Hyper, Hyper!

14.04.2016

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Der Medienrummel um Insurtechs ist enorm. Vielfach wird von einer Umwälzung des Versicherungsmarktes gesprochen, die Makler in einen Abwärtsstrudel ziehen könnte.

Hinzu kommt, dass auch Versicherungsgesellschaften längst mit einigen der neuen Player kooperieren. In der Tat ist der Boden für Startups bereitet – dafür mangelt es aber an anderer Stelle. Privatkunden von Versicherungen oder Banken in Deutschland sind Feuer und Flamme für innovative digitale Versicherungsangebote. Diese werden besonders von Insurtechs beziehungsweise FinTechs forciert. Einer aktuellen Studie (YouGov-FinTech-Tracker) des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge gehen gerade unter den jüngeren Bundesbürgern im Alter zwischen 18 und 29 Jahre mehr als drei Viertel (77 %) davon aus, dass Verbraucher von der Entwicklung digitaler Lösungen für Finanz- und Versicherungsprodukte profitieren können. Unter allen Befragten sind es zwei Drittel (66 %). Darüber hinaus weckt das erweiterte digitale Angebot von Finanzdienstleistern bei jedem zweiten Deutschen (49 %) zumindest Neugierde. Wobei auch hier die Jüngeren mit 59 % vorne liegen.

Steigende Onlineaffinität.

Laut YouGov steht es um die Marktchancen der Startups nicht schlecht – zumindest was deren Marktpräsenz betrifft. Schließlich gehen immer mehr Kunden vor dem Abschluss einer Versicherung auch ins Internet, um sich über Absicherungsmöglichkeiten und die dafür in Frage kommenden Anbieter zu informieren. Vor diesem Hintergrund treiben letztlich auch die etablierten Versicherungsgesellschaften ihre Digitalisierungsstrategie voran und ermöglichen – sehr zum Missfallen vieler Makler – Policenabschlüsse direkt im Netz. Das onlineaffine Kundenpotenzial ist enorm. Laut Kundenmonitor e-Assekuranz 2015 der Marktforscher nach akzeptiert bereits mehr als jeder zweite bis 30-Jährige den Vertragsabschluss ohne persönliche Beratung oder Betreuung. 44 % hatten sich demzufolge in den zwölf Monaten zuvor zumindest mal im Internet informiert. Eine weitere Zahl muss den Vertrieb geradezu aufschrecken: Denn am höchsten ist die Abschlussbereitschaft bei den 30- bis 44-Jährigen, die auch zu einem hohen Anteil ihre Produktsuche im Internet beginnen.

Noch zu heiß gekocht.

Rein internetbasierte Unternehmen also als echte Bedrohung für den Maklermarkt? Wenn es nach BCA-Vorstand Oliver Lang geht, kaum: „Bei 90 % der FinTechs löst der Kunde per Knopfdruck eigentlich nur einen Maklerauftrag aus.“ Und Sascha Noack, Kompetenzfeldleiter Vertriebsmanagement bei den Versicherungsforen Leipzig, geht in seiner Analyse noch einen Schritt weiter: „Bei nüchterner Betrachtung erkennt man durchaus nachhaltige Geschäftsideen, aber auch viel Idealismus und Nachahmer mit begrenzter Fantasie.“ Zumindest in Bezug auf den Wiedererkennungswert der Startups mag sich der eine oder andere Vermittler noch beruhigt zurücklehnen. Denn laut YouGov befindet sich der Bekanntheitsgrad der untersuchten reinen Insurtech-Marken noch auf einem geringen Niveau und geht nicht über den eines Spezialversicherers hinaus. Nur vier Firmen kommen auf 5 oder mehr Prozent: Finanzchef24, Friendsurance, Knip und Onlineversicherung.de. AppSichern, Asuro, Clark, feelix, FinanceFox, Get-Safe, massUp, mobilversichert, Passt24, Schutzclick, Simplr, TED Versicherung, Treefin und Vertragium seien noch unbekannter. Möglicherweise hat das aber auch einen ganz einfachen Grund, wie Dr. Oliver Gaedeke, Vorstand und Leiter der Finanzmarktforschung bei YouGov, erklärt: „Die Wahl eines deutschen Markennamens mit Bezug zu Versicherung ist unerlässlich. Nicht nur um die Bekanntheit schneller zu steigern, sondern auch um den wichtigen Erfolgstreiber ‚Vertrauen in den Anbieter zu stärken‘.“ Immerhin sei die Bekanntheit unter den abschlusswilligen Versicherungskunden höher. Dies lasse erkennen, dass hier ein Wachstumspotenzial entstehen könnte. Die Markenbekanntheit differiere jedoch auch mit den unterschiedlichen Einkommensgruppen und steige mit einem höheren Einkommen. Bei einem persönlichen Nettoeinkommen ab 2.500 Euro liegt sie der Studie zufolge um bis zu zehn Prozentpunkten höher als bei Bundesbürgern mit geringerem Einkommen.

Transparenz als oberstes Gebot.

Nahezu wöchentlich laufen Meldungen über den Ticker, dass es einem der Insurtech-Unternehmen wieder gelungen ist, am Kapitalmarkt Geld für eine weitere Expansion aufzutreiben. Und Friendsurance hat sich eigenen Angaben zufolge mittlerweile zum größten Insurtech-Anbieter Europas gemausert. Mitte März meldete das Unternehmen fürs Vorjahr 75.000 zahlende Neukunden sowie Kooperationen mit rund 70 Versicherungspartnern in Deutschland. „Insurtech ist kein kurzfristiges Phänomen. Insurtechs werden in den nächsten Jahren mithilfe digitaler Innovationen wesentlich dazu beitragen, dass Versicherungen deutlich kundenfreundlicher werden“, sagt Tim Kunde, Geschäftsführer und Mitgründer von Friendsurance. So gehe es bei fast allen Insurtech-Ideen darum, Versicherungen für den Kunden günstiger und einfacher zu machen – durch neue Versicherungsmodelle, durch die Unterstützung bei Beratung und Verwaltung oder durch die Optimierung der Schnittstellen zwischen Kunde und Versicherungsunternehmen. Auch Wettbewerber David Zahn, Gründer der i-finance GmbH (die VorsorgeKampagne), und damit des nach eigenen Angaben ersten Vergleichsportal für provisionsfreie Altersvorsorge, sieht den Kundenwunsch im Zentrum aller Aktivitäten: „Ich freue mich, dass die Digitalisierung das Bewusstsein schärft, alte Geschäftsmodelle zu überdenken und den Verbraucherschutz zu verbessern.“ Doch zur Verbraucherfreundlichkeit gehört unbedingt totale Transparenz. Gerade in diesem Punkt gibt es für etliche Marktteilnehmer noch Aufholbedarf. So hat das ITA Institut für Transparenz in seinem ersten „Transparenz-Index für FinTech-Unternehmen“ zwar an 6 der 18 getesteten Unternehmen die Bestnote „sehr gut“ vergeben, es hätten sich allerdings auch schwarze Schafe darunter gefunden. (hwt) (Insurtechs/ finanzwelt 02/2016)