Immobilieninvestments in Zeiten von Corona

30.06.2020

David Neuhoff / © Linus Capital

Der Ausbruch der globalen Corona-Pandemie hat in nahezu jedem Lebensbereich spürbare Auswirkungen hinterlassen. Dass dies auch den Immobilienmarkt und die Stimmung unter Investoren und Projektentwicklern beeinflusst, ist nicht überraschend. Der Markt zeigt sich bisher zwar in vielen Bereichen sehr robust - aber es kommen auch große Herausforderungen auf die zuletzt erfolgsverwöhnte Branche zu.

 Wie alle Investmentmärkte ist auch der Immobilienmarkt der gesamtwirtschaftlichen Stimmung und der Konjunktur unterworfen. Verglichen mit den massiven Kursschwankungen an der Börse verhält sich der Immobilienmarkt bisher allerdings recht robust. Jedoch kam es hier zu zahlreichen Mietstundungen sowie Transaktionsabbrüchen und Finanzierungsabsagen. Der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex (DIFI) erreichte im 2. Quartal 2020 einen neuen Tiefstand, da die Einschätzungen zur Finanzierungssituation der vergangenen sechs Monate deutlich zurückgegangen sind. Gleichzeitig ist die Erwartung für das kommende Halbjahr eher pessimistisch, was im Ergebnis das dunkelste Gesamtbild seit Ersterhebung in 2011 ergibt. Diese Entwicklung ist jedoch nicht mit einer Liquiditätskrise gleichzusetzen, denn solides Produkt ist bei den Banken immer noch begehrt und wird, wenn auch zu einem niedrigeren Beleihungsauslauf, zu höheren Preisen finanziert. Noch mehr als in den Boom-Jahren zuvor ist allerdings im jetzigen Umfeld eine vorsichtige Betrachtung potentieller Investments und des Portfolios geboten. Zu berücksichtigen sind hier besonders die starken Unterschiede zwischen den Auswirkungen auf die verschiedenen Nutzungsarten.

Eine neue Analyse von Immobilienscout zeigt, dass Angebot und Nachfrage nach Mietwohnungen ungebrochen sind. Kaufpreise sind bisher ebenfalls stabil geblieben, sogar mit leichten Anstiegen wird gerechnet. Auch in den von uns finanzierten Berliner Eigentumswohnungsbauprojekten zeigt sich der Vertrieb überwiegend unbeeindruckt und es hat zahlreiche Reservierungen und Beurkundungen in den Monaten April und Mai gegeben. Nichtsdestotrotz bleibt das grundsätzliche Risiko einer langanhaltenden Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Kaufkraft bestehen. Dies würde sich auch auf die Wohnungsmieten und Kaufpreise auswirken. Insgesamt sieht der Sektor die Herausforderungen bei Wohnimmobilien aber gerade weniger in den Auswirkungen der Corona-Pandemie, als im politischen und regulatorischen Bereich. Prominenteste Beispiel ist hier der Berliner Mietendeckel, der aktuell zur Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht liegt.

Gewerbeimmobilien stehen demgegenüber durch die weitreichenden Laden- und Hotelschließungen sowie dem Homeoffice-Trend vor größeren Corona-bedingten Herausforderungen. Auch hier muss man aber genau zwischen den verschiedenen Nutzungsarten differenzieren. Klar ist, dass der Einzelhandel, die Hotellerie und die Gastronomie am stärksten betroffen sind. Neben vielen kleinen Geschäften und Restaurants vermelden nun auch große Unternehmen wie Zara und Galeria Kaufhof dauerhafte Filial-Schließungen.

Auch die Hotelbranche – und somit der Hotelinvestmentmarkt – sind offensichtlich stark betroffen. Viele Banken finanzieren derzeit keine Hotelankäufe und -bauprojekte. Im Investmentmarkt kam es vermehrt zu Transaktionsabbrüchen. Mut macht ein Vergleich mit der Finanzkrise von 2008: Damals hat der Hotelmarkt eine schnelle Erholung erfahren. Ändert sich das berufliche und private Reiseverhalten kurzfristig wieder, scheint dies auch in dieser vor Corona bei vielen Immobilieninvestoren sehr beliebten Assetklasse möglich.

Während die Renditeerwartungen der Investoren aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes auf einem stabil niedrigen Niveau bleiben sollten, könnte es bei den Büromieten zu einer Preiskorrektur nach unten kommen. Der teils rasante Anstieg bei den Büromieten war getrieben von einer mehr als zehnjährigen Boomphase mit enormen Unternehmensexpansionen und -neugründungen sowie sehr niedrigen Leerstandsquoten in Wirtschaftszentren. Im ersten Quartal 2020 lag diese in Berlin bei nur 1,2 %. Nun aber überdenken große Unternehmen ihren Büroflächenbedarf. So sprach beispielsweise Vodafone-CEO Hannes Ametsreiter zuletzt davon, dass bis zu 80% der Mitarbeiter des Unternehmens zukünftig die Möglichkeit haben sollen, mobil zu arbeiten. Derzeit seien es nur rund 50% der Belegschaft.

Auch viele unserer Partner berichten, dass die Vermietung der Büroflächen in ihren Objekten derzeit eher schleppend verläuft. Wir registrieren ein reduziertes Interesse, insbesondere bei hochwertigen Flächen und Angebotsmieten von 20 EUR oder mehr pro qm. Bei Flächen im unteren und mittleren Preissegment, also zum Beispiel in Berlin bei 15 bis 20 EUR pro qm, konnten wir in den von uns finanzierten Projekten auch in den Monaten nach dem Ausbruch der Pandemie Vermietungserfolge beobachten. Jedoch rechnen sich viele der laufende Neubauprojekte in den Top-7-Städten erst ab deutlich höheren Büromieten.

Weiterhin bleibt abzuwarten, ob es ab Oktober, wenn die Insolvenzantragspflicht nicht mehr ausgesetzt ist, zu einer Insolvenzwelle kommt - und dadurch in großem Umfang Büroflächen auf den Markt kommen werden. Die großen Maklerhäuser bleiben im Hinblick auf die Miethöhen aber verhalten optimistisch, da es nach wie vor nur wenige große, zusammenhängende Flächen in den Innenstädten der Ballungszentren gibt. Und bei den meisten Neubauprojekten sind große Teile der Flächen bereits vorvermietet. Einige Marktteilnehmer erwarten jedoch einen Anstieg der Leerstandsquoten von bis zu zwei Prozentpunkten und ein Sinken der Büromieten um bis zu 20%. Bis sich die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise besser bewerten lassen, ist bei der Bewertung von Büroinvestments, insbesondere hinsichtlich der erzielbaren Mieten, sicherlich besondere Vorsicht geboten.

Bei den Gewerbeimmobilien gibt es durchaus auch Nutzungsarten, die Profiteure der Auswirkungen der Pandemie sein könnten: Die Nachfrage nach Logistikimmobilien, aber auch nach Kitas, sind gute Beispiele dafür. Für das Preisniveau aller Nutzungsarten wird das Verhalten der Banken eine entscheidende Rolle spielen. Niedrige Zinsen und hohe Beleihungsausläufe waren in den letzten Jahren Preistreiber. Seit Ausbruch der Pandemie gibt es deutliche Zurückhaltung bei vielen Banken. Es stellt sich die Frage, ob sich hier eine Trendwende abzeichnet. Spekulative Immobilieninvestments, auch in den Top-7-Städten, werden derzeit restriktiver bewertet. Zudem verlängern sich häufig die (ohnehin bereits oft langen) Bearbeitungszeiträume bis zur Kreditauszahlung.

Beim Ankauf von Core-Immobilien ist dies weniger problematisch. Die Käufer sind hier häufig institutionelle Investoren wie Fonds oder Versicherungen, die über viel Eigenkapital verfügen und auch aus regulatorischen Gründen niedriger finanzieren. Beleihungsausläufe von 50% oder weniger sind hier keine Seltenheit.

Bei „Value-Add“-Projekten mit niedriger Kapitaldienstfähigkeit, sowie bei Neubauprojekten ist dies anders. Investoren und Projektentwickler haben über Jahre mit Beleihungsausläufen von 80% oder mehr der Gesamtinvestitionskosten finanziert. Gäben sich die Banken hier von nun an deutlich restriktiver würde dies viele Marktteilnehmer vor große Herausforderungen stellen, da sie häufig nicht über das notwendige Eigenkapital verfügen, um die Finanzierungslücken zu schließen. Umgekehrt bieten solche Lücken natürlich Chancen für Finanzierer außerhalb des Bankensektors, etwa Private Debt Investoren. Diese veranschlagen aber häufig deutlich höhere Zinsen als klassische Banken.

Bleiben die Banken längerfristig restriktiv bei den Kredithöhen, könnte dies perspektivisch dazu führen, dass die im historischen Mittel zuletzt sehr hohen Grundstückskaufpreise wieder sinken, da sich die Projekte angesichts der hoher Bau- und Finanzierungskosten für die Projektentwickler sonst nicht mehr rentieren. Da Refinanzierung laufender Projekte dann ebenfalls betroffen sind, ist davon auszugehen, dass auch einigen hochfinanzierten Projekten Insolvenzen drohen.

Fazit: Die Immobilienmärkte waren bisher in weiten Teilen weniger stark von Corona-Krise betroffen als andere Wirtschaftssektoren. Aber auch Immobilien sind abhängig von einer erfolgreichen und nachhaltigen Bekämpfung der Pandemie, wie sie etwas ein Impfstoff herbeiführen könnte, und einer schnellen Erholung der Wirtschaft. Die vielen Herausforderungen gebieten ein vorsichtiges und umsichtiges Handeln bei neuen Investments, aber es bieten sich für Investoren nun auch wieder deutlich mehr Chancen attraktive Renditen zu erzielen.

Autor: David Neuhoff, Gründer und Geschäftsführer der Berliner Investmentgesellschaft Linus Capital