Glänzt es nun oder nicht?

25.09.2013

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Gold ist in Zeiten drohender Inflation stets ein zuverlässiger sicherer Hafen gewesen. Erstaunlicherweise ist der Goldpreis trotz der andauernden Geldschwemme, die die US-Fed, die EZB und die japanische Zentralbank produzieren, mit vielfach negativem Vorzeichen lediglich stabil geblieben. Woran kann es liegen, dass der Glanz so verhalten ist? Eine Spurensuche.

Sie haben manches Mal lesen müssen, ob Gold nun läuft oder nicht. Und Sie sehen täglich auf Nachrichtensendern hektische Kommentatoren, die die neuesten Preisschwankungen mit nacherzählten Storylines erklären. Die meisten Fakten der Preisbildung, die großen Zahnräder der Uhr, von der Sie nur die Zeiger sehen, bleiben Ihnen verborgen. Lesen Sie, welche Megatrends den Goldmarkt bestimmen, dass es zwei Arten Gold gibt und welche Fakten die Nachfrage bestimmen:

Zwei Arten Gold. Erstaunlicherweise gibt es zwei Arten Gold, die den Goldpreis bestimmen. Die eine Art haben Sie möglicherweise in Ihrem eigenen Schließfach liegen: physisches Gold in Form von Barren oder Münzen. Am beliebtesten hierzulande der südafrikanische Krügerrand. Die zweite Art ist Gold, das es gar nicht gibt. Es ist „Papiergold" – in Form von ETFs, Zertifikaten oder anderen derivaten Produkten. Bei genauer Betrachtung handelt es sich oft um rechtliche Versprechungen, die in Geld, nicht in physischem Gold, ausgeglichen werden.

Wer sind die Nachfrager? Die abgebildete Grafik (s. Download) zeigt die Nachfrager, so wie sie der World Gold Council aggregiert. Im Einzelnen sind es die Aggregatgrößen Schmuck (selbsterklärend), das Gesamtinvestment in Barren und Münzen, Technologie (oder auch Industrie genannt) und die Netto-Nachfrage der Zentralbanken.

Eine Größe lässt sich als recht konstant aus der Analyse der Nachfrageentwicklung ausklammern: Technologie bzw. Industrie. Die Nachfrage der Industrie nach Gold zwecks Herstellung von elektronischen Leitern und Ähnlichem ist seit Jahren in einer recht konstanten Bandbreite, die hauptsächlich von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung marginal beeinflusst wird.

Eine genaue Betrachtung lohnt die Position der Nachfrage nach Schmuck-Gold. Einzelne Länder sind hier die Nachfragetreiber. Ganz vorn sind China und Indien, in denen Gold als Schmuck auch eine am Körper getragene Vermögensanlage darstellt. Indien hat im letzten Jahr aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage nach Schmuck-Gold mehrere Importerschwernisse und zuletzt einen 15 % Sonderzoll verhängt. Besonders pikant: Laut Meldung der Times of India vom 31.8.2013 klopft angeblich die Reserve Bank of India bei den reichsten indischen Tempeln von Tirupati bis nach Shirdi an. Diese besitzen teilweise enorme Bestände von Gold, ganze Dächer der Tempelanlagen bestehen teilweise aus Gold. Laut Times of India wird darüber diskutiert, dass einzelne Banken das Recht erhalten sollen, das Tempel-Gold zu kaufen, es in Barren einzuschmelzen und der Reserve Bank of India gegen frisch gedruckte Rupien zu verkaufen. In 2012 wurde für mehr als 56 Mrd. US$ physisches Gold nach Indien importiert, das sind ca. 61 % des Leistungsbilanzdefizits. Geholfen hat alles nichts: Als neulich die Rupie zusammenbrach, waren die Besitzer von Gold statt Geld die lachenden Dritten.

Eine weitere Position, die die Betrachtung lohnt, ist die Nachfrage der Zentralbanken. Die hier angegebenen Zahlen sind aggregierte Nettogrößen, d. h. sie sind die Summe aller Zentralbank-Käufe und -Verkäufe, weltweit. Wie immer steckt der Teufel im Detail: Seit einiger Zeit kauft die chinesische Zentralbank, meist über Hongkong, massive Mengen von physischem Gold. April auf Mai 2013 sprang die über Hong Kong importierte Menge physischen Goldes allein um 40 %. Gleichermaßen, wenn auch in kleineren Mengen, die Zentralbanken der Russischen Föderation, Türkei, Kasachstan und Azerbaijan (letzteres Land eins der ölreichsten Länder am kaspischen Meer) und anderer ostasiatischer Länder. Wenn Sie darüber nachdenken… das, innerhalb einer Netto-Position, in der einer kauft und der andere verkaufen muss… stoßen Sie auf eine nachdenklich machende Tatsache: Seit 1998 unterscheidet die Bundesbank in ihren Bilanzen nicht mehr zwischen (physisch vorhandenem) Gold und Goldforderungen. Ähnlich die schweizerische Nationalbank und die meisten westeuropäischen Nationalbanken. Was bedeutet das? Es bedeutet ganz schlicht, dass in den Tresoren der Nationalbanken mitnichten ausschließlich physisches Gold liegt, sondern eine Menge Schuldscheine irgendwelcher Leute, auf denen steht, dass man der Nationalbank so manche Tonne Gold schulden würde. Wie viel genau physisches Gold ist und wie viel Schuldscheine, das mag keine Nationalbank so genau sagen. Und wer leiht sich Gold gegen Schuldschein bei der Zentralbank? Es handelt sich oft um die sieben „Bullion-Banks" – „Bullion" ist der englische Ausdruck für ungemünztes Gold. Und wenn man Gold gegen Schuldschein geliehen und weiterverkauft haben sollte, dann wäre es misslich, würde der Preis ins Endlose steigen.

Genau daher lohnt ein Blick auf die Entwicklung der Goldnachfrage der ETFs. Wir stellen fest, dass in jüngster Vergangenheit der sprunghaften Zunahme der Nachfrage nach physischen Barren und Münzen – in den USA sogar so stark, dass lange Wartezeiten bei der US-Münze bestehen – enorme Abflüsse von „Papiergold" bei den ETFs gegenüberstehen. Der Preisdruck durch die real existierende Nachfrage nach physischem Gold wird also durch Verkäufe von „Papiergold" möglicherweise abgepuffert. Um die Gründe von institutionellen Investoren zu analysieren, lohnt ein Blick in die COMEX-Bewegungen, insbesondere in die Goldbestände der Institutionellen bei der COMEX. Wir möchten diesen Blick mit Ihnen an dieser Stelle nicht tun, da wir Angst vor den Anwälten dieser Schwergewichte haben – jedoch die Berichte der COMEX sind öffentlich, wir können Ihnen diesen Blick nur wärmstens empfehlen.

Glänzt Gold nun? Dazu müssen wir den Begriff „glänzen" zunächst definieren. Wenn wir damit sagen möchten, dass es sich um ein Asset mit rasanter Nachfrage nach einembegrenzten physischen Produkt handelt, dann sicher ja. Dennoch kann die Nachfrage durch „Papiergold" gepuffert werden, was sich auf den Preis auswirkt. Wir haben festgestellt, dass es neben den uns täglich verkündeten, recht banalen Begründungen im Investment-TV für die tagesaktuellen Preisschwankungen massive Interessen von Nationalstaaten und multinationalen Finanzinstitutionen gibt, die die Megatrends vorgeben. Daher: Wenn Ihnen das nächste Mal ein „milchgesichtiger" Analyst sagt, dass Gold wegen diesem oder jenem Grund liefe oder nicht liefe, dann lachen Sie ihm ins Gesicht.

(Christoph Sieciechowicz)

Gold - Printausgabe 05/2013

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