„Helikopter-Geld“ gerät ins Visier der Notenbanken

13.03.2016

Lukas Daalder

„Die Geldpolitik verliert an Dampf, und es könnte die Zeit kommen für radikalere Lösungen, um die wirtschaftliche Stagnation zu beenden“, sagt Lukas Daalder. Eine Stimulierung der Wirtschaft über die Finanzmärkte ist sehr indirekt.

Niedrige Zinsen und Anleiherenditen haben ihre Zugkraft verloren und könnten sogar ein Teil des Problems geworden sein. Aber selbst wenn diese Instrumente nicht mehr funktionieren, heißt das nicht, dass die Notenbanken keine Möglichkeiten mehr haben. „Wer über eine Gelddruckpresse verfügt, hat viele Optionen, wenn er nur will“, so der Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg

Eine solche Option könnte die Ausweitung der Notenbankkäufe auf Real Estate Investment Trusts (REITs) oder Aktien sein, wie es die Bank of Japan schon vorgemacht hat. „Zwar hat dies den Vorteil, dass Zinsen und Renditen nicht betroffen sind, aber es ist dennoch eine ineffiziente Methode, um die Wirtschaft anzukurbeln“, meint Daalder. Ein direkterer Weg wäre die unmittelbare Finanzierung öffentlicher Ausgaben oder die Auflegung und Finanzierung eines Infrastruktur-Fonds. Der direkteste Weg von allen wäre aber das Verteilen von Geld an die Bürger, bekannt als Quantitative Easing fürs Volk – oder als Helikopter-Geld. Bei einer solch drastischen Maßnahme wird das Geld bildlich aus dem Helikopter auf die Straßen gestreut. Tatsächlich würde es natürlich auf Millionen privater Bankkonten fließen. Die Aktion stimuliert direkt die staatlichen Ausgaben und hat den zusätzlichen Effekt, die dringend benötigte Inflation anzufachen oder zumindest eine drohende Deflation abzuwehren.

„Sicherlich haben alle diese Optionen Risiken und (rechtliche) Grenzen und galten bislang als zu radikal. Dennoch, wenn man sich entscheiden muss zwischen einerseits dem Risiko eines Vertrauensverlusts in die Zentralbanken und das Finanzsystem insgesamt, oder ob man andererseits den nächsten Schritt zum Helikopter-Geld macht, wird man wahrscheinlich die zweite Option wählen. Denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, meint der Robeco-Experte.

Fünf Gründe für einen neuen Kurs der Notenbanken

Daalder nennt fünf Gründe warum die bisherigen Methoden – insbesondere monetäre Lockerung und Negativzinsen – nicht mehr lange funktionieren werden.

Ihre Auswirkung auf die Profitabilität der Banken. Dass Banken Geld zahlen müssen für ihre Einlagen bei der Zentralbank, wird sich negativ auf die Gewinne auswirken und ihre Möglichkeiten einschränken, Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben.

Der Trend zu Cash. Bislang gelten Negativzinsen nicht für Privatkonten. Sollte es jedoch soweit kommen, dürften viele Bürger in Bargeld umschichten, um die Gebühren für ihre Einlagen zu vermeiden.

Der Verlust des positiven Überraschungseffekts. Stimulierende Maßnahmen haben die Finanzmärkte bislang mit Währungsabwertungen, Aktienkursrallys und steigenden Inflationserwartungen begrüßt. Die Effekte werden aber schwächer und in der jüngeren Vergangenheit haben einige Maßnahmen gar negative Reaktionen hervorgerufen.

Kein Antrieb für die Wirtschaft. Niedrige Zinsen stützen normalerweise den Konsum und fördern Investitionen. Es ist aber fraglich, ob ein Zinsumfeld von minus 0,5 Prozent das Wachstum und den Arbeitsmarkt beflügelt. Wenn Unternehmen und Verbraucher bei null Prozent Zinsen nicht mehr ausgeben, werden sie es vermutlich auch nicht bei einer leicht negativen Zinsrate tun.

Ermutigung zur Verschuldung. Zwar haben niedrigere Zinsen einen positiven Effekt für Verbraucher (günstige Hypotheken), Produzenten (Margen) und Regierungen (Defizite). Sie verlocken aber auch zu einer höheren Verschuldung und legen somit den Grundstein für künftige Probleme.

Glaubwürdigkeit der Notenbanken in Gefahr

„Diese Argumente deuten alle daraufhin, dass der Erfolg der Geldpolitik abnimmt“, fasst Daalder zusammen. Da die Notenbanken entscheidend zur Entwicklung der Finanzmärkte beitragen, wäre eine Diskussion um ihre Glaubwürdigkeit nicht ohne Risiko. In den vergangenen sechs Monaten haben alle drei großen Zentralbanken einen Ausverkauf an den Börsen ausgelöst (die amerikanische Fed im September, die Europäische Zentralbank im Dezember und die Bank of Japan im Februar). „Das stärkt nicht gerade das Vertrauen. Der Glaube an die Geldpolitik scheint zu wanken“, fürchtet Daalder.

Solche negativen Reaktionen könnten die Notenbanken veranlassen, sich in radikalere Maßnahmen zu flüchten, um ihre Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Daalder: „Das heißt nicht, dass sämtliches Vertrauen in die Währungshüter und das gesamte Finanzsystem schwindet. Aber das Argument der Notenbanken, dass alles viel schlimmer wäre, wenn sie nichts getan hätten, kann nicht bestätigt werden, solange alle die gleichen Maßnahmen ergreifen. Es gibt einige klare Signale, dass der „Weiter-so“-Ansatz an Wirkung verliert.“

Lukas Daalder,

Chief Investment Officer Fondsgesellschaft Robeco Investment Solutions