Eine moderate Jahresendrally

07.12.2017

Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © Martina Draper

Nach einem ungewöhnlich positiven Aktienjahr warten Anleger nun auf die viel zitierte Jahresendrally. Die erste Dezemberwoche startete schwach. Fällt die Rally 2017 aus oder besteht noch Hoffnung?

wikifolio.com hat hierzu Trader und Vermögensverwalter befragt. Sie präsentieren ihre Sicht auf die Märkte und erklären, wie sie sich im aktuellen Umfeld positionieren.

Amerikanische Finanzwerte im Fokus von Portfoliomanagern

Die Vermögensverwalter bei MS Finance Support halten wenig von bestimmten Jahreszyklen. Sie entscheiden lieber von Woche zu Woche, ob sie im Markt investiert bleiben. Dennoch sind sie optimistisch, dass es in naher Zukunft zu einer Aufwärtsbewegung kommt: „Die erste Dezemberwoche, so verrückt es sich anhört, ist oft eine schwache Woche, bevor es dann doch noch bis zum Jahresende nach oben geht“, sagt Geschäftsführer Manfred Stiegel. „Nach unserer Einschätzung ist die Struktur des Marktes in Ordnung. Es sieht recht positiv aus.“

Den Portfoliomanagern gefallen aktuell vor allem Transportwerte sowie Aktien von Versicherungen und Banken aus den USA. Deshalb haben sie die Bestände in diesen Branchen gerade noch mal aufgestockt.

High-Tech-Giganten als Profiteur der US-Steuerreform

Hightech-Spezialist Stefan Waldhauser verfolgt einen langfristigen Anlagehorizont. Er hält ebenfalls wenig davon, die Investitionsquote anhand der Jahreszeiten zu steuern. Die zum Jahresende hin oftmals steigenden Kurse begründet er damit, dass vor allem nach guten Börsenjahren die institutionellen Anleger ihre Aktienquote erhöhen und damit die Kurse weiter befeuern.

Für das laufende Börsenjahr rechnet Waldhauser mit einem positiven Abschluss: „Die amerikanischen Regierungskammern haben für die angekündigte Steuerreform votiert und damit den Weg für eine politisch motivierte Jahresendrallye geebnet. Die Nettogewinne vieler Unternehmen dürften damit deutlich steigen. Rund um den Globus könnte es jetzt zu Diskussionen um ähnliche Steuererleichterungen für Unternehmen kommen. Andere Länder wollen den USA gegenüber weiterhin wettbewerbsfähig bleiben.“

Als mögliche Profiteure dieser Maßnahmen sieht Waldhauser zunächst „alle profitablen US-Branchen, aber vor allem auch die High-Tech-Giganten wie Apple und Microsoft. Diese könnten künftig noch einfacher ihre hohen Investitionen in die Zukunft finanzieren, im Ausland geparkte Gewinne zurückholen und auch größere Summen an die Aktionäre ausschütten.“ Mit Blick auf die kommenden Wochen bremst der Trader aber gleichzeitig die Euphorie: „Ich bin etwas skeptisch, ob es angesichts der doch jetzt schon hohen Bewertung – gerade in USA – für eine ausgewachsene Rally reichen wird.“

Europa wird 2018 wieder interessant

Der Berufstrader Michael Flender erwartet, dass die Kurse im Dezember nur noch moderat steigen. Deshalb hat er die Cashquoten in seinen Portfolios zuletzt etwas erhöht: „Die Jahresendrally hat in diesem Jahr schon deutlich früher stattgefunden, nämlich im September/Oktober. Aktuell ist der Markt im Korrekturmodus. Es könnte zwar nochmal etwas nach oben gehen, aber mit einer ‚echten‘ Jahresendrally rechne ich nicht mehr.“

Mittelfristig kann sich Flender eine gewisse Rotation an den Märkten vorstellen: „Die US-Indizes sind ja schon seit Wochen in ‚Feierstimmung‘. Die europäischen Börsen können davon aber nicht profitieren. Gut möglich, dass sich das Blatt bald wendet, dass also Europa wieder anzieht. Das wird aber wohl eher im nächsten Jahr passieren.“

Kolumne von Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG