EUR-Franken rutscht unter 1.10

13.06.2016

Ursina Kubli

Brexit und die Lösung der Franken-Kredite in Polen stärken die Nachfrage nach dem Franken. Der Grund für die verstärkte Nachfrage liegt somit auf der Hand.

Anleger sind im Vorfeld des britischen EU-Referendums nervös, da das Abstimmungsergebnis um den Verbleib in der EU doch knapper ausfallen könnte als erwartet. Ein weiterer, etwas weniger beachteter Grund für die Frankenstärke liegt in einer anstehenden Entscheidung in Polen. Dort wird diskutiert, ob Franken-Hypotheken in Zloty zurückgezahlt werden dürfen. Dies hätte direkte Auswirkungen auf den Schweizer-Franken-Wechselkurs, da eine Umwandlung der Hypotheken die Nachfrage nach Franken von Seiten der Kreditgeber sofort erhöhen würde. Die SNB wird am Donnerstag an der geldpolitischen Sitzung ihre Bereitschaft zu Währungsinterventionen erneut bestätigen. Der Euro-Franken-Kurs ist wieder unter 1.10 gerutscht, die für die Devisenmärkte psychologisch wichtige Marke. Ein Faktor für die verstärkte Nachfrage nach dem sicheren Franken liegt auf der Hand. Im Vorfeld des EU-Referendums sind die Anleger nervös. Schließlich dürfte der Ausgang der britischen Abstimmung um den Verbleib in der EU doch knapper sein als zuvor erwartet. Käme es zu einem Brexit dürften große Turbulenzen an den Finanzmärkten zu kräftigen Kapitalzuflüssen in den Schweizer Franken sorgen. Neben dem Risiko von Brexit gibt es jedoch einen zweiten, etwas weniger beachteten Grund für den stärkeren Franken. Der anstehende Entscheid in Polen, wie die Problematik der Franken-Hypotheken in Zukunft gelöst wird, hat direkte Auswirkungen auf den Schweizer-Franken Wechselkurs. Die Problematik der Franken-Hypotheken geht auf die Jahre vor der großen Finanzkrise zurück. Damals hatten viele Immobilienbesitzer in Polen, Ungarn und Rumänien ihre Hypotheken in Franken abgeschlossen, um von den deutlich tieferen Schweizer Zinsen zu profitieren. Der durchschnittliche 3-monatige Schweizer LIBOR belief sich in diesem Zeitraum auf 2,2 Prozent, während zum Beispiel der polnische Zloty WIBOR bei 5,0 Prozent lag. Zusätzlich hofften osteuropäische Kreditnehmer von einer weiteren Abwertung des Schweizer Frankens zu profitieren. Schließlich war der polnische Zloty zwischen 2003 und Mitte 2008 gegenüber dem Franken mehr als 30 Prozent gestiegen. Bekanntlich drehte dieser Währungstrend in der grossen Finanzkrise abrupt ins Gegenteil. Franken-Schulden schnellten in die Höhe und brachten Immobilienbesitzer in Bedrängnis. Die ausstehenden Franken-Kredite betragen in Polen noch immer mehr als 8 Prozent vom Bruttoinlandprodukt. Mehr als 45 Prozent dieser Franken-Hypotheken haben eine Beleihungsquote von über 100 Prozent. Die Handhabung der bestehenden Franken-Kredite ist in Polen derzeit ein brandaktuelles politisches Thema. Der polnische Präsident Andrzej Duda hat in seinem Wahlkampf versprochen, die Bürger des Landes von der Last zu befreien, ihre Hypothekenkredite in Franken zurückzuzahlen. Im Juni wird ein zweiter Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Eine Umwandlung der Hypotheken hätte die direkte Folge, dass die Nachfrage nach dem Franken von den kreditgebenden Banken steigt, um diese dann offenen Währungspositionen zu decken. Diese Entwicklungen wird die Schweizerische Nationalbank genauestens verfolgen. Um Anspannungen auf dem Schweizer Franken-Interbankenmarkt zu verhindern, hat die SNB bereits mit der polnischen Zentralbank vorsorglich Schweizer-Franken/Zloty-Swap-Abkommen abgeschlossen. Zudem dürfte die SNB an diesem Donnerstag in der geldpolitischen Sitzung ihre Bereitschaft für allfällige Währungsinterventionen erneut bestätigen.

Ein Kommentar von Ursina Kubli, Ökonomin, Bank J. Safra Sarasin AG

www.jsafrasarasin.com