Ergo: Presse-Schlammschlacht über Sex-Orgie hätte verhindert werden können

07.02.2013

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Die Berichterstattung über die Sex-Orgie der HMI-Vertreter in Budapest in allen Medien hat viel bewirkt: Einen Flurschaden in der gesamten deutschen Bevölkerung und damit in der Versichertengemeinschaft. Man könnte es auch Kollateral-Schaden nennen. Denn dieses Sex-Incentive hat nicht nur der Ergo-Versicherung geschadet, sondern der ganzen Branche. Als wäre die Kritik bezüglich der schlechten Renditen der Lebensversicherung und der hohen Vertriebskosten nicht schon schlimm genug. Jetzt kommt auch noch die Argumentation des „Otto-Normalverbrauchers“ dazu: „So geht ihr also mit dem Geld der Versicherten um!“

Und gerade hat doch die Ergo ihre 60 Millionen teure Werbekampagne "Versichern heißt verstehen" im Markt so richtig etabliert, da platzt die Bombe wie aus heiterem Himmel. Zufall?

Nein, das ist kein Zufall. Vielen Versicherten - und auch mir - ist diese Werbekampagne als verlogen übel aufgestoßen. Man könnte auch sagen: Der Verbraucher fühlt sich verar… Denn dort heißt es: "Die Menschen wollen versichert werden, nicht verunsichert". Aber gerade das ist der Fall. Verunsichert waren die Menschen bei den Mitteilungen über die Ablaufleistungen der Viktoria Lebensversicherung, die sie wie ein Blitzschlag getroffen haben. Wäre da nicht die große Mutter Münchener Rück im Hintergrund, dann hätte die Viktoria auch pleitegehen können. Aber das hat man anders geregelt: Durch die Verschmelzung mit dem neuen und modernen Namen "ERGO". Wer redet da denn noch von der maroden und unmodernen Viktoria-Versicherung? Die passt einfach nicht mehr ins Bild.

Aber was ist mit der Hamburg-Mannheimer-Versicherung, die auch unter dem Ergo-Dach verschwunden ist? Die ist durch die "Sex-Orgie" wieder publik geworden, obwohl der Vorstand sie gerade für das Bild der Öffentlichkeit begraben hat. Aber war dieses Desaster so unvorhersehbar und unvermeidbar? Ich glaube nein.

Bereits im letzten Jahr haben Vermittler der HM den Vorstand der Ergo darum gebeten, eine faire Lösung für die Versicherungsvertreter bezüglich vereinbarter Provisionsansprüche und Altersvorsorge herbeizuführen. Ohne Erfolg. Die berechtigte Bitte gipfelte in einer einseitigen Anzeige im Handelsblatt am 20. April 2011 der HM-Vertreter Edmund Gäch, Harald Rosenberger und Henning Richter aus Zossen mit der Überschrift: "Was macht die Ergo mit dem Erbe des Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer?" In dieser Anzeige werden schwere Vorwürfe gegen den Vorstand der Ergo erhoben. Aber auch diese außergewöhnliche Anzeige im Handelsblatt haben die Verantwortlichen der Ergo nicht bewogen, konstruktive und zielführende Gespräche mit den Betroffenen zu führen.

Nach so viel Ignoranz hat man von Seiten der "Betroffenen" wohl zu anderen Mitteln gegriffen. Nach dem Motto: Wenn wir den Schaden haben, sollt ihr auch nicht ungeschoren davonkommen. Die Verantwortlichen der Ergo waren also schon lange sensibilisiert, haben das Thema aber offensichtlich massiv unterschätzt.

Die Entrüstung des Vorstandes war hingegen gespielt. Die etwas andere Veranstaltung in Budapest war im Hause Ergo schon lange bekannt und ver- oder abgebucht. Mit etwas Geschick hätte man also diesen Kollateral-Schaden vermeiden können. Die Werbekampagne ist jedenfalls schon einmal heruntergefahren worden.

Franz-Josef Liesenfeld