Karten neu gemischt

12.10.2015

Private Krankenvollversicherungen verkaufen sich längst nicht mehr so gut wie früher. Eigentlich unverständlich, denn die Branche hat ihre Hausaufgaben erledigt.

Trotz Niedrigzinsphase sind exorbitante Beitragserhöhungen nicht in Sicht, und auch an anderen wiederholt vorgetragenen Punkten beißen sich Kritiker die Zähne aus. Eine Bestandsaufnahme.

Nicht nur die Lebensversicherer, auch die privaten Krankenversicherer müssen mit der Niedrigzinsphase klarkommen. Doch bislang halten sich die Folgen für die Versicherten in Grenzen. Im Branchenschnitt wurde 2014 noch immer eine Nettoverzinsung von etwa 4 % erwirtschaftet. Dennoch kommen von Kritikern starke Töne. Der Bund der Versicherten beispielsweise rechnet mit zwei großen Wellen von Beitragserhöhungen – Ende 2015 und Ende 2016. Die Ursache liege darin, dass viele Unternehmen beim Rechnungszins nur noch eine Zwei vor dem Komma hätten.

Müssen Kunden – und Makler – in der Vollversicherung und in der Pflegeversicherung tatsächlich mit derartigen Schüben rechnen?

Tatsache ist: Je länger die Niedrigzinsphase andauert, desto schwieriger wird es für die Unternehmen, den in den meisten Bestandstarifen einkalkulierten Rechnungszins von 3,5 % zu erreichen. In diesem Fall müssten sie die niedrigeren Zinseinnahmen bei der nächsten Beitragsanpassung mit einkalkulieren. Allerdings stehen den Unternehmen derzeit sehr hohe Reserven in ihrer Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) zur Verfügung. Damit lassen sich Beitragssteigerungen abfedern. Ein anderer Aspekt sind die Gesundheitsausgaben. Im vergangenen Jahr sind die Aufwendungen der PKV hierfür nur moderat angestiegen. In den Vorjahren lag der Anstieg noch höher als die allgemeine Inflation. Steigende Gesundheitskosten durch die Alterung unserer Gesellschaft betreffen allerdings die GKV und die PKV in gleichem Maß, wobei die PKV mit ihren kapitalgedeckten Alterungsrückstellungen weitaus besser darauf vorbereitet ist. Dennoch muss auch sie ihre Hausaufgaben erledigen. Dazu zählt das Bemühen um angemessene Preise bei den Wahlleistungs- Verträgen mit den Krankenhäusern ebenso wie in den aktuellen Verhandlungen über die neue Gebührenordnung für Ärzte.

Es keimt immer mal wieder das Gerücht auf, einzelne PKV-Unternehmen könnten in schwieriges Fahrwasser geraten.

Doch dafür gibt es in der Realität keinerlei Anhaltspunkte. Es darf zwar nicht verschwiegen werden, dass die Niedrigzinsphase zu höheren Beiträgen für die Versicherten führen kann. Jedoch bietet die Branche beispielsweise mit dem neuen Tarifwechselleitfaden einen Service an, der über die gesetzlichen Ansprüche hinausgeht. Mit ihm können sich die Kunden umfassend über möglicherweise preisgünstigere Tarife ihres Unternehmens informieren. Hilfe bietet aber auch der Notlagentarif. Die Zahl der Versicherten ist darin zwar 2014 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Verglichen mit den 144.000 Nichtzahlern, die es vor der Einführung des Notlagentarifes gab, sind es aber immer noch rund 20 % weniger. Dieser Tarif versetzt die Betroffenen in schwierigen Lebenslagen durch die zeitweilige Beitragsminderung in die Situation, wieder regelmäßig zu zahlen und dann in ihre Alttarife zurückkehren zu können.

Die Gespenster Tarifwechsel nach § 204 Versicherungsvertrags- gesetz und Bürgerversicherung.

Der Tarifwechsel werde von einigen Unternehmen immer wieder behindert. Der PKV-Verband weist dies zurück. Insgesamt setzten die Unternehmen die Vorgaben nach § 204 VVG pflichtgemäß um. Das sehe übrigens auch die Aufsichtsbehörde BaFin so. Sie habe nur „gelegentlich“ Beeinträchtigungen festgestellt und nur in einem einzigen Fall ein förmliches Verfahren eingeleitet. Bleibt das Gespenst der Bürgerversicherung, das sich nur bis zur kommenden Bundestagswahl von der öffentlichen Bühne verabschiedet haben könnte. Deren Verfechter waren damit im letzten Wahlkampf erfolglos. Wenn sie das Thema trotzdem wieder bringen sollten, sehen sich die privaten Krankenversicherer darauf jedoch gut vorbereitet.

Politik mischt wieder mit.

Wie schon bei der letzten Bundestagswahl werde sich am Ende solcher Debatten zeigen, wie wichtig die Existenz der PKV für alle Versicherten in Deutschland sei. Sie alleine garantiere die Nachhaltigkeit der Finanzierung des Gesundheitswesens, den Erhalt der Versorgungsqualität und medizinische Innovationen. Und tatsächlich zeigt ein Blick ins Ausland: Einheitssysteme schneiden im Vergleich mit dem deutschen dualen System sehr viel schlechter ab. Wartezeiten bis zu sechs Monaten auf Arzt- und Operationstermine, ein eingeschränkter Zugang zu Ärzten und massiv begrenzte Leistungen gehören dort zum Alltag. Natürlich sollten Makler die Sorgen ihrer Kunden ernst nehmen, wenn es um den Abschluss einer privaten Vollversicherung geht. Jedoch wäre ein Eingriff in bestehende Versicherungsverträge selbst im fiktiven Fall einer Bürgerversicherung rechtlich gar nicht möglich. Entscheidend ist immer der eigene Vertrag, deshalb kommt es vor allem auf die umfassende Beratung über alle Aspekte der individuellen Tarifauswahl an – denn die genießt dann lebenslangen Bestandsschutz. (hwt)

finanzwelt 05/2015