Kühler Kopf bleibt gefragt

16.12.2019

Foto: © Simun Ascic - stock.adobe.com

Noch nie ließ sich der Traum vom Eigenheim so günstig finanzieren wie aktuell, was auch Auswirkungen auf die Kreditkonditionen hat. Wegen der aktuellen Situation auf dem Immobilienmarkt sollten Immobilienkäufer aber nichts überstürzen.

„Baufinanzierung zum Nullzins“: So oder ähnlich lauteten Anfang August die Schlagzeilen über ein Angebot der Nordea, die in Dänemark 20-jährige Baufinanzierungen ohne Zinsen anbietet. Zudem wurden die Preisbedingungen so angepasst, dass die Bank für Hypothekendarlehen von bis zu 30 Jahren sogar negative Zinsen aufrufen kann. Einen Schritt weiter ist da schon die Jyske Bank, die zehnjährige Immobilienkredite zu minus 0,5 % Zinsen anbietet. Jedoch müssen Baufinanzierer weiterhin die Bankgebühren bezahlen, völlig zum „Nulltarif“ ist dieses Angebot also nicht. Auch hierzulande sind Baufinanzierungen historisch günstig. So lagen laut dem Baufinanzierungsvermittler Interhyp die Zinsen für zehnjährige Darlehen oft unter 1 %, bei Bestandsanbietern sogar unter 0,5 %. Angesichts der aller Wahrscheinlichkeit weitergehenden Nullzinspolitik der EZB ist wohl in Zukunft eher mit einem weiteren Absinken als mit einem Anstieg der Zinsen zu rechnen und wer weiß, wann die erste deutsche Bank Baufinanzierungen zum (vermeintlichen) Nulltarif anbietet. Trotz dieser paradiesischen Aussichten mahnt Thomas Hein Immobilieninteressenten zur Besonnenheit. „Grundsätzlich gilt: Jemand, der eine Immobilie erwerben will, sollte sich nicht von den anhaltenden Niedrigzinsen blenden lassen. Diese werden meist durch einen höheren Kauf- bzw. Baupreis nivelliert“, gibt der Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung der ING zu bedenken. So geht aus einer Untersuchung der FMH Finanzberatung hervor, dass der durchschnittliche Quadratmeterpreis, den Immobilienkäufer bezahlen müssen, seit 2014 von 2.105 Euro auf inzwischen über 3.000 Euro angestiegen ist.

Mehr Kapital wird benötigt

Durch die höheren Quadratmeterpreise müssen Immobilieninteressenten auch immer höhere Kredite aufnehmen. So ist laut Dr. Klein Trendindikator Baufinanzierung zwischen Mai 2014 und September 2019 die durchschnittliche Darlehenshöhe um 100.000 Euro auf 259.000 Euro gestiegen, seit September 2018 betrug der Anstieg 31.000 Euro. Zudem liegt die durchschnittliche Darlehenshöhe seit Juni 2019 konstant über der Marke von 250.000 Euro. Zugleich macht die Untersuchung auch deutlich, dass die Immobilieninteressenten sich die Zinsen für einen immer längeren Zeitraum sichern: So betrug im September 2019 die durchschnittliche Sollzinsbindung 14,2 Jahre und damit 0,2 Jahre mehr als im Vorjahr. Sie ist auch deutlich länger als im Mai 2014, als der Wert bei 11 Jahren und 4 Monaten lag. Bei der Immobilienfinanzierung ist zudem die Bedeutung des Eigenkapitals zurückgegangen: Lag der Beleihungsauflauf im Mai 2014 noch bei knapp 78 %, erreichte dieser im September 2019 84,47 %. Somit bringen Immobilienfinanzierer im Schnitt weniger als die häufig empfohlenen 20 % Eigenkapital mit. Dass die höheren Darlehenssummen eine große Belastung für die Immobilienkäufer darstellt, macht eine Untersuchung der ING deutlich: In dieser gaben 14 % aller Immobilieneigentümer an, dass sie Probleme beim Bezahlen ihrer Hypothek hätten. Bei der Diskussion um die immer weiter steigenden Immobilienpreise wird gern vergessen, dass diese nur bestimmte Regionen betreffen. So gibt es laut Postbank-Wohnatlas gerade in der Mitte Deutschlands zahlreiche Regionen, in denen die Quadratmeterpreise unter 2.000 Euro liegen. Ganz anders natürlich die Situation in den A-Städten, wo die Quadratmetpreise zum Teil deutlich jenseits der 4.000 Euro-Marke liegen. Doch auch innerhalb der teuersten Regionen gibt es deutliche Unterschiede bei den Immobilienpreisen. So sind z. B. im Norden Münchens Immobilien für weniger als 5.500 Euro/m² zu bekommen, während in den teuersten Lagen in der Innenstadt mehr als 8.500/m2 Euro fällig werden. Diese Tatsache sollten Baufinanzierer berücksichtigen, rät Thomas Hein, der darauf verweist, dass die Lage einer Immobilie eine entscheidende Rolle beim Preis und damit auch für das benötigte Kapital spielt. „Die muss nicht A oder B und damit teuer sein. Ein Blick in die Randlagen lohnt immer, wenn die Infrastruktur passt.“

Individuelle Betrachtung wichtig

Daneben komme auch der Ausstattung und der Nutzung des Objektes eine entscheidende Rolle zu. „Aufzug, Einkaufsmöglichkeiten, Kinderbetreuung – all das macht ein Objekt gefragt. Aber auch die Nachhaltigkeit einer Immobilie zählt. Ist sie an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen, ist und bleibt die Nachfrage hoch“, so der Baufinanzierungsexperte, der Immobilieninteressen in der aktuellen Situation deshalb eine individuelle, auf die persönliche Lebenssituation abgestimmte Beratung empfiehlt. (ahu)