Chancen und Risiken im früheren Persien

24.01.2016

Die wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber dem Iran wurden beendet. Nach Ansicht des größten Versicherers für Kreditrisiken ist Deutschland ein Favorit für Geschäfte mit dem früheren Persien.

2016-01-25 (fw/db) Die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran birgt für deutsche Unternehmen große Chancen – sowie einige Risiken. Zu diesem Schluss kommt der führende Kreditversicherer Euler Hermes S.A., eine Tochter der Allianz SE, in seiner Studie „Iran – Back in the Game?“.

„Die wirtschaftlichen Potenziale im Iran sind groß, gerade auch für deutsche Exporteure. Aber ein ‚El Dorado‘, bei dem nach Aufhebung der Sanktionen sofort das Gold auf der Straße liegt, ist es realistisch betrachtet auch nicht. Zumindest nicht kurzfristig, denn der Finanzdienstleistungssektor ist derzeit beispielsweise fast nicht existent. Mittel- und langfristig wird das Land mit seinen 80 Millionen potenziellen Kunden jedoch sehr interessant werden. Nicht ohne Grund stehen die ersten Firmen bereits in den Startlöchern“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkwirt der Euler Hermes Gruppe.

Deutschland ist für Geschäfte im und mit dem Iran favorisiert. Dafür gibt es nach Ansicht von Subran vier Hauptgründe:

„Erstens, die Branchen, in denen deutsche Exporteure besonders stark sind, werden in den kommenden Jahren eine große Nachfrage erleben. Zweitens, hat die deutsche Industrie einen hervorragenden Ruf und steht für Qualität. Der Iran ist eine weit entwickelte Wirtschaft mit einer zum Großteil hochgebildeten Bevölkerung. Viele von ihnen würden gerne hochwertige Markenprodukte kaufen, zumal ein Teil der Bevölkerung den wesentlich höheren Lebensstandard von vor den Sanktionen kennt. Drittens, lebt in Deutschland eine sehr große iranische Gemeinde, die mit ihrer Zweisprachigkeit deutschen Unternehmen den Weg in den Iran ebnen könnte. Und viertens, ist die Türkei durch ihre langjährigen Handelsbeziehungen ein Türöffner für den Iran – davon profitieren deutsche Firmen mit Niederlassungen in der Türkei.“

Großer Nachholbedarf

Der Nachholbedarf für den Iran als Wirtschaftspartner ist groß. Von 2011 bis heute fehlen dem Iran Importe in Höhe von 30 Milliarden Euro durch die Intensivierung der Sanktionen. Ausländische Waren wie zum Beispiel Haushaltswaren sind derzeit sehr schwer zu bekommen, ganz zu schweigen von Autos oder Maschinen. Sowohl Importe als auch Binnenkonsum werden nach der Öffnung daher stark anziehen. Durch die Ölvorkommen verfügt der Iran auch die finanziellen Mittel, diesen Nachholbedarf zu finanzieren.

„In einem ersten Schritt führt dies zu einer steigenden Befriedigung der Grundbedürfnisse: Nahrung und Gesundheit. Es käme zunächst zu einer wachsenden Nachfrage nach Lebensmitteln sowie nach Pharmaprodukten zur medizinischen Versorgung. In einem zweiten Schritt würde die iranische Bevölkerung neue Autos und die Spülmaschine oder andere Haushaltsgeräte ersetzen. Wenn eine iranische Familie derzeit also lediglich eine billige Spülmaschine kaufen kann, die sie häufiger ersetzen muss, wird sie bald auf hochwertigere und langlebigere Produkte setzen und genau hier stehen die deutschen Firmen bereits in den Startlöchern. Zudem sind die Maschinen im produzierenden Gewerbe im Iran veraltet. Die Nachfrage nach neuen Maschinen sowie Ersatzteilen zur Instandhaltung der bestehenden Produktionslinien wäre also die logische Folge. Auch die Infrastruktur im Land ist marode und muss erneuert und modernisiert werden“, sagt Experte Subran.

Automobilindustrie, Maschinenbauer, Chemie-, Medizin- und Pharmaunternehmen, Bau- und Baumaterialfirmen sowie Hersteller von Konsumgütern und Lebensmitteln haben deshalb nach Ansicht von Euler Hermes besonders gute Karten.

Deutsche Exporte könnten sich verdoppeln

Dieses Potenzial ist groß, auch wenn Deutschland nur einen Teil dessen nutzen kann. Im besten Fall könnten sich die deutschen Exporte in den nächsten Jahren verdoppeln.

Konkurrenz kommt allerdings aus China: China ist bereits seit vielen Jahren sehr proaktiv im Handel mit dem Iran – sie haben dies sehr geschickt gelöst und sind – anders als der Westen – nicht an die Sanktionen gebunden.

„Ölexporte aus dem Iran nach China werden beispielsweise in Renminbi beglichen. Dadurch haben viele iranische Unternehmen und Finanziers hohe Reserven in dieser Währung und sind quasi dadurch gezwungen chinesische Produkte zu kaufen. Das ist quasi der Teufelskreis aus Exporten in Renminbi. Mit Aufhebung der Sanktionen könnte sich das jedoch ändern und die Deutschen könnten – zusammen mit anderen Nationen – den Chinesen einige Marktanteile streitig machen“, erläutert Subran.

Finanzdienstleistungssektor, Währungs-, Kredit- und politische Risiken

Zahlreichen möglichen und versicherbaren Risiken stehen Exporteure gegenüber, insbesondere in vier Bereichen:

„Sanktionen werden in der Regel schrittweise gelockert“, sagt Subran. „Erfahrungsgemäß gehört der Finanzdienstleistungssektor hier meist zu den letzten. Geldverkehr mit dem Iran wird von den USA bisher drastisch geahndet. Deshalb warten alle auf die Amerikaner, hier den ersten Schritt zu tun. Derzeit fehlen im Iran jedoch Finanzdienstleistungen wie Banken und Versicherungen. Das zweite Risiko ist das Währungsrisiko. Derzeit herrscht im Iran ein einziges Währungschaos – das wird auch beim Aufheben der Sanktionen zunächst weiter bestehen. Unternehmen benötigen hier die Sicherheit, in welcher Währung sie beispielsweise ihre Geschäfte abschließen.“

Zudem bestehen Unsicherheiten im allgemeinen Geschäftsumfeld, insbesondere durch die Hürden der Bürokratie, die es insgesamt nicht einfach machen, Geschäfte abzuwickeln. Zudem sehen die Euler Hermes Experten derzeit ein hohes Kreditrisiko.

„Unternehmensdaten wie Bilanzen sind nur in geringem Umfang öffentlich zugänglich – Lieferanten kaufen also quasi die Katze im Sack und haben keine Möglichkeit, die Bonität ihrer Abnehmer zu bewerten. Ohne entsprechende Informationen oder Absicherungsmöglichkeiten ist das Risiko hier deshalb enorm. Auch die juristischen Grundlagen sind derzeit relativ unsicher, Unternehmen müssen sich also vorsichtig herantasten an Gerichte oder auch die Handhabung von Insolvenzverfahren“, so der Euler-Hermes-Experte

Außerdem bleibt ein politisches Restrisiko, sowohl auf nationaler Ebene als auch insgesamt in der Region, nicht zuletzt aufgrund der Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien. Zum politischen Restrisiko zählt auch, inwieweit der iranische Staat selbst auf den Handel Einfluss nehmen wird nach Aufhebung der Sanktionen. Derzeit ist beispielsweise unklar, wie und ob die Regierung eine Regulierung vornehmen wird, beispielsweise durch Importrestriktionen.

Die vollständige Euler-Hermes-Studie zum Iran finden Leser und Nutzer hier im Internet.

Dietmar Braun