reagieren, also die Schenkung als zweiseitigen Vertrag erst mal annehmen bzw. die Leistung des Versicherers erhalten: Bis dahin kann genügend Zeit vergehen – etwa für Anfechtung und Widerruf.

Das Interesse an der Geheimhaltung der Begünstigung vor dem Tode und danach?

Nur wenn die Versicherung auch eine Wette auf als Leben des Begünstigten (als versicherte Person) enthält, muss der Begünstigte zustimmen – also informiert werden. Häufig besteht jedoch ein Interesse, die Einzelheiten jederzeit änderbar als Versicherungsnehmer bzw. Erblasser für sich zu behalten. Vielleicht sollen auch die Erben gar nicht erst erfahren, welche Vermögenswerte übertragen wurden – beispielsweise weil damit Pflichtteilsrechte umgangen werden sollen. Hinzu kommt es, dass der Begünstigte eventuell nicht irgendeinem Richterrecht ausgeliefert werden soll, welches dann dazu führen kann, dass der Weg zum obersten Gericht mit seiner gefestigten Rechtsprechung versperrt werden könnte – nach dem Motto „über mir gibt es nur den weiß blauen Himmel“.

Schutz vor Vermögensverlust und Steuern?

Professionelle Gestalter kennen die Person des „Protektors“ (Beschützer gemeint). So kann der Erblasser eine Stiftung oder eine andere Vertrauensperson zur Kontrolle und Durchsetzung der Vertragsabwicklung von Anfang an einsetzen. Befindet sich das Vermögen unter dessen Kontrolle und im Ausland, kann sich das Steuerregime optimiert darstellen. Passende Gestaltungen, die es bei Banken und Versicherungen nicht von der Stange gibt, nutzen den „postmortalen Freibetrag“, um auch größere Vermögen steuerneutral zu übertragen. Die Kontrollfrage an den Versicherungsnehmer wäre: „Und wer kümmert sich nach dem Ableben denn um Ihr Schließfach, in welchem Sie die Police verwahren?“. Kein Versicherungsvermittler wird auf die Idee kommen, seinen Kunden – also den Versicherungsnehmer - fest durch notarielle Vereinbarungen für die Zukunft allezeit zu binden.

Gastbeitrag von Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz-und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).