Entgegen aller Erwartungen

09.11.2016

Monica Defend

Monica Defend, Head of Global Asset Allocation Research, gibt eine erste Einschätzung zum Ausgang der US-Wahl und den möglichen Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzmärkte.

Wie beurteilen Sie das Wahlergebnis?

Donald Trump hat die Wahl für sich entschieden. Es gibt eine ganze Menge Unsicherheit über seine voraussichtliche Politik, weil der Wahlkampf arm an tiefer politischer Diskussion war, und reich an Giftigkeit. Unvorhersehbarkeit und Änderungen erwecken Befürchtungen bei den meisten Marktteilnehmern, wie die Reaktion an den Märkten auf der ganzen Welt unmittelbar nach dem Wahlergebnis klar gezeigt hat. Insbesondere gibt es Ängste, dass Trump einen Handelskrieg gegen China beginnen könnte, oder dass er Firmen mit Steuerstrafen belegen könnte, die ihre Geschäftstätigkeiten nach außerhalb der USA verlegen. Dennoch erwarten wir, dass eine gewisse Mäßigung seitens der Republikanischen Partei seine Möglichkeiten teilweise einschränken könnte, viele seiner kontroversen Initiativen durchzusetzen. Dazu zählt u.a. die Einführung von Zöllen, die Ablehnungen sämtlicher Handelsabkommen, und der Rückzug aus den NATO-Verpflichtungen. Das würde helfen, die lange US-Tradition einer moderaten und wirtschaftsfreundlichen Politik aufrechtzuerhalten. Dennoch ist es nicht von Bedeutung, dass Clinton ebenfalls angekündigt hatte, dass sie weniger für freien Handel wäre als Präsident Obama, ebenso dass sie hart sein würde gegenüber Steuerflucht-Strategien von US-Unternehmen.

Wie schätzen Sie den Einfluss des Wahlergebnisses auf die US-Wirtschaft ein?

Trumps Sieg könnte einen erheblichen Einfluss auf das gesamtwirtschaftliche Szenario haben, abhängig davon, welche Vorschläge er durchsetzen kann, und ob der Republikanische Kongress moderatere Ergebnisse mit sich brächte, als diejenigen, die in Trumps Rhetorik vorgeschlagen wurden. Während ein Teil von Trumps Programm (wie Steueränderungen, eine vollständige Reform der Immigration und der Infrastrukturausgaben) eine Bestätigung durch den Kongress erfordert, könnte die Einführung von Zöllen und eines extremen Protektionismus schnell durchgesetzt werden, und hätte sofortige Auswirkungen auf Handelsbilanzen und auf das Vertrauen. Die von Trump angekündigten massiven Infrastrukturausgaben, die Möglichkeiten für steuerliche Anreize und die Erwartungen einer Änderung in der Fed-Führung dürften vermutlich inflationär sein. Angesichts Trumps kritischer Äußerungen zur Fed kann man davon ausgehen, dass er eine Änderung in der Fed-Führung anstrebt, sobald Yellens Mandat im Januar 2018 endet.

Was sind die Auswirkungen auf die Finanzmärkte?

Wie erwartet, ist die Volatilität in den Tagen vor der Wahl angestiegen. Die Märkte schalteten um von einem „Risk-off“-Modus zu einer euphorischeren Haltung, als es so aussah, als könnte Clinton ihren Vorsprung halten. Die Marktstimmung drehte mehrere Male.

Dies belastete Aktien, aber auch die Emerging Markets-Währungen, allen voran den Mexikanischen Peso, der die Umfrageentwicklung besonders genau nachzeichnete und verlor, wenn das Rennen enger wurde. Wir glauben, dass nun eine „Risk-off“-Phase einsetzt, bis klar sichtbar wird, welche Politik die Regierung Trump verfolgt. Die Entwicklung der Renditen wurde in den letzten Wochen von der Erwartung, dass die Fed im Dezember die Zinsen anhebt, und der erwarteten Rückkehr der Inflation bestimmt. Kurzfristig könnte der Markt nun erwarten, dass die Zinserhöhung später kommt, sofern es zu Unruhe auf den Aktienmärkten kommt. Insgesamt erwarten wir einen Anstieg der Zinsvolatilität. Bei den Emerging Markets erwarten wir, dass es auf den exportorientierten Märkten zu Verkäufen kommt, besonders in Mexiko, China und den asiatischen Ländern. Dort dürfte ein deutlicher Abverkauf auf den Renten- und Aktienmärkten einsetzen. Russische Bonds dürften aufgrund der positiven Beziehung Trumps zu Putin insgesamt steigen. Insgesamt erwarten wir, dass sich die Spreads des Emerging Markets Bond- Index ausweiten und sich 50 bis 70 Basispunkte höher als zur Zeit einpendeln. Wir sehen auch, dass die höher rentierlichen Märkte am stärksten belastet sein werden; es dürfte zu einer Unterperformance gegenüber niedriger rentierlichen Märkten kommen. Eine aktive Titelauswahl wird daher für das Management der aktuellen Marktvolatilität von großer Bedeutung sein.

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