Investitionen geben Lebenszeichen

09.06.2016

Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe

KfW-Konjunkturkompass: Die Eurozone im Jahr 2016 gut aus den Startblöcken gekommen und hat mit einem kräftigen, von der Binnennachfrage getragenen Wachstum von 0,6 Prozent im ersten Quartal überrascht. Neben dem Konsum leisten die Investitionen einen ordentlichen Wachstumsbeitrag.

(fw/rm) Offenbar haben die Sorgen um die Konjunktur in den Schwellenländern und um einige europäische Banken im Gegensatz zu den Finanzmärkten weder Verbraucher noch Investoren wesentlich beeindruckt. Grund zur Euphorie besteht allerdings nicht, die fundamentale Wachstumsdynamik dürfte schwächer sein, als der gute Jahresbeginn signalisiert. KfW Research bestätigt daher die bisherigen Wachstumsprognosen für die Eurozone und erwartet für 2016 ein Plus von 1,6 Prozent und für 2017 von 1,8 Prozent. Insbesondere im zweiten Quartal 2016 ist eine deutliche Verlangsamung des Wachstumstempos zu erwarten, bevor es in der zweiten Jahreshälfte wieder anzieht: Zum einen überzeichnet die milde Witterung im zurückliegenden Winter die wirtschaftliche Aktivität, vor allem im Bausektor. Zum anderen war nach einem starken Januar die Industrieproduktion in der Eurozone zweimal in Folge deutlich rückläufig - eine Hypothek für den Start in das neue Quartal. Auch das britische Referendum zum Brexit und die Neuwahlen in Spanien im Juni sorgen erneut für verstärkte, politisch bedingte Unsicherheit. "Um die Erholung der Eurozone auf ein tragfähiges Fundament zu stellen, muss die seit der Finanzmarktkrise andauernde Investitionszurückhaltung ein Ende finden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich nun im zweiten Quartal in Folge etwas kräftigere Investitionszuwächse beobachten lassen (+0,8 Prozent)", sagt Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe. "Die Bruttoanlageinvestitionen kommen noch immer nicht über das Niveau von Ende 2010 hinaus, aber die Chancen für eine Fortsetzung der dringlichen Erweiterung und Erneuerung des Kapitalstocks sind für die Unternehmen dank des günstigen Finanzierungsumfelds und konjunktureller Aufhellung grundsätzlich gut." Positiv weiterentwickelt hat sich jüngst die Konvergenz unter den Mitgliedsstaaten der Eurozone, was für die mittelfristige Stabilität des gemeinsamen Währungsraums von entscheidender Bedeutung ist. Die vier großen Euroländer Deutschland (+0,7 Prozent), Frankreich (+0,6 Prozent), Spanien (+0,8 Prozent) und Italien (+0,3 Prozent) hielten alle oder beschleunigten ihr Wachstumstempo. In allen vier Ländern nahm auch die Investitionstätigkeit zu. Es gibt jedoch Warnzeichen, dass die wirtschaftliche Entwicklung erneut auseinander laufen könnte. Das zeigt ein Blick auf die jüngsten Daten der EZB zur Entwicklung der Kredite an nicht-finanzielle Kapitalgesellschaften. Während in Frankreich (+4,5 Prozent gg. Vorjahr) und Deutschland (+3,5 Prozent) die Kreditbestände an die größeren Unternehmen wachsen, gerät die Erholung an den Kreditmärkten in Spanien (-1,5 Prozent) und Italien (-1,9 Prozent) ins Stocken. Sollten sich diese Tendenzen verfestigen, werden die Herausforderungen für die einheitliche Geldpolitik weiter wachsen. "Das kurzfristig größte Konjunkturrisiko ist ein Brexit. Sollten die Briten für den Austritt aus der Europäischen Union stimmen, würde das die Erholung in der Eurozone empfindlich belasten", so Zeuner. Auch der Umgang mit wirtschaftlichen und politischen Krisen bleibe ein Abwärtsrisiko für die Eurozone: Während die Kriseneindämmung funktioniere, komme es in der Regel nicht zu einer grundsätzlichen Bewältigung. "Für so unterschiedliche Sachverhalte wie die griechische Schuldenkrise, die Flüchtlingsmigration und die hohen Volumina notleidender Kredite in Teilen des europäischen Bankensystems gilt: Keines dieser Probleme ist abschließend gelöst worden. Damit bilden sie jedoch latente Risiken, die einerseits die Wirtschaftsaktivität durch Unsicherheit bremsen und andererseits die Konjunktur maßgeblich beeinträchtigen können, sollten sie akut werden." www.kfw.de