Deflation – Fluch, aber manchmal auch Segen

16.11.2014

Baris Bekar

Die Deflation ist der Anstieg der Kaufkraft einer Geldeinheit. Was für den wirtschaftsfernen Bürger zunächst gut zu sein scheint, ist für die Wirtschaft schlecht. Diese Behauptung stellen zumindest zahlreiche Politiker und Ökonomen auf. Das beste Beispiel hierfür ist die große Wirtschaftskrise der 30er Jahre in den USA.

Die Deflationsspirale nahm ihren Lauf, woraufhin die Arbeitslosenquote auf 25 % anstieg und die Durchschnittslöhne um 60 % fielen. Doch was hätte Deflation in der jetzigen Situation für Auswirkungen?

Grundsätzlich lassen sich keine pauschalen Aussagen zur Deflation treffen. Um eine Wertung vorzunehmen, ist es hilfreich auf die jeweilige Situation zu schauen. So gibt es unterschiedliche Ausprägungen der Deflation, wie sich historisch erkennen lässt. Sicherlich wünschenswert ist die „Gute Deflation", die zu einem Produktivitätsanstieg führen kann. Der Anstieg erfolgt durch den Preisrückgang, während die Löhne der Bürger sich nicht verändern. Dies führt zu einer erhöhten Nachfrage und infolgedessen auch zu einer erhöhten Produktion. Jedoch muss es für dieses Szenario immer bestimmte Voraussetzungen geben. Ein historisches Beispiel hierfür sind die Jahre 1873 bis 1896. Bei einer Deflationsrate von 2 % wuchs die Wirtschaft um ca. 2 bis 3 %. Dies war vor allem durch Innovationen, wie zum Beispiel die Einführung der Eisenbahnnetze, zu begründen.

Als „schlechte Deflation" wird der ungleichmäßige Rückgang von Preisen bezeichnet. Hier kann beispielhaft die Einhaltung von langfristigen Arbeitsverträgen genannt werden. Muss ein Unternehmen die Preise für Güter senken, kann es dies aufgrund von Arbeitsverträgen nicht im identischen Verhältnis mit den Gehältern der Mitarbeiter umsetzen und somit entsteht ein Ungleichgewicht. Dieses Ungleichgewicht wird sich dann in der Wirtschaftlichkeit von Unternehmen niederschlagen und zu einer höheren Arbeitslosigkeit führen. Sozialstaaten wie Deutschland bekommen infolgedessen noch ein weiteres Problem. Sozialleistungen sind nur bedingt abhängig vom aktuellen Preisniveau und führen zu gleichbleibenden Ausgaben, während Steuereinnahmen durch den wirtschaftlichen Abschwung sinken.

Das Worst-Case-Szenario ist die „hässliche Deflation". Hierbei geht es um die Schuldendeflation. Die aufgenommenen Kredite und deren Konditionen für Bürger oder Unternehmen sind fixiert und sinken ebenfalls nicht mit dem Preisniveau. Dies führt durch den Preisverfall zu Schwierigkeiten bei der Rückzahlung, wodurch Schuldner möglicherweise in die Zahlungsunfähigkeit kommen und Banken eine große Anzahl an toxischen Krediten halten. Als Beispiel für toxische Assets sind kreditfinanzierte Immobilienkäufe zu nennen, die beispielsweise in den USA ohne nennenswerte Sicherheiten getätigt werden konnten. Dies wiederum führt nicht nur zu wirtschaftlichen Problemen bei Banken, sondern auch zu drastischen Verschärfungen der Kreditanforderungen - wodurch die Investitionen in die Wirtschaft sinken und eine Abwärtsspirale ihren vollen Lauf nimmt.

Es lässt sich abschließend festhalten, dass die Deflation mit äußerster Vorsicht zu genießen ist. Unter gewissen, kontrollierten Umständen kann sie durchaus Vorteile bringen, allerdings ist der Grat zur schlechten Deflation relativ schmal. Die Geschichte zeigt, dass Deflationsphasen einen großen Teil der Wirtschaftskrisen mitbegleitet oder herbeigeführt haben und für konjunkturelle Schwächephasen mitverantwortlich waren. Die genannten Risiken einer Deflationsspirale überlagern in der Regel die aufgeführten „guten" Aspekte. Der Technologiesektor kann hier allerdings als positives Beispiel zur Bewältigung der Deflation hervorgehoben werden. Trotz der stetig fallenden Preise für elektronische Geräte und damit verbundene Dienstleistungen (Tablets, Computer, Internetgebühren etc.) stehen seit Jahren zahlreiche weitere Investitionen an. Die Technologiebranche boomt und gehört zu den begehrtesten und aufblühenden Sektoren der Wirtschaft – trotz branchenimmanenter Deflation!

(Autor: Baris Bekar, IPAM - Institut für professionelles Asset Management, Essen)