Kubicki im finanzwelt-Interview: „Kein Gnadenakt“

04.05.2020

Wolfgang Kubicki / Foto: © FDP

Die Politik muss entscheiden – nicht die Virologen. Das fordert FDP-Vize Wolfgang Kubicki im finanzwelt-Interview zur Corona-Lockerungsdebatte. Außerdem spricht der Bundestagsvizepräsident über die Wahrscheinlichkeit einer Hyperinflation, den Zustand unseres Rechtsstaates und die drohende BaFin-Aufsicht über Finanzanlagenvermittler.

finanzwelt: Welchen Ablauf können wir beim schrittweisen Hochfahren der Wirtschaft realistisch erwarten? Können Sie sich im September und Oktober schon wieder B2B Finanzmessen vorstellen?

Kubicki: Ich kann das Infektionsgeschehen nicht prognostizieren. Aber für sehr wahrscheinlich halte ich größere Veranstaltungen in diesem Jahr nicht. Erst wenn es einen geeigneten Impfstoff gibt, werden wir wieder in Richtung unserer „alten“ Normalität zurückgehen können. Zuerst müssen alle Geschäfte, Restaurants und Hotels geöffnet werden, bei denen das Abstandsgebot und die Hygieneregeln eingehalten werden. Vermutlich müssen wir in einigen touristischen Regionen eine Kapazitätsobergrenze setzen, um dafür zu sorgen, dass sogenannte „Rudelbildungen“ an den hochfrequentierten Promenaden und touristischen Wegen entstehen. Wir werden uns an den Normalzustand herantasten müssen. Die vollständige Aufhebung der Beschränkungen ist ein verfassungsrechtliches Gebot, kein Gnadenakt.

finanzwelt: Sie sind Rechtsanwalt und Bundestagsabgeordneter. Wie beurteilen Sie den Zustand unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates im aktuellen Krisenmodus? Wird die massive Einschränkung von Grundrechten ausreichend und regelmäßig genug dem Volk gegenüber begründet?

Kubicki: Die Begründungsnotwendigkeit steigt definitiv, ja. Nicht die Aufhebung der grundrechtseinschränkenden Maßnahmen bedarf der Begründung, sondern deren Aufrechterhaltung. Wir erleben mittlerweile, dass die zuständigen Gerichte immer weniger Geduld mit der Exekutive haben. Und es werden ja auch Grundrechtseinschränkungen durch Verwaltungsgerichte gekippt, weil die Maßnahmen überzogen bzw. nicht vernünftig begründet waren. Im Großen und Ganzen ist es gut, dass die Gerichte zeigen, dass der Rechtsstaat funktioniert. Es würde aber die Akzeptanz der Einschränkungen um ein Vielfaches erhöhen, wenn die Landesregierungen schlüssig und nachvollziehbar erklären würden, warum gerade diese Eingriffe nötig sind. Das ist im Übrigen deren verfassungsrechtliche Pflicht.

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