Europas Fintechs am Scheideweg

13.12.2018

Antti-Jussi Suominen, CEO von Holvi / Foto: © Holvi

Start-ups mit Fokus auf den Finanzsektor schossen in den vergangenen Jahren sprichwörtlich wie Pilze aus dem Boden. Dadurch konnten sich Fintech-Unternehmen als feste Größe in Europa etablieren. Zuletzt machte die Branche jedoch den Eindruck, dass der große Boom vorbei sei. Wie hat sich der Sektor entwickelt? Wie steht es um ihn? Eine Bestandsaufnahme.

From Zero to Hero

Mit dem Einsetzen der Finanzkrise im Jahr 2009 begann der Aufstieg der Fintech-Start-ups. Der Zeitpunkt war günstig. Traditionelle Banken standen in Folge der Finanzkrise von vielen Seiten enorm unter Druck. Im Vordergrund stand deswegen die Stabilisierung des eigenen Unternehmens, digitale Strategien erschienen unwichtig. Enttäuscht von den renommierten Bankhäusern wandten sich die Kunden neuen digitalen Playern zu: anfangs Monzo und Fidor, später beispielsweise Holvi oder N26. Neue Technologien, allen voran das omnipräsente Smartphone, begünstigten diese Entwicklung, da sie den physischen Besuch einer Bankfiliale überflüssig machten.

Die Popularität des mobilen Bankings schlägt sich ebenfalls in den Wachstumsraten des Fintech-Sektors nieder. Seit 2010 betrugen die durchschnittlichen Wachstumsraten für den deutschen Fintech-Sektor laut Bundesfinanzministerium etwa 150 Prozent pro Jahr. Die Investitionen in Fintechs verdoppelten sich laut Accenture europaweit zwischen 2014 und 2015 auf rund 2,9 Milliarden US-Dollar. Im Zuge dieser Entwicklungen entstanden erste europäische Fintech-Schwergewichte wie Revolut und Klarna, die Bewertungen von über einer Milliarde US-Dollar erzielten.

Trotz der steigenden Popularität des Fintech-Sektors und der zunehmenden Offenheit der deutschen Verbraucher gegenüber Themen wie Mobile-Payment und digitalen Versicherungsdienstleistungen ist es dennoch unwahrscheinlich, dass das Wachstum auf diesem Niveau bleiben wird. Verschiedene Studien zeigen, dass sowohl die Anzahl der Fintech-Neugründungen als auch die Investitionen in diese Unternehmen zurück gehen.

Kooperieren statt konkurrieren

Die größte Herausforderung für Fintechs liegt darin, in den Markt einzutreten. Die Gründe sind vielfältig: begrenztes Kapital, rechtliche Vorgaben und Mangel an Erfahrung. Komplexe juristische Einschränkungen können gar die Geschäftsfähigkeit der Unternehmen gefährden. In diesen Bereichen liegen die Stärken der etablierten Banken.

Den jungen Unternehmen ist dies durchaus bewusst: Drei Viertel der Fintechs sehen ihr primäres Geschäftsziel mittlerweile in der Zusammenarbeit mit traditionellen Finanzfirmen. Es verwundert daher wenig, dass beide Seiten immer enger zusammenrücken und Partnerschaften schließen. Fintechs erhalten Zugang zu Sicherheitsstandards und Neukunden, die sonst teuer und aufwendig gewonnen werden müssten. Banken wiederum profitieren von innovativen Ideen und technologischem Fortschritt. Das gestiegene Interesse an Partnerschaften zwischen den Newcomern und den etablierten Unternehmen könnte das sinkende Interesse der Investoren erklären, da bestehende Start-ups nicht mehr das gleiche Maß an Fundraising benötigen.

EU ebnet den Weg zur erfolgreichen Zusammenarbeit

Auch wenn die bisher rasante Wachstumsgeschwindigkeit des Fintech-Sektors abnimmt, sieht die Zukunft gut aus. Die EU trägt ebenfalls dazu bei und ebnete mit der Zahlungsdienste-Richtlinie PSD2, die 2018 in Kraft trat, den Weg zur weiteren Zusammenarbeit zwischen der Old und New Economy. Sie schreibt Banken vor, Drittparteien einen sicheren Zugang zur Verfügung zu stellen, um Kontodaten einzusehen und Zahlungen zu veranlassen. Dies ermöglicht Finanzanbietern, digitale Plattformen zu etablieren, auf denen sowohl eigene Produkte, als auch die von externen Dienstleistern angeboten werden können. Davon profitieren nicht nur die Banken und die Start-ups, sondern vor allem die Verbraucher. Durch das Zusammenrücken beider Welten, sind Banken im Stande durch neue Technologien breitere Angebote anzubieten und das Kundenerlebnis maßgeblich zu verbessern.

Gastbeitrag von Antti-Jussi Suominen, CEO von Holvi