Erbschaftsteuer-Reform: Skepsis berechtigt

06.09.2016

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Am Donnerstag, den 08. September wird das Gesetz zur Reform der Erbschaftsteuer im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat verhandelt. Die Skepsis mehrerer Bundesländer ist berechtigt. Bei Betriebsvermögen wäre eine extrem niedrige Besteuerung weiterhin möglich.

Da das vom Bundestag beschlossene Gesetz neue und sehr weitreichende Privilegien für Unternehmenserben vorsieht, ist fraglich, ob es die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts erfüllt, Erben von Unternehmen gegenüber anderen Erben nicht zu stark zu bevorzugen. Zudem ist zweifelhaft, ob das neue Gesetz zu Mehreinnahmen für die öffentliche Hand führt. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. In der Studie rechnen die Finanzexperten Prof. Dr. Achim Truger (Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, und IMK Senior Research Fellow) und Birger Scholz (FU Berlin) vor, dass es in zahlreichen Fällen, in denen Unternehmen vererbt oder verschenkt werden, „gelingen dürfte, die Steuerlast auf oder sogar unter das bereits extrem niedrige Niveau des geltenden Rechts abzusenken“. Das ist nach ihren Fallbeispielen sowohl bei mittelgroßen Handwerksbetrieben möglich als auch bei der Weitergabe von Unternehmensanteilen in dreistelliger Millionenhöhe. Die effektiven Steuerquoten liegen in den untersuchten Fällen zwischen 0,5 Prozent und knapp 15 Prozent, während es bei der Vererbung von anderen Privatvermögen in gleicher Höhe zwischen 26 und knapp 30 Prozent wären. „Ziel war es offenkundig, den durch die Umsetzung der höchstrichterlichen Vorgaben unvermeidlichen Belastungsanstieg zu kompensieren“, schreiben die Forscher. Kritisch sehen Truger und Scholz vor allem zwei Privilegierungen im neuen Gesetz: Die pauschale Absenkung der Unternehmenswerte um 30 Prozent im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens zur Bestimmung des Unternehmenswerts und die Absenkung des Unternehmenswerts um bis zu 30 Prozent im Falle von Familienunternehmen. Da beide Abschläge kumuliert in Anspruch genommen werden können, werde für sehr viele Steuerfälle „der Unternehmenswert mehr als halbiert und somit das frühere, vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig charakterisierte Bewertungsniveau wieder hergestellt“, schreiben die Experten in ihrem IMK Policy Brief. Damit dürfte die Erbschaftsteuerreform auch wenig dazu beitragen, die größer gewordene soziale Ungleichheit in Deutschland wieder zu reduzieren. In einer Vorläuferstudie hatte das IMK bereits gezeigt, dass die Privilegierung von Betriebsvermögen zu einem weitgehend regressiven Steuerverlauf bei Schenkungen und Erbschaften insgesamt führt. So wurden Schenkungen in Höhe von 5.000 bis 10.000 Euro nach Berücksichtigung von Freibeträgen 2014 im Durchschnitt effektiv mit 10,2 Prozent besteuert. In der Größenklasse über 20 Millionen Euro, in der viel Betriebsvermögen weitergegeben wird, lag die effektive Besteuerung dagegen lediglich bei 0,4 Prozent. Erbschaften über 20 Millionen Euro wurden effektiv zwar höher besteuert. Doch lag die Belastung mit 7,8 Prozent deutlich niedriger als in den übrigen Größenklassen ab 50.000 Euro. www.boeckler.de