Das leise Stupsen in Richtung Zinswende

13.07.2017

Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions / Foto: © Robeco

In den letzten Jahren ist es den Notenbanken gelungen, durch den Stil ihrer Verlautbarungen eine Verunsicherung an den Märkten zu verhindern. Die jüngsten Meinungsänderungen in Bezug auf die Geldpolitik lassen allerdings vermuten, dass die Zentralbanken die Marktteilnehmer nun dazu bewegen wollen, sich in Europa allmählich auf ein Ende der Politik des billigen Geldes einzustellen, analysiert Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions. Ein bekanntes Zitat von Alan Greenspan, dem ehemaligen Chef der US-Notenbank Fed, zeigt, dass die Kommunikation der Währungshüter nicht immer einfach ist: „Seitdem ich Notenbanker geworden bin, habe ich gelernt, mit großer Inkohärenz vor mich hin zu murmeln. Wenn meine Äußerungen jemandem übermäßig klar erscheinen, dann hat er sicher missverstanden, was ich gesagt habe."

Wer sich – wie Greenspan es formuliert hat – „übermäßig klar" äußert, kann von früheren Aussagen eingeholt werden. Wer dagegen zu vage bleibt, kann die Marktakteure verunsichern, weil sie dann nicht wissen, was sie zu erwarten haben. Am besten ist deshalb der Mittelweg: Optionen offen halten, sich niemals übermäßig klar äußern und versuchen, die Märkte in die gewünschte Richtung zu bewegen. „Diese Strategie wird erfolgreich praktiziert: Veranstaltungen, auf denen Notenbanker zur Geldpolitik Stellung nehmen, sind mittlerweile langweilig. Dass die Fed im laufenden Erhöhungszyklus die Zinsen dreimal anheben und die ersten Schritte zur Rücknahme von Quantitative Easing (QE) bekannt geben konnte, ohne die Renten- oder Aktienmärkte zu sehr zu beunruhigen, ist ein eindeutiger Beweis, dass ihre Kommunikation funktioniert hat", so Daalder.

Angesichts dessen kann man sich fragen, was sich in den letzten Wochen diesseits des Atlantiks abgespielt hat: „Was genau versuchen Europas Notenbanker uns mitzuteilen?", fragt Daalder, für den die Hinweise auf ein Ende von Quantitative Easing zunehmen.

Verhalten der britischen Notenbank deutet Verschärfung an

Für Daalder hat die eher behäbige britische Notenbank („Bank of England" – BoE) ein gutes Beispiel dafür geliefert, wie die neue Orientierung eine Verschärfung der Geldpolitik andeuten könnte. Am 15. Juni votierte der Chefökonom der BoE dafür, den Leitzins bei 0,25 Prozent zu belassen. Doch innerhalb von nur einer Woche vollzog er eine Kehrtwende, indem er andeutete, dass eine Rücknahme von Stimulierungsmaßnahmen in gewissem Umfang angebracht wäre. Der Gouverneur der BoE, der zuvor ebenfalls für unveränderte Leitzinsen plädiert hatte, äußerte sich am 28. Juni ähnlich.

„An sich ist es nicht ungewöhnlich oder verkehrt, wenn Notenbanker ihre Meinung ändern. Nach dem unerwarteten Ausgang des britischen EU-Referendums im letzten Jahr beschloss die BoE zusätzliche geldpolitische Stimulierungsmaßnahmen, um den für die britische Wirtschaft erwarteten Schock abzufedern. Doch der kam nie, und die Wirtschaft setzte ihr Wachstum fort. Das könnte für sich genommen schon ein stichhaltiger Grund sein, diese zusätzlichen Stimuli teilweise zurückzunehmen", so Daalder, für den der plötzliche Sinneswandel schwer nachvollziehbar bleibt. „Die Wachstumsaussichten sind schwächer geworden, die Verbraucher leiden unter höheren Preisen und rückläufigen Realeinkommen, und die BoE hat ‚vorübergehende’ Inflationsausschläge nach oben bisher ziemlich locker gesehen. Wenn die BoE es also ernst meint und den Markt auf eine bevorstehende Zinserhöhung einstimmen will, darf man in den nächsten Monaten eine weitere Orientierung in dieser Richtung und bessere Konjunkturdaten erwarten."

Auch EZB sendet gegensätzliche Signale

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht zwar vor einem ganz anderen Szenario, doch ihr Präsident Mario Draghi äußert sich ähnlich diffus.

„Auf der Juni-Sitzung überraschte Draghi die Märkte mit der Absenkung der Inflationserwartung für 2018 auf 1,3 Prozent. Dies zeigt, dass kein wirklicher Inflationsdruck entsteht, weil die Verknappung des Arbeitskräfteangebots bislang nicht zu größeren Lohnsteigerungen geführt hat. Selbst für 2019 prognostiziert die EZB nur eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,6 Prozent. Die dahinterliegende Botschaft lautet: Wir haben keine Eile, an der derzeitigen geldpolitischen Konstellation etwas zu verändern", fasst Daalder zusammen. Doch dann sagte Draghi in einer Rede am 28. Juni, dass „die deflationären Kräfte durch reflationäre Kräfte abgelöst worden sind" – und schockierte damit die Märkte. Die Folgen: Der Euro wertete auf und die Renditen auf Staatsanleihen zogen an.

Staatsanleihen weiter untergewichtet, Aktien neutral

Was bedeutet das jetzt für Anleger? „Ungeachtet des verwirrenden Geschehens lautet die Botschaft: In Europa rückt das Ende von Quantitative Easing näher. Interessanterweise kommen die lautesten Äußerungen in Richtung Ende der lockeren Geldpolitik von der am wenigsten glaubwürdigen Notenbank, der BoE. Die EZB, die die Aussichten herunterspielt, dass es dazu kommen wird, hat dagegen viel bessere Argumente. Wir stehen nicht vor radikalen Veränderungen. Vielmehr wird es in den nächsten Monaten ein weiteres Stupsen geben", prognostiziert der Robeco-Experte.

Daalder zufolge dürfte sich dies auf die Finanzmärkte unter dem Strich wie folgt auswirken: Die Renditen auf europäische Anleihen werden weiter anziehen und ihre Kurse weiter fallen. „Wir bleiben bei der Untergewichtung von Staatsanleihen und sind deshalb nicht allzu unglücklich über die jüngste Entwicklung", betont Daalder.

„Aktien profitieren von den niedrigen Anleiherenditen und Kreditrisikoaufschlägen, während die Aussicht auf eine QE-Reduzierung durch die Notenbanken die Stimmung trüben könnte. Da wir in der Geldpolitik nicht mit plötzlichen oder raschen Kursänderungen rechnen, bleiben wir gegenwärtig bei unserer neutralen Gewichtung von Aktien."

Marktkommentar von Lukas Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions