FinTechs bleiben vorerst klein und trotzdem einflussreich

10.12.2015

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FinTechs werden in den kommenden Jahren stark wachsen, können allerdings von ihren Marktanteilen her noch keine Bedrohung für etablierte Finanzinstitute werden. Das ist die zentrale Aussage der IM-FinTech-Studie 2016, die von der auf den Finanzmarkt spezialisierten Managementberatung Investors Marketing (IM) erstellt wurde.

(fw) Demnach werden FinTechs im Jahr 2020 im Bereich Konsumentenkredite rund 5,5 Prozent des jährlichen Neugeschäftes für sich gewinnen können, bei der Geldanlage wird ihr Anteil der Studie zufolge auf etwa 2,5 Prozent ansteigen. Zudem werden sie etwa 500.000 Girokonten zu sich ziehen können. Trotz dieser vergleichsweise niedrigen Anteile werden sie insbesondere auf das Privatkundengeschäft in den kommenden Jahren starken Einfluss haben. „Ihre einfachen und pfiffigen Angebote ändern die Kundenerwartungen und bereiten auf diese Weise branchenfremden Unternehmen wie Amazon oder Google den Markteintritt“, sagt Dr. Oliver Mihm, CEO von Investors Marketing. „Daher müssen sich die etablierten Banken mit den Angeboten FinTechs auseinander setzen.“

Eine Orientierung am Kundenbedarf vor allem in der Anwendung mit einfachen und intuitiven Abschlussprozessen ist ein Charakteristikum der neuen FinTech-Anbieter. Kennzeichnend ist ebenso, dass diese sich oft in Form von Cherry-Pickern auf spezifische Finanzangebote fokussieren. Aktuell zeichnen sich vor allem in drei Bereichen eine wachsende Bedeutung von FinTechs ab: Bei der privaten Kreditversorgung mit dem Konzept des Peer-to-Peer-Crowdlendings, in der Geldanlage, wobei hier einfache Wertpapier-Anlageangebote für kleinere Anlagesummen im Zentrum stehen sowie Angebote zum Zahlungsverkehr, insbesondere digitale Girokontolösungen.

Erwartete Marktanteile der FinTechs bis 2020

Der Markt für Konsumentenkredite ist das mit Abstand beliebteste Geschäftsfeld für FinTechs in Deutschland: Mit rund 120 Start-ups (Stand Sommer 2015) machen

neue Anbieter für Konsumentenkredite fast die Hälfte aller FinTechs aus. Sie agieren dabei als Vermittler zwischen potenziellen Kreditnehmern und -gebern (Crowdlending- Modell). Insgesamt belief sich das Volumen der im vergangenen Jahr neu ausgegeben Konsumentenkredite auf 80 Milliarden Euro. 36 Prozent davon wurden direkt bei Händlern abgeschlossen, ein Anteil, der sich künftig stabil bleiben wird. Von den verbleibenden Krediten werden nach IM-Berechnungen 73 Prozent von Multikanal-oder reinen Filialkunden in Anspruch genommen. Es verbleiben Konsumentenkredite mit einem Volumen von rund 14 Milliarden Euro, die pro Jahr online vergeben werden. Hier haben FinTechs die Chance, einen Marktanteil von 20 Prozent zu erringen, was einem Kreditvolumen von 2,8 Milliarden Euro entspricht.

Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr Konsumentenkreditanfragen in Höhe von acht Milliarden Euro abgelehnt. Geht man davon aus, dass 20 Prozent aller von klassischen Banken abgelehnten Kreditanfragen im Jahr 2020 durch FinTechs vermittelt werden können, so ergibt sich ein zusätzliches Marktpotenzial von 1,6 Milliarden Euro pro Jahr. „Damit kämen FinTechs in diesem Segment auf einen Marktanteil von gut 5 Prozent“, sagt Oliver Mihm. „Das wäre rund das 20fache im Vergleich zu heute. Zudem ist ein Konsumentenkredit für die Hausbank nicht disruptiv, das heißt, die Beziehung zum Kunden besteht in der Regel weiter.“

Nach dem Kreditmarkt ist der zweite wesentliche FinTech-Geschäftsbereich der private Anlagemarkt. Im Bereich Geldanlage sind aktuell rund 36 FinTech Start-ups in Deutschland tätig. Die innovativste Gruppe bilden dabei die Robo-Advisor. Sie adressieren dabei auch Anleger mit einem Vermögen von unter 100.000 Euro, die bei Banken kaum Beratungsangebote erhalten. Die RoboAdvisors haben deutlich geringere Kosten durch die Automatisierung und den Wegfall persönlicher Beratungsleistungen und sie können durch die Einfachheit des Leistungsangebotes Zielgruppen ansprechen, denen eine Beratung bei einer Bank zu kompliziert und zeitaufwändig ist.

Insgesamt addierten sich die Wertpapierbestände in Deutschland im Jahr 2014 auf knapp 950 Milliarden Euro. 48 Prozent des Wertpapierbestands bestehen aus Aktien und kurzfristigen Schuldverschreibungen, dadurch reduziert sich das Potenzial für die FinTech-Robo-Advisor auf 492 Milliarden Euro, die durchweg auf fondsbasierte Anlagen setzen. Analog zur Berechnung oben werden nur Onlineaffine Kundengruppen als mögliches Potenzial für Robo-Advisor mit einbezogen. Aufgrund des geringen Involvements von Kunden bei Geldangelegenheiten und des hohen Kundenaufwands beim Wechsel eines Depots wird eine aktive Wechselbereitschaft lediglich bei zehn Prozent der potenziellen Kunden angenommen. Daraus ergibt sich ein Potenzial für Robo-Advisor im Jahr 2020 von 13,3 Mrd. Euro Wertpapiervolumen.

Zudem verfügten die privaten Haushalte in Deutschland im vergangenen Jahr über Termin- und Spareinlagen von rund 880 Milliarden Euro. Nach analoger Rechnung ergibt sich hier ein Potenzial für Robo-Advisor von knapp 12 Milliarden Euro. In Summe addiert sich das Marktpotenzial für das Jahr 2020 auf ein Anlagevolumen von gut 25 Milliarden Euro. „Dies entspricht einem Marktanteil von 2,5 Prozent“, sagt Oliver Mihm. „Allerdings ist der Disruptionscharakter hoch, was die Banken vor die Herausforderung stellt, ihr Einlagengeschäft inklusive Termin- und Spareinlagen sowie das Wertpapiergeschäft abzusichern.“

Die Angebotsbreite von FinTechs im Bereich des Zahlungsverkehrs ist sehr hoch. Schlagzeilen machen hier vor allem Mobile-Payment-Angebote von großen Online-Anbietern wie Apple Pay oder Android Pay und die Endkunden in Deutschland stehen den neuen Wettbewerbern für Zahlungsverkehrsangebote grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber (siehe IM Privatkundenstudie 2015). End-to-End-Banking-FinTechs als wichtigste Vertreter im Bereich des Zahlungsverkehrs positionieren sich bewusst als Alternative zu etablierten Kreditinstituten. Basis zur Potenzialberechnung im Jahr 2020 sind die aktuell 98,6 Millionen Girokonten in Deutschland. Da bei kostenlosen Girokontomodellen nur Erträge bei aktiver Kontonutzung entstehen, werden von diesem Bestand die girokontobasierten Mehrfachbankverbindungen abgezogen, was ein Potenzial von 70 Millionen Gehaltskonten ergibt.

Zieht man auch hier nur Online-Kunden ein, liegt der Markt bei 18,9 Millionen Kunden. Damit besteht ein realisierbares Potenzial von 0,5 Millionen Gehaltskonten bei den End-to-End-Banking-Anbietern bis 2020.

„Geht man von einem durchschnittlichen Ertrag von 150 Euro pro Jahr pro Gehaltskonto aus, ergibt sich damit ein Umsatzvolumen von 75 Millionen Euro im Jahr 2020“, sagt Oliver Mihm. „Das Gefahrenpotenzial für die klassischen Banken ist damit gering, allerdings ist der Disruptionscharakter sehr hoch.“

Insgesamt, so die Einschätzung von Investors Marketing, ist das das Marktpotenzial für FinTechs aktuell noch relativ begrenzt. „Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die neuen Angebote den Markt und das Kundenverhalten verändern werden, was großen Einfluss auf die Position der klassischen Banken haben wird“, sagt Oliver Mihm. „Sollten Großunternehmen wie PayPal, Google oder Amazon in einzelnen Marktsegmenten aktiv werden, so kann das die Voraussetzungen schnell verändern.“