Immobilienkredite doppelt so hoch wie vor 10 Jahren

10.03.2022

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Die Preise für Wohnimmobilien steigen. Dementsprechend steigen auch die Darlehen. Eine Analyse des Kreditvermittlers Dr. Klein Privatkunden AG zeigt: Im Durchschnitt leihen sich Bauherren und Käufer heutzutage rund doppelt so viel Geld von der Bank wie noch vor zehn Jahren. Dabei gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern.

Bundesweit verdoppelte sich die Darlehenssumme für Wohnimmobilien 2021 im Zehn-Jahres-Vergleich von Dr. Klein auf 388.220 Euro. Im Vergleich zum vorherigen Jahr entspricht das einem Anstieg von knapp 9 % (8,9 %). Besonders in Schleswig-Holstein stiegen die Darlehenshöhen überdurchschnittlich mit fast 14 % (13,7 %). Laut Oliver Arp, Spezialist für Baufinanzierung von Dr. Klein in Kiel, verteuern sich vor allem Immobilien auf dem Land: „Viele Städter, unter anderem aus Hamburg, müssen nicht mehr so häufig ins Büro pendeln und entscheiden sich für ein Haus auf dem Land. Auch als Urlaubsregion gewinnt Schleswig-Holstein an Attraktivität, und so nehmen die Investitionen in Ferienimmobilien zu. Die Folge der größeren Nachfrage sind steigende Preise. Und die nehmen wir ganz deutlich wahr.“

Ähnliches gilt auch für Brandenburg, der Trend „Raus aus der Stadt“ belebt auch hier die früher eher ruhigen ländlichen Immobilienmärkte. Die Darlehenssumme stieg 2021 dementsprechend um über 12,5 % (12,52 %) an. „Wohneigentum in Berlin ist wirklich teuer geworden“, meint Gerda-Maria Kliche, Spezialistin für Baufinanzierung von Dr. Klein in Oranienburg-Neuruppin. „Für dasselbe Geld bekommt man im Brandenburgischen wesentlich mehr Platz, weniger Nachbarn und eine schönere Umgebung. Diese Erkenntnis hat sich spätestens während der Pandemie herumgesprochen und gerade junge Familien werden im Umland von Berlin sesshaft.“

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© Dr. Klein Privatkunden AG[/caption]

Tabelle: Durchschnittliche Darlehenshöhe bei der Erstfinanzierungen von Immobilien in Deutschland

Entwicklungen in weiteren Bundesländern

Bei der Betrachtung der Dynamik der Steigerungen liegt Hamburg mit einer Zunahme von 6,3 % im unteren Viertel der Bundesländer. Schaut man aber auf die absolute Kredithöhe, belegt die Hansestadt die Spitzenposition. Mehr als eine halbe Million Euro (524.520 Euro) nehmen Käufer für ihre Wohnimmobilie hier als Kredit auf. Frank Lösche, Spezialist für Baufinanzierung in Hamburg, wundert das nicht: „Die Darlehenssummen sind schon seit Jahren sehr, sehr hoch. Und sie werden es bleiben: Selbst in hundert Jahren zieht die Stadt mehr Menschen an, als Wohnraum zur Verfügung steht. Auch in weniger zentralen Vierteln werden mittlerweile irrwitzige Preise gezahlt. Immobilienkäufer brauchen daher hohe Kreditsummen – sofern sie nicht das Glück haben, reich zu erben.“

Bedeuten höhere Kredite auch eine höhere Gefahr der Überschuldung?

Zuletzt bremste die BaFin selbst Banken mit höheren Eigenkapitalanforderungen bei der Vergabe von Immobiliendarlehen. Bedeuten die höheren Darlehenssummen aber auch wirklich eine Gefahr der Überschuldung und höhere Risiken bei der Kreditvergabe? Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, erklärt, er könne nicht beobachten, dass die Institute leichtfertig Kredite vergeben. „Banken sind an vielen Dingen interessiert – dass sie auf den Immobilienkrediten sitzen bleiben, die sich ihre Kunden auf Dauer nicht mehr leisten können, gehört definitiv nicht dazu.“ Kreditinstitute prüfen seiner Meinung nach sowohl das zu finanzierende Objekt als auch die potenziellen Kreditnehmer ausgesprochen konservativ. Seitens der Kunden spreche zudem die Darlehensstruktur für eine hohe Sicherheitsorientierung. „Kreditnehmer leisten sich lange Zinsbindungen und hohe Tilgungen. Auch ihr nach wie vor hoher Eigenkapitaleinsatz spricht nicht für windige und riskante Investitionen“, meint Neumann weiter.

Je höher der Kredit, umso mehr Umsicht ist geboten

Dieser Grundsatz gilt dennoch. Gerade in Zeiten, in denen Preise häufig nach oben verhandelt werden, ist ein kühler Kopf gefragt. „Käufer sollten sich eine Maximalgrenze setzen, um sich im Bierwettstreit nicht zu übernehmen“, warnt Michael Neumann. Als maximale Monatsrate empfiehlt er 30 bis maximal 40 % des Haushaltsnettoeinkommens. „Das ist ein grober Richtwert, im Einzelfall kann sich diese Grenze verschieben.“ Ein weiterer elementarer Faktor liegt zudem auch im Eigenkapital. „Wer nichts einbringen kann, hat mittlerweile schlechte Chancen auf ein Darlehen – das gilt sogar für Finanzierungswillige mit einer guten Bonität“, beobachtet Neumann. Besonders junge Menschen haben oft keine Möglichkeit, entsprechende Beträge anzusparen, für sie gilt: alternative Wege ausloten. (lb)