Digitalisierung verdrängt Sachbearbeiter

07.10.2014

Die deutsche Assekuranz treibt die Digitalisierung ihrer internen Vorgänge massiv voran. 92 Prozent streben die vollständige Automatisierung von Geschäftsvorfällen an. Für 83 Prozent steht die zumindest teilweise Automatisierung ihrer komplexen Prozesse an.

2014-10-08 (fw/db) Die deutsche Versicherungswirtschaft treibt mit dem Ziel Verwaltungskosten einzusparen die Automatisierung und Digitalisierung voran. Für die Marktstudie „IT-Plattformen für den Versicherungsbetrieb“ wurden zwölf deutsche Versicherer durch die PPI AG befragt. Die Befragung fand bereits von März bis Mai 2014 statt. Zusätzlich wurden die wichtigsten nationalen und ausgewählten internationalen Hersteller von IT-Plattformen befragt.

„Noch immer sind in den Abläufen der Assekuranzen viel zu viele manuelle Eingriffe notwendig. Das macht sie fehleranfällig, langwierig und teuer“, sagt Tobias Kohl, Versicherungsexperte bei dem auf Finanzunternehmen spezialisierten Software- und Beratungshaus PPI AG.

92 Prozent der deutschen Versicherer wollen ihre Dunkelverarbeitungsquote der Geschäftsvorfälle erhöhen. Darunter versteht man eine von Anfang bis Ende komplette Automatisierung, bei der kein Versicherungssachbearbeiter mehr eingreifen muss. 83 Prozent wollen zudem die Geschäftsprozesse vereinheitlichen, was wiederum deren Bearbeitungszeit und Potenzial zur Automatisierung erhöht.

„Mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel fürchten Versicherer, künftig nicht mehr genug Personal für die qualifizierte Prozessbearbeitung zu haben. Automatisierte Prozesse kommen ohne Mitarbeiter aus oder ermöglichen auch weniger spezialisierten Kräften die Bearbeitung“, erklärt Studienleiter Kohl.

Das größte Automatisierungspotenzial versprechen die etwas komplexeren Geschäftsvorfälle. Versicherer haben sich in einer ersten Stufe die einfachen Prozesse vorgenommen und diese automatisiert. In dem einfachen Prozess der Schadensbearbeitung bei Glasbruch wird vielfach bereits ein Automatisierungsgrad von 90 Prozent erreicht.

Nun wollen in einer zweiten IT-Umbau-Stufe über die Automatisierung von einfachen Prozessen hinausgehen. 83 Prozent streben mit der Verbesserung ihrer IT-Landschaft eine Automatisierung von Standard-Geschäftsvorfällen im qualifizierten Geschäft an. Bei diesen komplexeren Prozessen wie beispielsweise der fiktiven Schadenabrechnung bei mobilen Gütern ist jedoch zunächst ein Automatisierungsgrad von etwa 40 Prozent erstrebenswert und ausreichend.

Egal ob es um die Automatisierung simpler oder komplexer Arbeitsprozesse geht, das Ergebnis ist eine schnellere und einfachere Verarbeitung.

Dadurch erhoffen sich die Assekuranzen vor allem niedrigere Betriebskosten“, sagt Kohl. „Außerdem wollen die Versicherer durch die Erneuerung ihrer IT in der Lage sein, schneller auf technologische und regulatorische Änderungen zu reagieren.“

Computer reagieren schneller als Menschen

Die durch eine Standardsoftware gesteuerte Fallbearbeitung wird automatisch an Regularien angepasst und kann neue Vorschriften schneller erfüllen. Auch Module zur Entwicklung und Einführung neuer Versicherungsprodukte sind oftmals im Softwarepaket mit Branchenlösung enthalten und vereinfachen so die internen Arbeitsschritte der Assekuranzen.

Bei einer Analyse der 20 wichtigsten deutschen und internationalen Hersteller von IT-Plattformen zeigt sich, dass viele darum bemüht sind, die Arbeitsvorgänge anwenderfreundlich zu gestalten und den Automatisierungsgrad zu erhöhen. 85 Prozent beinhalten bereits die Möglichkeit zur Maschine-to-Maschine-Kommunikation (kurz: M2M) und somit eines Austauschs der Computer untereinander ohne menschliches Eingreifen. Noch 35 Prozent haben elektronische Beratungssysteme, die den Sachbearbeiter unterstützen, 20 Prozent planen die Einführung der M2M-Funktion.

Den klassischen Sachbearbeiter wird es in der deutschen Assekuranz bald nicht mehr geben. Auch dies ist eine weitere Folgeerscheinung im Zeitalter der Digitalisierung.

Dietmar Braun