Historischer Zinsanstieg: EZB erhöht um 0,75 %

08.09.2022

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Es ist die bisher größte Zins-Anhebung seit Einführung des Euro-Bargeldes 2002: Die Europäische Zentralbank (EZB) schraubt den Leitzins um 0,75 % hoch. Dabei handelt es sich bereits um die zweite Erhöhung innerhalb weniger Wochen. Können die Währungshüter mit diesen drastischen Maßnahmen die galoppierende Inflation von zuletzt 9,1 % in der Eurozone bändigen?

Das neue Leitzins-Niveau liegt nun bei 1,25 %. Doch damit nicht genug. Die EZB hat nämlich für die kommenden Monate einen weiteren Zinsanstieg in Aussicht gestellt. Damit reagiert die Zentralbank auf die explodierte Teuerungsrate, die mittlerweile mehr als viermal so hoch ist wie das erklärte Inflationsziel der EZB von 2 %. Zudem lässt sich ein Ende der steigenden Preise angesichts der Energiekrise kaum absehen.

Der Druck auf EZB-Chefin Christine Lagarde, endlich ein Gegenmittel zu finden, ist hoch. Denn sie hat erst viel später als andere Währungshüter die Zeit des billigen Geldes beendet, weil sie und ihr Team die Teuerungskrise zunächst fälschlicherweise als temporär eingestuft hatten. Erst im Juli erfolgte nach jahrelanger Nullzins-Politik die erste Erhöhung um 0,5 %. Im September nun also die zweite Anhebung. Die US-Zentralbank hingegen ist bei der Zinswende schon viel weiter, hat den Zins bereits mehrfach nach oben angepasst, u.a. zweimal um satte 0,75 %. Somit liegt er in den USA nun in einer Spanne von 2,25 bis 2,5 %.

Für die Sparer hat diese Politik den positiven Effekt, dass viele Banken die Verwahrentgelte abgeschafft haben. Seit Juli müssen Geschäftsbanken nämlich nicht mehr 0,5 % „Strafzins“ zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank lagern. Allerdings fragt sich, inwiefern Sparer dadurch tatsächlich gewonnen haben. Selbst wenn sie jetzt auf einem Festgeldkonto 2 % Zinsen bekommen, liegt die Inflation ca. 5 bis 6 % darüber. Vor der Teuerungskrise haben Kontoinhaber zwar oftmals Verwahrentgelte gezahlt, aber die Inflation lag 2020 auch nur bei 0,5 % und immer unter 2 % in den letzten Jahren.

Doch die Anhebung des Leitzinses birgt auch Risiken. So geht unter Zentralbankern die Sorge um, dass ihr Kurs die Konjunktur schwächen könnte. Diese ist aber durch den Ukraine-Krieg, Energie-Knappheit und Lieferengpässe eh schon geschwächt. Daher zieht die EZB in Erwägung, über Anleihenkäufe hoch verschuldete Eurostaaten zu unterstützen. (sh)