Die Bank, die sich nicht traut

12.09.2016

Zu unsicher ist Wachstumsdynamik der US-Wirtschaft und zu unterschiedlich sind die geldpolitischen Richtungen der großen Zentralbanken. Dass dieser Weg kein leichter sein wird, war der US-Notenbank von Beginn an klar. Sie hat zur Bekämpfung der Finanzkrise 2008 mit den allseits beliebten Aufkäufen von Staatsanleihen massiv Liquidität in den Wirtschaftskreislauf gepumpt und damit die Zinsen auf ein äußerst niedriges Niveau getrieben. Damit sollte die Konsumlust der Verbraucher und die Investitionsneigung der Unternehmen auf Trab gebracht werden. Außerdem sollte die Zinslast der zum Teil hochverschuldeten Länder verringert werden, damit mehr staatliche Mittel für investive Zwecke zu Verfügung ständen. Die meisten Ökonomen stimmen darin überein, dass der bisherige Weg angesichts der Finanzkrise/Schuldenkrise alternativlos war. Doch viele fragen sich, ob die Politik bisher erfolgreich war oder gar zu riskant ist. Wenn Geld nichts mehr kostet, können Fehlinvestitionen die Folge sein. Das aktuelle Problem ist vielmehr, das zu wenig realwirtschaftlich investiert wird. Außerdem versickert ein Teil der Gelder oder wird aus Risikogründen gehortet. Deshalb versuchen manche Zentralbanken die Haltung von Einlagen an Straf- oder Negativzinsen zu koppeln. Einige Ökonomen sehen sogar durch die immense anlagesuchende Liquidität die Gefahr von spekulativer Blasenbildung an den Wertpapier- und Immobilienmärkten. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist in den letzten Jahren stark gesunken. Die Wirksamkeit der Geldpolitik wird damit verringert. Hinderlich ist grundsätzlich auch die in der Ökonomie angenommene Zeitverzögerung zwischen geldpolitischer Maßnahme und Wirkung von ungefähr einem halben Jahr. Die Fed hat aufgrund ihres Mandats – Inflation und Beschäftigung – als Ziele die Erreichung der Vollbeschäftigung und eine Inflationsrate von zwei Prozent ausgegeben. Gleichwohl hat die Fed-Chefin, Janet Yellen, immer wieder betont, dass der Weltwirtschaft Risiken drohen, die Prognosen schwierig seien und die Datenlage bezüglich der Wachstumsdynamik in den USA widersprüchlich ist. Deswegen fährt die US-Notenbank bisher auf Sicht, das heißt sie richtet sich mit ihren Entscheidungen nach der aktuellen Datenlage der makroökonomischen Indikatoren aus. Sie beobachtet auch die Entwicklung der großen Volkwirtschaften wie China, Europa und Japan sowie die internationalen Kapitalströme. Der Hemmschuh für eine Zinsanhebung liegt auch außerhalb der USA. Erst kürzlich hat die Bank von England wegen möglicher künftig negativer Wirkungen des Brexits den Zinssatz gesenkt. In Europa und Japan ist noch kein Ende der expansiven Geldpolitik in Sicht. Der US-Notenbank kann nicht daran gelegen sein, mit einer Zinserhöhung das Zinsdifferential zwischen den USA und dem Rest der Welt zu vergrößern und damit den Wert des US-Dollars in die Höhe zu treiben und massive Kapitalströme in die USA zu induzieren. Dies behindert die Möglichkeiten der aufstrebenden Wirtschaftsnationen, ihre größtenteils in US-Dollar nominierten Schulden zurückzuzahlen. Weiterhin würden die US-Exporte als auch die Umsätze und die Gewinne der international orientierten US-Firmen in US-Dollar sinken. Eine gute Kommunikation zwischen geldpolitischer Instanz und der Wirtschaft bzw. dem Kapitalmarkt verstärkt die Effizienz geldpolitischer Maßnahmen. Verliert die Fed an Glaubwürdigkeit, wenn sie den Zeitpunkt der nächsten Zinsanhebung immer wieder hinausschiebt? Wann ist das Ziel oder der Umkehrpunkt erreicht, an dem man die zugeführten Gelder wieder abzieht? Entscheidet sich die Fed zu früh für eine restriktivere Gangart, dann könnte wohlmöglich das Wachstum der US-Wirtschaft abgewürgt werden. Entscheidet sie sich zu spät, könnte sich die Inflation deutlicher aus- weiten als gewünscht. Laut Aussagen des Fed-Vize, Stanley Fischer, ist das Vollbeschäftigungsziel fast erreicht. Die Arbeitslosenrate befindet sich unter fünf Prozent und die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung liegen auf dem nahezu niedrigsten Stand seit den 70er-Jahren. Die Entwicklung der Kernrate der Konsumentenpreise (PCE), die für die Fed der Maßstab für die Inflationsrate ist, liegt mit 1,6 Prozent in der Nähe der anvisierten Zielmarke von zwei Peozent. Die US-Konjunktur gewinnt offenbar an Fahrt. Die Verkäufe neuer Wohnimmobilien haben einen Spitzenwert seit 2007 erreicht und die Auftragseingänge für langlebige Güter sind im Juli um 4,4 Prozent angezogen. In ihrer Rede auf dem Symposium der Zentralbanker in Jackson Hole am 26. August deutete die Fed-Chefin an, dass die Argumente für eine Zinsanhebung mit der soliden Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sowie der voraussichtlichen Entwicklung von Wachstum und Inflation stärker geworden seien. Trotzdem werde sich die Fed nach den tatsächlichen Wirtschaftsdaten richten. Der Leitzins werde im Laufe der Zeit nur „graduell“ ansteigen; ein konkreter Termin wurde nicht genannt. Die schwierige Lage in Europa und Japan, der Brexit und die schwächelnde Wirtschaft Chinas lassen Yellen zögern. Außerdem beläuft sich laut dem US-Wirtschaftsministerium das aufs laufende Jahr hochgerechnete Wachstum der US-Wirtschaft auf aktuell nur 1,1 Prozent. Mit der Hinhaltetaktik erhält die Fed-Chefin den Glauben an die Rückkehr zur Normalität. Der Markt sieht momentan die größten Chancen für eine Zinserhöhung im Dezember.

Ein Kommentar von Dr. Thomas Heidel, Leitung Research FIDAL AG