Fluch und Segen

28.01.2019

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Immer mehr Hausratversicherer setzen auf Smart Home-Applikationen, mit denen sie Schäden vorbeugen und die Schadenverarbeitung vereinfachen wollen. Und auch die Kunden finden zunehmend Gefallen daran, ihr Zuhause mobil zu steuern und zu überwachen. Doch der Fortschritt hat Lücken und kann Unerwünschtes sogar herbeiführen.

Das smarte Zuhause etabliert sich zunehmend. Und wird damit automatisch auch zu einem Thema für die Hausratversicherung. Allerdings auch dann, wenn es um die Schadenregulierung geht. Viele Bundesbürger haben jedenfalls eine konkrete Vorstellung davon, was Smart Home bedeutet und wie sie es für sich nutzen können. Laut der Untersuchung „Smart Home Atlas“ der Generali Deutschland AG und devolo kennen 80 % der Befragten den Begriff Smart Home. Basis ist eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstitutes forsa. Über die Hälfte (52 %) hat ein konkretes Bild davon, dass Smart Home mehr bedeutet, als einen Fernseher mit dem Internet zu verbinden, nämlich den Einsatz intelligenter Technologien zur Steigerung von Komfort und Sicherheit. Fast ein Viertel (24 %) nutzt sie bereits. Auch das Interesse an intelligenten Smart Home-Services ist spürbar – etwa an smarten Versicherungen: 40 % fänden es sehr interessant oder interessant, wenn ihre Versicherung Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung mit Smart Home verknüpfen würde, um das Zuhause noch besser zu schützen. Besonders offen hierfür sind jüngere Befragte; so zeigen sich bei den 18- bis 29-Jährigen 57 % an smarten Versicherungen interessiert, bei den 30- bis 44-Jährigen 43 %. Ulrich Rieger, Chief Insurance Officer P&C der Generali Deutschland AG, sagt zu den Ergebnissen: „Die Untersuchung zeigt, dass die Mehrheit der Bundesbürger Smart Home bereits kennt und eine große Zahl von ihnen das smarte Zuhause bereits nutzt. Dies ist umso bemerkenswerter, als dass es sich hierbei um einen jungen Markt handelt und ist ein klares Zeichen dafür, dass der technische Fortschritt des eigenen Zuhauses sehr wichtig ist.“

Insbesondere Assistance-Leistungen smarter Versicherungen stoßen auf großes Interesse. Fast ein Drittel der Befragten (32 %) sähe es positiv, wenn die Versicherung persönliche Notfallkontakte im Schadenfall alarmieren würde. 30 % interessieren sich an einer automatischen Abwicklung der Schadenregulierung und 25 % an einer automatischen Verbindung zum Service-Center der Versicherung. Für 44 % ist der wichtigste Pluspunkt, das Zuhause vor Einbrüchen zu schützen und für 29 %, es vor Bränden zu bewahren. Wie eng Smart Home und Sicherheit in Verbindung gebracht werden, zeigt auch, dass es 57 % für gut halten, wenn ihr smartes Zuhause bei einem Einbruchsversuch automatisch die Polizei verständigt. Für 54 % wäre ein automatischer Notruf bei der Feuerwehr interessant, wenn es brennt oder eine Wasserleitung ausläuft.  Alles gut also? Definitiv nein.

Denn beim Thema Datensicherheit ist die Bevölkerung gespalten: Rund die Hälfte der Befragten (56 %) hat Bedenken, von außen manipuliert werden zu können. Die Partner devolo und Generali legen daher bei ihrer Zusammenarbeit auf Datenschutz besonders großen Wert. Sie tauschen keine Daten über die installierten Smart Home-Komponenten oder deren Nutzung aus. Cloud-Server, auf denen Daten gespeichert werden, sind zudem in Deutschland ansässig und unterliegen damit den besonders hohen deutschen Datenschutz- und Sicherheitsvorgaben. Dass dennoch viele Fragen offen sind, sagt Sabine Schäfer, Abteilungsleiterin Hausrat Vertrag bei der Haftpflichtkasse: „Es sind Fragen der Datensicherheit eindeutig zu klären: Wem gehören die übermittelten Daten und wie sicher sind diese – beim Versicherer, beim Dienstleister und so weiter? Wer sorgt dafür, dass die Technik einwandfrei installiert ist? Im Schadenfall muss sie installiert sein und funktionieren, denn Installationsfehler können zu Fehlalarmen und somit zu Kosten führen. Stichwort After Sales: Wer kümmert sich um Wartung, Austausch und so weiter?“ Auch Thilo Hahn, Bereichsleiter Privatkundengeschäft Nichtleben bei der Basler sieht durchaus Risiken: „Grundsätzlich sehen wir als Versicherer in Smart Home-Technologien mehr Chancen als Risiken. Intelligente Alarmsysteme oder Leckageortung reduzieren in der Hausratversicherung den Schadenaufwand für Einbruchdiebstahl und Leitungswasser. Genau beziffern können wir das Ausmaß allerdings noch nicht und lassen es deshalb bislang nicht in die Tarifierung einfließen. Auf der anderen Seite bestehen Manipulationsrisiken durch Hackerangriffe oder auch der komplette Ausfall des Systems durch technisches Versagen, bzw. Fehlbedienung des Benutzers. In solchen Fällen wären Tür und Tor für Einbrecher geöffnet.“

Vielen Verbrauchern ist aber überhaupt nicht bewusst, welche Risiken mit der Vernetzung des Hauses verbunden sind und dass es keine klaren Anforderungen in puncto Sicherheit für diese Systeme gibt. „Verbraucher müssen klar erkennen können, was sie unter dem Label ‚Smart Home‘ erwerben“, sagt Dr. Bernhard Gause, Mitglied der Geschäftsführung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin. „Viele wiegen sich in einer gefährlichen Scheinsicherheit.“ Bislang gibt es nämlich keine verbindlichen Sicherheitsstandards für Smart Home Produkte. Auch nicht für Geräte, die in der unmittelbaren Privatsphäre der Kunden eingesetzt werden, wie internetfähige Kameras. Dabei können hier Sicherheitslücken von Kriminellen genutzt werden, um über das Internet Hausbesitzer aus der Ferne zu beobachten und den richtigen Zeitpunkt für einen Einbruch abzupassen. „Es muss klare und für alle Anbieter verbindliche Regeln geben, um die Cyberrisiken für die Anwender möglichst gering zu halten“, sagt Gause. Um Cyberrisiken im intelligenten Haus zu minimieren, haben die deutschen Versicherer einen Anforderungskatalog erstellt. Ihre zentralen Forderungen: Updates, Support, Datenschutz und neutrale Zertifizierung. Sicherheitsupdates müssten beispielsweise automatisch auf die Geräte geladen werden. Zudem müssten Datenschutzbestimmungen beachtet werden und es müsse ein neutrales Prüfsiegel geben. (hdm)