Experten-Gespräch zur Thematik PKV- Billigtarife

07.02.2013

Der PKV-Markt war und ist sehr reizvoll für den Vertrieb. Mit der richtigen Beratung und den richtigen Produkten lassen sich relativ schnell gute Vergütungen erzielen. Freuen können sich die Kunden, die durch eine bedarfsorientierte Beratung genau jenen Tarif erhalten, den sie benötigen: Eine Police, die auch die gewünschten Leistungsbausteine beinhaltet. Schlecht ist der Kunde dran, wenn er nach einiger Zeit feststellt, dass der Tarif eben nicht das leistet, was er versprochen hat. finanzwelt unterhielt sich hierzu mit Markus Neudecker, Vorstand des Marburger Maklerpools FiNet AG.

finanzwelt: Was sind die Gefahren beim Vertrieb von so genannten Billigtarifen? Wo sind diese sinnig, wo sehen Sie andere Tarife als bessere Alternativen an?

Neudecker: Die sogenannten Billigtarife sehen meist viele Leistungseinschränkungen vor, teilweise liegt ihr Leistungsniveau unter dem gesetzlicher Krankenkassen. Den Endkunden ist dies oft nicht bewusst, sie setzen "private Krankenversicherung" mit "guter Leistung" gleich. Manche Berater machen sich dieses Image zunutze, anstatt über die Besonderheiten dieser Tarife aufzuklären.

finanzwelt: Ist es nicht so, dass Billigangebote in vielen Fällen mit einem hohen Selbstbehalt versehen sind, der im Leistungsfall zum Tragen kommt?

Neudecker: Auch ohne besonderen Selbstbehalt, der häufig genutzt wird, um die laufenden Beiträge zu reduzieren, sehen Billigtarife häufig viele Leistungseinschränkungen vor. Wenn die Kunden im Billigtarif älter und öfter krank werden, schnappt die Beitragsfalle dennoch zu: Jeder der noch wechseln kann, wechselt dann in neue Billigtarife und die Beitragssteigerungen im alten Kollektiv beschleunigen sich.

finanzwelt: Was gilt es bei der Vermittlung für den Berater zu beachten, schließlich sollte er den Kunden ja auch über das Leistungsangebot des Tarifs informieren?

Neudecker: Ein seriöser Berater wird den Kunden über die wichtigsten Leistungsbesonderheiten dieser Tarife aufklären und die Unterschiede in Preis und Leistung dieser Tarife und der bekannten Normaltarife aufzeigen. Wie jede Beratung sollte auch diese Aufklärung so dokumentiert werden, dass sie für den Kunden nachvollziehbar ist. Wenn der Kunde tatsächlich aus Preisgründen bereit ist, Abstriche an der Leistung in Kauf zu nehmen und ihm diese transparent gemacht wurde, spricht nichts gegen deren Vermittlung. Ob dies in der Praxis bei den Verkäufern, die sich auf diese Tarife spezialisiert haben, der Fall ist, muss leider bezweifelt werden.

finanzwelt: Stimmen Sie folgendem Statement zu: "Es gibt einzelne Versicherer, die Neugeschäft mit Billigpolicen ohne Rücksicht auf einen später nachteiligen Effekt (gleich ob beim Versicherer oder beim Kunden) in Kauf nehmen!"?

Neudecker: Der Eindruck drängt sich jedenfalls auf, schließlich gehen doch auch diese Anbieter mit offenen Augen und Ohren durch die Welt. Sie müssen wissen, dass eine Kundenansprache nach dem Motto "ist Ihre Krankenversicherung auch zu teuer" sicher dem Kunden und der Branche mehr Probleme schafft, als sie kurzfristig löst. Warum sie dann diese Vertriebsansätze unterstützen, kann man nur mit einer vielfach sehr kurzfristigen Denke erklären.

finanzwelt: Was halten Sie von "Optionstarifen" im Rahmen von Billigpolicen, wonach der Kunde später in einen besseren Tarif (ohne Gesundheitsprüfung) wechseln kann?

Neudecker: Wenn die Annahmepolitik dieser Tarife tatsächlich auf den späteren Normaltarif abgestellt wird, der Gesundheitsstatus also ordentlich geprüft wird, spricht sicher nichts gegen diese Optionen. Sie können für bestimmte Zielgruppen Sinn machen, etwa für Selbstständige, die sich gerade die eigene Existenz aufbauen. Die Gefahr besteht, dass über die Eintrittskarte Billigtarif mit Option der bessere Tarif in seiner Risikostruktur negativ beeinflusst wird.

finanzwelt: Abschließend gefragt, wie ist es denn um die Zahlungsmoral in den so genannten Billigpolicen gestellt?

Neudecker: Die Zahlungsmoral in den Billigtarifen ist offensichtlich schlechter ist als in anderen Tarifgemeinschaften, eben weil eine Klientel angesprochen wird, die nur über knappe Mittel verfügt. Ein höherer Anteil von Nichtzahlern in den Billigtarifen belastet die übrigen Versicherten der Gesellschaft überproportional in Form von Beitragssteigerungen: Entweder, weil im Kollektiv des Billigtarifs zusätzliche Beitragserhöhungen erfolgen oder aber, weil ein höherer Anteil von Versicherten aus diesen Billigtarifen in den Basistarif wechselt. Das ist spätestens dann der Fall, wenn diese Versicherten selbst nicht mehr zahlen können, etwa bei Inanspruchnahme von Hartz-IV-Leistungen. Letzteres belastet dann alle Versicherten der Gesellschaft. Billigtarife haben also direkte Auswirkungen auch auf Kunden derselben Gesellschaft, die dort in einem Normaltarif versichert sind.

Das Interview führte Marc Oehme (mo)