Brasilien kopiert chinesisches Wachstumsmodell

07.02.2013

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Kolumne von Marteen Jan Bakkum, Senior Product Specialist / GEM Strategist bei ING Investment

(fw/ah) "Unter Berücksichtigung von Preis- und Wechselkursdifferenzen zur übrigen Welt hat sich das Pro-Kopf-Vermögen Chinas in den vergangenen beiden Jahrzehnten verneunfacht. Alle anderen Schwellenländervolkswirtschaften haben im Gegensatz dazu nur bescheidene Zuwächse beim Wohlstand erzielt. Mit einer vierfachen Steigerung ist Indien immerhin der Spitzenreiter unter den übrigen Ländern, während Russland und die Philippinen mit einem Faktor unter 2 am schwächsten abschneiden. Und auch Brasilien bringt es nur auf einen Faktor von knapp über 2. Der riesige Vorsprung Chinas gegenüber den anderen Schwellenländern ist der Hauptgrund, warum das chinesische Wirtschaftsmodell oder zumindest Teile davon in zunehmendem Maße von anderen Volkswirtschaften übernommen wird. So waren die Realzinsen in Indien in den vergangenen beiden Jahren negativ und stellen damit eine völlige Umkehr der bisherigen zurückhaltenden Geldpolitik der indischen Zentralbank dar. Doch der Druck, Wirtschaftswachstum zu sichern und nicht zu weit hinter dem großen Nachbarn China zurückzubleiben, ist einfach zu stark. In den meisten anderen Schwellenländern ist die Geldpolitik jetzt entweder lockerer als (jemals) zuvor oder der Investmentansatz der Regierung hat sich erheblich geändert.

Auch in Brasilien, wo das Wirtschaftswachstum jahrzehntelang hinter anderen Schwellenländern hinterherhinkte, ist der Groschen jetzt sozusagen gefallen. Seit die Kreditkrise 2008 die USA und Europa in Atem hielt, hat Brasilia seine Kreditvergabe über die staatliche Förderbank BNDES stetig ausgeweitet. Das war zunächst sicherlich keine schlechte Idee, da die Privatbanken in den Krisenmonaten von 2008 kaum in der Lage waren, neue umfangreiche Investmentprojekte zu finanzieren. Inzwischen sind die brasilianischen Privatbanken zwar wieder in guter Verfassung, aber die BNDES setzt ihre expansive Politik fort. Das Kreditneugeschäft wuchs 2008 und 2009 um 40-50 Prozent. Angesichts der lebhaften Kredittätigkeit in der ersten Jahreshälfte wird das durchschnittliche Wachstum 2010 sicherlich nicht geringer ausfallen. Die Finanzierung größerer und häufig prestigeträchtiger Infrastrukturprojekte durch eine staatliche Bank ist in China gang und gäbe. Diese Strategie wird durch die hohe Investitionsquote von über 45 Prozent noch untermauert; damit liegt Chinas Wachstumstrendrate zwischen 6 und 9 Prozent.

In Brasilien liegt die Investitionsquote dagegen nur bei 19 Prozent. Die Regierung will diese Quote in den kommenden Jahren auf 24 Prozent steigern, um eine potenzielle Wachstumsrate von 5-6 Prozent zu erreichen. Mit seiner BNDES-Strategie könnte es der Regierung durchaus gelingen, in den nächsten Jahren seine Wachstumsziele umzusetzen.

Zwar wird diese Strategie kurzfristig wohl kaum zu finanziellen Problemen führen, langfristig bestehen aber sicherlich Risiken. Getrübte Transparenz der brasilianischen Fiskalpolitik, ineffizientere Kapitalzuweisung, ein sich ausweitendes Leistungsbilanzdefizit sowie allgemein zunehmende staatliche Eingriffe in der Wirtschaft sind reale Sorgen, derer sich Investoren bewusst sein sollten.