Greiffbar – Investments zum Anfassen

19.09.2022

Volker Schilling, Gründer und Mitglied des Vorstandes der Greiff capital management AG / Foto: © Greiff capital management AG

Welche Themen waren vergangene Woche am Finanzmarkt relevant?

Der Becher mit dem Fächer

Zurzeit ist es schwer zu verstehen, weshalb Börsen plötzlich wieder steigen oder doch weiter fallen und umgekehrt. Ziemlich verwirrend, die Gemengelage. Ich musste unwillkürlich an einen meiner Lieblingsfilme denken: Der Hofnarr. In dieser Mantel- und Degen-Persiflage spielte der begnadete Komiker Danny Kaye 1955 den König der Narren Giacomo, der als Narr des Königs in unzählige Verwechslungsdramen gerät. Legendär die Szene mit dem Becher mit dem Fächer. Wenn Sie sich die Szene ansehen, werden Sie verstehen, warum Anleger gerade nicht mehr wissen, wo sich die vergiftete Pille befindet. Ist es die zu hohe Inflation? Die drohende Rezession oder doch die zu stark steigenden Zinsen? Die Lieferengpässe, der Krieg oder doch die Energiekrise? Jeder vertritt aktuell andere Thesen und formuliert andere Lösungsvorschläge. Unwillkürlich fiel mir dabei eines der berühmten Zitate von Hauptdarsteller Danny Kaye ein, der sehr wirtschaftsinteressiert war: „Wirtschaftswissenschaft: das einzige Fach, in dem jedes Jahr auf dieselben Fragen andere Antworten richtig sind.“ Vielleicht liegt die Lösung doch woanders:

Der Pokal mit dem Portal

„Der Pokal mit dem Portal hat den Wein gut und rein!“, heißt es im Film. Reinen Wein einschenken, ist also ungefährlicher. So könnte man diese Woche auch mal die Erfolgsmeldungen hervorheben. Der wäre der Staat, der sich wieder von seiner Lufthansabeteiligung trennt und damit 760 Mio. Euro verdient. Da sag nochmal einer, Aktienanlagen seien nicht lukrativ. Der gleiche Staat schnürte diese Woche auch das dritte Entlastungspaket im Wert von 65 Mrd. Euro, also mehr als Paket 1 und 2 zusammen. Da sag nochmal einer, dass es keine Subventionsspirale gibt. Oder da wäre Indien, welches es in der Rangliste des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf Rang 5 der größten Volkswirtschaften geschafft hat. Ausgerechnet die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien hat man damit überholt. Klingt doch wunderbar, also für die Inder, weniger für die Angelsachsen. Oder doch nicht? Schließlich hat Indien 1,4 Mrd. Einwohner und UK 68 Mio.! Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt damit bei den Indern bei 2.500 US-Dollar und bei den Briten bei 47.000 US-Dollar. Sie sehen, alles eine Frage der Perspektive. Oder wie Danny Kaye es formulierte: „Auch der Dumme hat manchmal einen gescheiten Gedanken. Er merkt es nur nicht.“

Der Kelch mit dem Elch

Als der Pokal mit dem Portal zerbricht, kommt der Kelch mit dem Elch ins Spiel und löst damit heilloses Chaos aus. Das heillose Chaos ist die Inflation, die diese Woche in den USA doch nicht so stark gefallen ist, wie erwartet und damit die Börsen am Dienstag auf Talfahrt schickten. Übrigens exakt an dem Wendepunkt, den ich letzte Woche als kurzfristige Zielmarke benannte. Alles blickt daher auf nächsten Mittwoch, dort schreitet die US- Notenbank wie unser magnetischer Ritter zur Tat. Wo war nochmal der Wein gut und rein? Bei 0,75 % Zinsanhebung oder doch gleich 1 %? Nächste Woche wissen wir mehr, aber klar ist: Die Zinsen gehen weiter rauf! Und ich bleibe bei meiner Aussage von letzter Woche, wie beim Kelch mit dem Elch: Die Tiefstände an den Börsen sollten wir in diesem Jahr bereits gesehen haben. Und für alle anderen gilt das berühmteste Zitat von Danny Kaye: „Geld allein macht nicht glücklich. Es gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu.“

Ihr Volker Schilling

Kolumne von Volker Schilling, Gründer und Mitglied des Vorstandes der Greiff capital management AG